Ein Jahr vor der Landtagswahl in Niedersachsen sieht sich Fraktionschef Stefan Schostok “auf Augenhöhe“ mit der regierenden CDU.

Hannover. Mit 30 Prozent hat die SPD bei der Landtagswahl in Niedersachsen vor vier Jahren ihr bislang schlechtestes Ergebnis überhaupt erzielt. Aber kaum ein Jahr vor der nächsten Wahl am 20. Januar 2013 strotzt die Partei vor Selbstbewusstsein. "Wir sind wieder auf Augenhöhe mit der CDU", sagt ihr Fraktionschef im Landtag, Stefan Schostok, dem Abendblatt. Er bestätigt der eigenen Partei, sie habe in den vergangenen Jahren eine "zukunftsorientierte Opposition" gemacht und rechnet gerne vor: "Wenn wir Rot-Grün nehmen, liegen wir derzeit über 50 Prozent gegenüber 40 Prozent für Schwarz-Gelb."

So ist es nicht nur in Umfragen, sondern so war es auch in der Realität bei der Kommunalwahl im September in Niedersachsen. Aufschluss darüber, ob dieser Trend auch bei Landtagswahlen gilt, erhofft sich die SPD schon im Mai. Dann wählt Schleswig-Holstein, und auch dort will eine schwarz-gelbe Koalition die Macht verteidigen und Rot-Grün die Macht übernehmen. Ein Erfolg für die gegenwärtigen Oppositionsparteien in Kiel wäre genau das, was sich die Genossen in Hannover wünschen als Rückenwind. Zumal es da ja noch eine Parallele gibt: In Niedersachsen tritt mit Stephan Weil wie in Schleswig-Holstein mit Torsten Albig der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt an als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl.

Eines aber ist anders: In Schleswig-Holstein setzt die SPD auf eine Doppelspitze mit dem Spitzenkandidaten Albig und dem Landesvorsitzenden Ralf Stegner. In Niedersachsen hat die Sozialdemokratie nur ein Jahr vor der Landtagswahl einen kompletten Austausch des Spitzenpersonals eingeleitet. Hannovers Oberbürgermeister Weil hat Ende November die Urabstimmung um die Spitzenkandidatur für sich entschieden und übernimmt vom Gegenkandidaten Olaf Lies am 20. Januar auf einem Sonderparteitag auch den Landesvorsitz. Schostok findet diese Entwicklung rundum gut: "Ich habe nie an Triumvirate und Duette geglaubt. Es ist gut, dass die SPD über eine Person als Landesvorsitzender und Spitzenkandidat den Menschen im Land eine klare Orientierung bietet." Und weil der SPD-Kandidat Weil auch angekündigt hat, im Falle einer Niederlage gegen den CDU-Amtsinhaber David McAllister in den Landtag zu wechseln, hat Schostok den eigenen Rückzug bereits eingeleitet. Der 47-Jährige will nach Weils Abgang als Oberbürgermeister für diesen Posten kandidieren und wird sich deshalb gar nicht erst erneut um ein Landtagsmandat bewerben. Es gibt also bei der SPD derzeit klare Verhältnisse, und das ist ungewohnt in einem Landesverband, der sonst der staunenden Öffentlichkeit immer wieder internen Streit zwischen den vier Bezirken zumutete, die sich eifersüchtig bekämpften. Unvergessen: Der damalige Oppositionsführer Wolfgang Jüttner musste 2007 den Landesvorsitz abgeben als Voraussetzung dafür, dass die anderen Bezirke seine Spitzenkandidatur unterstützten.

Die SPD bereitet sich auf einen Wahlkampf vor, in dem die CDU ganz auf ihren Spitzenmann McAllister setzen wird, auf den Amtsbonus. Dass der Halbschotte und Christdemokrat Bekanntheits- und Popularitätswerte hat, von denen die neue Riege der SPD-Politiker nur träumen kann, bestreitet Schostok nicht: "Aber er ist die einzig schillernde Figur, hat zudem lediglich als Ministerpräsident und junges Aushängeschild gute Startwerte bekommen." Die aber, ist Schostok überzeugt, "kann er nicht halten, die schlechte Gesamtbilanz der Koalition strahlt ab".

Schostok wirft McAllister "mangelnde Führungsstärke" vor, verweist auf schwache Kabinettsmitglieder: "Immer mehr Minister haben Probleme, und er versucht, sie und ihre Probleme in der Sache auf Distanz zu halten, damit nichts abfärbt." Ob Energiewende, Landwirtschaft und Wirtschaft, es fehle an Konzepten, um die großen Herausforderungen anzugehen. Und dann ist da ja noch das große Thema der Endlagerung von Atomabfällen, wo Niedersachsen mit dem maroden Endlager Asse und dem im Bau befindlichen Endlager Schacht Konrad ohnehin für die ganze Bundesrepublik Lasten trägt. Wenn die Rückholung der Abfälle aus der Asse scheitert, hat McAllister ein Problem. Die Verantwortung dafür trägt letztlich sein Parteifreund, Bundesumweltminister Norbert Röttgen. Dass der Ministerpräsident nicht einmal bei dem weitergehenden Projekt eines Endlagers Gorleben für hochradioaktiven Müll klare Kante gegenüber Röttgen zeigt, findet der Oppositionsführer Schostok unbegreiflich: "Selbst hier laviert er, statt eindeutig niedersächsische Interessen zu vertreten und zu sagen, dass Gorleben rausmuss aus der Liste möglicher Standorte."

Einmütig setzen SPD-Spitzenkandidat Weil und McAllister auf Bildungspolitik, beide betonen die Wichtigkeit der frühkindlichen Bildung und die Notwendigkeit, allen Kindern gleiche Chancen zu geben. Hauptproblem der SPD wird es in den nächsten zwölf Monaten sein, den Spitzenkandidaten Weil auch außerhalb der Region Hannover bekannt zu machen. Sein Kontrahent McAllister hat in den vergangenen neun Jahren als Fraktionschef und Ministerpräsident das Land fleißig bereist - seine Popularität ist derzeit das wichtigste Pfund, mit dem die CDU wuchern kann.