Schlick macht Elbzuflüsse Krückau, Pinnau und Stör immer seichter. Wirtschaft wirft dem Bund Vernachlässigung vor

Kiel/Hamburg. Die einst florierende Binnenschifffahrt auf den Flüssen elbabwärts von Hamburg kommt langsam zum Erliegen. Auf der Krückau wurde der Güterverkehr bereits eingestellt, weil jeder Frachter im Schlick stecken bleiben würde. An der Pinnau verlagerte ein großes Unternehmen seine Transporte aus demselben Grund auf die Straße, und auch die dritte Bundeswasserstraße im Südwesten Schleswig-Holsteins, die Stör, ist für größere Schiffe nicht immer problemlos passierbar.

"Ich habe den Eindruck, dass der Bund ganze Flussläufe aufgibt", klagt der Hauptgeschäftsführer der IHK zu Kiel, Jörn Biel. Dabei seien die Flüsse für die Wirtschaft ein Transportweg der Zukunft. "Schiffstransporte sind ökonomisch und ökologisch." Der frühere Kieler Wirtschaftsminister erinnert zudem an die Bedeutung von Krückau, Pinnau und Stör für den Tourismus und den Wassersport. "Viele Eigner von Sportbooten haben ihr Revier bereits in die Ostsee verlegt", ergänzt der Skipper des Elmshorner Traditionsschiffs "Ewer Gloria", Ulrich Grobe. Wie Biel fordert er, die Nebenflüsse der Unterelbe wieder schiffbar zu machen.

An der Krückau scheint der Kampf gegen Schlick verloren. "Wir haben vor einigen Monaten die Löschvorrichtungen an unserem Werk abgebaut", berichtet der geschäftsführende Gesellschafter der Peter Kölln KG in Elmshorn, Hans Heinrich Driftmann. Die Flocken-Firma hatte einst eine eigene Flotte mit drei Schiffen, die Elmshorn zu einem der größten Getreideumschlagshäfen Deutschlands machten. Inzwischen ist der Hafen selbst bei Hochwasser und günstigem Wind für Binnenschiffe nicht mehr zu erreichen. Das zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt Hamburg (WSA) bestätigte, dass die Krückau weiter verschlickt. Jüngst wurde die Pegelangabe für Elmshorn um einen halben Meter gesenkt. Bei mittlerem Hochwasser ist die Krückau dort nur noch 1,80 Meter tief.

Der Pinnau droht dasselbe Schicksal. In Uetersen beträgt der Wasserstand 2,80 Meter, und genau dort müssen die Binnenschiffe wenden, die den großen Papierhersteller Stora Enso mit Zellstoff beliefern. "In Uetersen gibt es zunehmend Probleme", weiß Biel. Bei Ostwind hätten die 70-Meter-Schiffe kaum eine Handbreit Wasser unter dem Kiel. Stora Enso ist der letzte große Schiffskunde an der Pinnau. Das Unternehmen Hatlapa aus Uetersen lässt schwere Maschinen inzwischen per Tieflader nach Glückstadt fahren und dort verschiffen. Das WSA kennt die Probleme. "Wir prüfen, ob wir in Uetersen etwas machen", bestätigt WSA-Nautiker Frank Richters. Im Idealfall könnte die Maßnahme in diesem Jahr anlaufen. Das letzte Wort hat aber Berlin. Der Bund muss die Baggerarbeiten im Flusslauf bezahlen.

Bei der Stör lässt sich Berlin bisher nicht lumpen. Die Bundeswasserstraße wird etwa alle zwei Jahre ausgebaggert und ist zumindest bis Itzehoe auch von Binnenschiffen meist sicher befahrbar. Die Investitionen würden sich auszahlen, sagt Biel. "Der Hafen der Kreisstadt Itzehoe erlebt einen kleinen Boom." Umgeschlagen werden vor allem Futtermittel. Angesichts des Sparkurses des Bundes fürchtet Biel allerdings, dass die Erfolgsgeschichte bald enden könnte. "In Berlin kennt jeder Elbe, Rhein und Donau, aber kaum einer Stör, Pinnau und Krückau."

Der Ex-Minister wirbt deshalb in der Hauptstadt für die Nebenflüsse und weiß dabei einen der mächtigsten Wirtschaftsfunktionäre der Republik an seiner Seite. Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages ist der Elmshorner Kölln-Chef Driftmann. Er kündigt im Gespräch mit dem Abendblatt sogar einen möglichen Wiedereinstieg in die Binnenschifffahrt auf der Krückau an. "Sollte der Fluss wieder schiffbar gemacht werden, würden wir die umweltfreundliche Transportvariante Schiff wählen." Jede Schiffstour ersetze bis zu 45 Lkw-Fahrten. Das WSA ist skeptisch, aber für Vorschläge offen. "Wir sind gesprächsbereit."

Das Grundproblem, die Verschlickung, lässt sich dagegen kaum lösen. Nach Einschätzung von Schiffsexperten sind die Elbvertiefungen nur ein Grund für die Ablagerungen. Mitverantwortlich sind die Sperrwerke und damit der Hochwasserschutz für das Hinterland sowie die Landwirtschaft mit ihren Bodeneinträgen. Zudem gibt es einen Teufelskreis: Je weniger Schiffe einen Fluss befahren, desto stärker lagert sich dort der Schlick ab.