Angeklagter bezeichnete sich selbst als “Meister im Verdrängen“. Jungen aus Angst vor Entdeckung umgebracht. Gutachten mit Spannung erwartet.

Celle. Selbst an diesem entscheidenden Prozesstag verzieht der mutmaßliche Kindermörder und -schänder keine Miene. Selbst jetzt, als der psychiatrische Sachverständige Norbert Nedopil sein Gutachten verliest, gelingt es dem sogenannten Maskenmann Martin N., jede emotionale Regung in einen Teil seiner eigenen dunklen Welt zu verbannen. Der Hamburger Martin N. macht, was er bisher im Prozess immer machte: Stocksteif sitzt er da und starrt auf den Boden.

Seit Oktober muss sich der 41-jährige Pädagoge vor dem Stader Landgericht wegen dreifachen Kindesmordes und 23-fachen sexuellen Kindesmissbrauchs verantworten. Weil in Stade kein Platz frei war, tagte die Kammer gestern im Celler Oberlandesgericht.

Das Gutachten war mit Spannung erwartet worden. Von den Befunden des forensischen Psychiaters hängt maßgeblich ab, ob das Gericht im Urteil zusätzlich eine Sicherungsverwahrung oder die Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt anordnet.

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Insgesamt siebenmal hatte Nedopil mit Martin N., der vor Gericht bisher geschwiegen hat, persönlich gesprochen. Dabei sei der 41-jährige Pädagoge "aufgetaut" und habe ihm unter anderem einen Suizidversuch kurz nach seiner Festnahme im April 2011 gestanden. Während der Gespräche hätten sich deutlich Hinweise auf eine pädosexuelle Ausrichtung, eine tief verankerte Pädophilie ergeben, so Nedopil. Schon im frühen Kindesalter habe sich Martin N., damals wie heute ein "scheuer Einzelgänger", zu Jungs hingezogen gefühlt. Martin N. sei ein "emotional spröder" Mensch mit "schizoider Persönlichkeitsakzentuierung", egozentrisch und emotional mehr vom eigenen Schicksal betroffen als dem Leiden seiner Opfer und deren Angehörigen.

Anfang der 90er-Jahre begann Martin N., mit dem Auto durch die Gegend zu fahren und Ausschau nach dem sexuellen Ideal seiner Kindheit zu halten: leicht bekleideten Knaben. Auf Jugendfreizeiten habe er zudem den unproblematischen Zugang zu den Kindern ausgenutzt. Erst habe Martin N. die Kinder nur angeschaut, später dann auch unsittlich berührt.

Martin N. habe sich als "Meister im Verdrängen" bezeichnet - deshalb sei es ihm möglich gewesen, kurz nach den Morden an Stefan J., 13, Dennis R., 8, und Dennis K., 9, wieder durch die Gegend zu fahren und Jungs nachzustellen. Die Missbräuche habe er regelmäßig in seine Fantasien eingebaut und die Morde aus Angst vor Entdeckung begangen. Die Tatbegehung deute an, dass er die Morde im Zustand der Schuldfähigkeit begangen habe. Martin N. sei rückfallgefährdet, das Gericht müsse über die Anordnung einer Sicherungsverwahrung entscheiden.

Am Vormittag hatte der Vorsitzende Richter Berend Appelkamp auszugsweise die Eintragungen aus Pädophilenforen verlesen, die Martin N. unter Nicknames wie "Mario" und "Gerd X" verfasst hatte. Als Gerd X. postete Martin N.: "Ich habe mir einen Tarnanzug gekauft und springe damit auf dem Kinderspielplatz aus dem Gebüsch, wenn ein hübscher Junge vorbeikommt." Dann hieß es: "Geil fände ich es, wenn kleine Jungs einem Sexualmörder in die Hände fallen würden." Ihm gegenüber, so Nedopil, habe Martin N., sein Alter Ego Gerd X als "provokative Spielerei" und nicht als "Ausdruck seiner authentischen Fantasien" beschrieben.