Einmalig im Landkreis Lüneburg: Wenn im Übermaß Alkohol fließt oder Bürger bepöbelt werden, rufen die Adendorfer Michael Bosselmann.

Adendorf. Freitagabend, 22.30 Uhr: Menschenleer sind Wohn- und Geschäftsstraßen von Adendorf, als Michael Bosselmann mit seinem Kleinwagen eine Kreuzfahrt durch den Ort an der Grenze zu Lüneburg unternimmt. Er fährt Hinterhöfe, Spielplätze und Schulen in Adendorf an - Treffpunkte von Jugendlichen, die durch ihr Verhalten immer wieder mit Bürgern und Anwohnern in Konflikt geraten.

Doch "momentan ist alles unheimlich ruhig", stellt Bosselmann zufrieden fest. Das sei nicht ungewöhnlich, denn allerorten gebe es Wellenbewegungen in dieser Szene. Mal tut sich monatelang gar nichts, dann wieder hagelt es Beschwerden von Bürgern. Neben dem saisonalen Auf und Ab ist die erfreuliche Ruhe indes auch Beweis der erfolgreichen Arbeit des 46 Jahre alten Streetworkers.

Seit zehn Jahren leitet Bosselmann die Kinder- und Jugendpflege in Adendorf. Seit knapp zwei Jahren kümmert sich der diplomierte Sozialpädagoge zudem als Straßensozialarbeiter um Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die ihre Treffpunkte nicht zu Hause, im Verein oder dem Jugendzentrum haben.

Anlass zur Schaffung der Stelle gab ein Brand auf einem Spielplatz. Dort hatten Jugendliche ein 15 000 Euro teueres Spielgerät angezündet. Das war das Ausrufezeichen in einer Szene-Entwicklung, die die Gemeinde bereits seit einigen Jahren registrierte. Gruppen junger Leute aus allen Gesellschaftsschichten besetzten mehr und mehr öffentliche Räume wie Spielplätze oder Schulhöfe. Es kam zu Ruhestörungen, Sachbeschädigungen, Bedrohung und offener Gewalt.

Die Gemeinde reagierte. Sie erkannte die Defizite im Angebot der Jugendarbeit und schuf die Stelle des Straßensozialarbeiters, kurz Streetworkers. Seitdem sucht Bosselmann die jungen Menschen an ihren Treffpunkten auf. Für sie ist der Lebensort Straße nicht gefährlich, "er gibt Schutz, sichert soziale Kontrolle, vermittelt Anerkennung". Dennoch: Wessen Persönlichkeitsentwicklung vorrangig auf der Straße stattfindet, ist mehrheitlich von sozialer Benachteiligung, Ausgrenzung, Stigmatisierung, Kriminalisierung oder auch der Suchtproblematik betroffen, weiß Bosselmann.

"Jedes Gespräch mit ausgegrenzten und sich ausgrenzenden Personen erfordert ein Höchstmaß an Sensibilität, um sie zu erreichen. Schließlich sollen beide Seiten an dem Miteinander gewinnen", erklärt der erfahrene Jugendpfleger und Streetworker. In ernsthaften Konflikten gibt es auch schon mal konkrete Anweisungen: "Mit jugendlichen Trinkern auf einem Grundschulgelände werden keine Kompromisse geschlossen oder Diskussionen geführt. Sie erhalten konkrete Vorgaben, die zu befolgen sind."

Wichtig sei, die jungen Leute nicht von einem Ort zum andern zu verdrängen, sondern ihnen Angebote zu machen, die sie ohne Vorbedingungen und Vorleistungen annehmen können. Die Angebote in Adendorf sind zahlreich in Sportvereinen, Feuerwehr, Kirchengemeinden. Eine attraktive Alternative bietet der sonnabendliche Moonlight-Sport in der Sporthalle der Grundschule Am Weinbergsweg. Wer sich darauf einlässt statt andernorts zu trinken und die Motoren der Kleinkrafträder heulen zu lassen, gewinnt ein Stück Lebensqualität. Die Arbeit zeitigt Früchte. "90 Prozent der Jugendlichen sind einsichtig, räumen auf und verlassen ungeeignete Plätze", berichtet Bosselmann.

Wenn sich momentan auch wenig in der Szene tut, Arbeit für den Streetworker gibt es immer: "Wir haben hier schon Zehnjährige, die abends und nachts durch die Straßen ziehen." Abgesehen davon, dass viele Eltern die Verantwortung für ihre Kinder an die Öffentlichkeit abgeben, verändert sich die Jugend in die Deutschland. "Die Kinder sind länger und dabei unbeobachtet draußen. Was wir noch nicht haben, ist Kontrolle durch die Gesellschaft."

Möglich in Adendorf wird die Verbesserung der Lebenswelt jugendlicher Randgruppen durch ein funktionierendes Kooperationsnetz mit Polizei, Schulen, Vereinen, der AWO und vielen Bürgern. Für den Fall, dass Anwohner bekannter Szene-Treffpunkte sich belästigt fühlen, hat Michael Bosselmann ihnen seine Handynummer hinterlassen.