Eltern sind empört über die Pläne des Landkreises zur möglichen Auflösung der Förderschule An der Schaperdrift. Landkreis will sparen.

Lüneburg. Landkreis und Hansestadt stehen vor einer Riesenaufgabe: Das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung soll der Regelfall werden. Dazu verpflichtet eine UN-Konvention. So werden Förderschulen überflüssig, die seit Jahrzehnten Kinder mit Lernproblemen aufnehmen. Betroffen davon ist die Schule An der Schaperdrift in Ödeme. Ihr Träger ist der Landkreis Lüneburg. In ihr sollen bereits ab dem Schuljahr 2012/2013 keine weiteren Erstklässer aufgenommen werden. Die Schließung der Schule ist absehbar.

Dazu führte der Landrat im zurückliegenden Schulausschuss aus: "Insgesamt 25 Kinder besuchen die erste bis vierte Klasse in der Förderschule Oedeme, zwölf sind es in der Johannes-Rabeler-Schule Bei der St. Johanniskirche. Wir möchten die Aufnahme dieser Kinder in der städtischen Rabeler Schule konzentrieren." Zugrunde liegen der Entscheidung des Landkreises rein monetäre Überlegungen.

Dazu Oberbürgermeister Ulrich Mädge: "Die Fortführung der Johannes-Rabeler-Schule als Kompetenzzentrum ist eine vernünftige Lösung. Natürlich haben wir uns darüber vorher mit dem Landrat verständigt haben. Sie hat Vorteile für den Landkreis, da so die Raumnot in Oedeme gelindert werden kann. Sie hat Vorteile für die Hansestadt, da wir weiter die Beschulung an Ort und Stelle sicherstellen können. Und sie hat Vorteile für die Schülerinnen und Schüler selbst, folgt man dem vom Land geforderten Prinzip Inklusion. "Könnte das Gymnasium Oedeme die Räumlichkeiten der Förderschule An der Schaperdrift nutzen, blieben dem Landkreis zu erwartende Mietkosten in Höhe von jährlich 70 000 Euro für zwei Container erspart. Im Gegenzug soll die Stadtschule barrierefrei gestaltet und saniert werden. "Selbstverständlich stehen Begehrlichkeiten im Raum", kommentiert eine Pädagogin der Rabeler-Schule die angestrebte Entwicklung.

+++ Verwaltung agiert wenig sensibel +++

Noch bekommt Deutschland schlechte Noten bei der Pflichtaufgabe Inklusion. Nur 20 Prozent von bundesweit 485 000 Schülen mit sonderpädagogischem Förderbedarf lernen an einer Regelschule (Studie Bertelsmann-Stiftung). Auf scharfe Kritik stoßen die Pläne bei Eltern, deren Kinder an der Schule an der Schaperdrift unterrichtet werden. "Die Fusion von zwei Förderschulen ist keine Inklusion", sagt Petra Gieseler aus Brietlingen. Vielmehr wäre es richtig, die Förderschulen für Regelschüler zu öffnen, um das Ziel der Integration in der Pädagogik zu erreichen. "Nur so kann jedes Kind nach seinen Fähigkeiten gefördert werden", sagt sie. Und wenn schon ein Förderzentrum in Lüneburg entstehen soll, dann in Oedeme, fordert sie. "Das Gebäude ist besser geeignet", sagt die Mutter und erhält Unterstützung von Kurt Meier aus Lüdershausen als Vater einer Tochter, die an der Schule an der Schaperdrift den Unterricht besucht.

"Die Schule ist modern und erfüllt alle Ansprüche. Für viel Geld wurde sie in den vergangenen Jahren ausgebaut. Sie ist behindertengerecht ausgestattet und hat die nötigen Gruppenräume für die Sonderpädagogik", sagt er. Die Johannes-Rabeler-Schule biete das alles nicht, sind sich Meier und Gieseler einig. "Der nötige Umbau der Rabeler- Schule wäre nichts anderes als Flickschusterei und Geldverschwendung", sagt Meier. Die Eltern wittern einen Handel zwischen Stadt und Landkreis, bei dem es nur um die Finanzen geht, aber nicht um das Wohl der Kinder. "Die Politik versucht den Raumbedarf für das Gymnasium auf Kosten derer zu decken, die benachteiligt sind und Förderung benötigen", so Meier.

Meier und Gieseler halten von dem geplanten neuen Standort mitten in der Innenstadt nichts. "Viele der Kinder sind dort nicht gut aufgehoben, weil sie nicht mit der Umgebung im Stadtzentrum klar kommen und Angst haben werden", sagt Meier. Die meisten Mädchen und Jungen mit Beeinträchtigungen benötigten eine sichere und vertraute Umgebung und geregelte Abläufe, sagt Gieseler. "Veränderungen machen ihnen Angst. Sie können damit nicht umgehen." Die Situation sei nicht damit zu vergleichen, als wenn Kinder ohne Beeinträchtigungen betroffen wären. "Die mit Handicap sind dann einfach nur noch hilflos."

So richtig empört ist Petra Gieseler darüber, dass Eltern ihrer Meinung nach bei der Zusammenlegung der beiden Förderschulen vor vollendete Tatsachen gestellt werden sollen. "Von gleich auf jetzt ist die Entscheidung hinter den Kulissen gefallen ohne dass eine Diskussion mit den Betroffenen stattgefunden hat." Verärgert sind auch die Lehrer an der Schaperdrift. Aus dem Kollegium werden kritische Stimmen laut, wonach sich bisher kein Kreistagspolitiker informiert, fachliche Auskünfte über die Folgen der Zusammenlegung eingeholt habe - vor allem auf die Kinder. "Sie beschließen über etwas, über das sie nicht Bescheid wissen", so die Kritik. Überhaupt, so der Anschein, gehe es um Raumkonzepte unter dem Deckmantel der Inklusion und nicht um die Kinder.

Überdies könne keiner der Lehrer verstehen, warum das Gebäude der Schule in Oedeme aufgegeben werden solle. "Die Schule ist super ausgestattet vom Landkreis. Das gibt man doch nicht einfach auf", heißt es.

Der Schulausschuss schließlich hat - ohne die Stimmen der CDU - die Verwaltung beauftragt, in Gespräche mit der Hansestadt Lüneburg über die Zukunft der Förderschulen L am Standort Lüneburg einzutreten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass ab dem Schuljahr 2013/2014 die Aufnahme von Schülern nur noch an der Johannes-Rabeler-Schule erfolgen sollte.