Gemüsehändlerin Eilean Bendrig verkauft die “Norddeutsche Palme“ auf dem Lüneburger Wochenmarkt. Das Wintergemüse gilt als Vitaminbombe.

Lüneburg. Wenn es im Januar und Februar noch einmal so richtig kalt wird, steigt der Hunger der Norddeutschen auf ihr liebstes Wintergericht: Grünkohl. Ob mit Pinkel, Mettenden, Kasseler oder - vegetarisch - mit Sojabratlingen. Das ist dann auch die Zeit für die Grünkohlfahrten. Als Verbindung aus historischer Stadtführung und regionalem Essen bietet die auch die Lüneburg Marketing an. Eilean Bendrig vom Gärtnerhof Bienenbüttel muss an keiner Grünkohlfahrt teilnehmen, sie baut das Wintergemüse auf 800 Quadratmetern als Biogemüse selbst an.

"Ab Mitte Juli säen wir in Pressballen", sagt Eilean Bendrig. Fast alle Jungpflanzen werden heutzutage in diesem Verfahren gesät. In die manuelle Presse wird die Anzuchterde gestopft. Beim Herausdrücken verdichtet sie sich zu etwa fünf mal fünf Zentimeter großen Ballen mit einem Loch für die Saat an der Oberseite. So muss die Pflanze nicht erst aus einem Topf geholt werden, bevor sie aufs Feld gepflanzt wird.

"Zunächst kommt der Grünkohl ins Gewächshaus. So werden die Jungpflanzen vor den Schnecken geschützt", sagt Eilean Bendrig. Außerdem werde der Boden vor der schlimmsten Kohlkrankheit, der Kohlhernie, geschützt. "Wenn der Erreger einmal im Boden ist, kann man dort acht Jahre so gut wie nichts mehr pflanzen", sagt die gelernte Gemüsegärtnerin. Denn neben Kohl kann Kohlhernie auch Nutzpflanzen wie Raps, Senf oder Rettich und verschiedene Unkräuter befallen. "Kohlhernie führt zu welken Blättern oder gar dem Absterben der Pflanze. Durch den Erreger kann sie keine Nährstoffe und kein Wasser mehr aufnehmen", sagt Eilean Bendrig. Der Erreger bewirkt, dass die Zellen an den Wurzeln unkontrolliert wachsen und knollenartig werden.

Ist die Kohlhernie jedoch ausgeschlossen, können die Jungpflanzen nach drei bis vier Wochen gepflanzt werden. "Wir pflanzen drei Reihen von etwa 1,5 Meter Breite. In jeder Reihe haben die Pflanzen etwa 50 Zentimeter Abstand", sagt die Gemüsegärtnerin Bendrig. Gegen das Unkraut wird zwischen den Pflanzen zweimal gehackt. Danach ist der Kohl so groß, dass in seinem Schatten kaum noch etwas wächst.

Wegen seines Aussehens wird der fertige Grünkohl auch Norddeutsche Palme genannt. Der Name Krauskohl hängt wohl mit dem Aussehen der Blätter zusammen, Hochkohl bezieht sich auf seinen Wuchs, Winterkohl auf die Jahreszeit, in der er geerntet wird. In Braunschweig, Bremen, Hannover und der Magdeburger Börde wird das Wintergemüse auch Braunkohl genannt. Wo dieser Name herkommt, lässt sich jedoch nicht abschließend klären. Auch wenn einige Braunschweiger den Namen auf ihre Stadt zurückführen und andere den Namen auf die Verfärbung des Gerichts nach mehrmaligem Aufwärmen zurückführen, ist die Erklärung wahrscheinlich einfacher. Vermutlich bekam der Kohl den Namen Braunkohl, weil es verschiedene Sorten dieser Kohlart gibt, die sich in der Färbung ihrer Blätter unterscheiden.

Bei Eilean Bendrigs Sorte "Westlanze Winter" sind die Blätter heller. "Sie ist kräftig im Geschmack, mit leicht süßlichem Aroma", sagt sie. Außerdem sei diese alte Bio-Sorte relativ genügsam, komme auch mit wenigen Nährstoffen aus.

Wie die meisten Sorten die heute auf dem Markt verkauft werden, handelt es sich auch bei der Westlanze Winter um eine neue Sorte. Sie benötigt keinen Frost mehr. Denn frühere Sorten enthielten viel Stärke. Die wurde bei Frost in Zucker umgewandelt. "Alle heutigen Sorten brauchen keinen Frost. Die späte Ernte und kühle Temperaturen verleihen der Pflanze den Geschmack", sagt Eilean Bendrig. Denn die Pflanze bereite sich auf den bevorstehenden Winter vor, lagere Zucker ein. "Der wirkt wie ein natürliches Frostschutzmittel", sagt die Gemüsegärtnerin.

Damit das Kohlgemüse auch den härtesten Winter übersteht, hat die Natur es mit vielen wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen ausgestattet. Besonders die Konzentration an Vitamin A ist in Grünkohl sehr hoch. In der Norddeutschen Palme steckt viermal so viel Vitamin A wie in Brokkoli und 40-mal mehr als in Sellerie. Wie das Vitamin C, eine Portion Grünkohl deckt übrigens den Tagesbedarfs, schützt auch das Vitamin A den Körper vor Viren und Bakterien. Außerdem fängt es freie Radikale und schützt somit die Körperzellen. Es wird vermutet, dass Vitamin A so das Risiko für Lungen-, Speisen- und Magenkrebs verringert. Das Vitamin A ist außerdem am Sehprozess beteiligt, ein Mangel macht sich beispielsweise durch Nachtblindheit bemerkbar.

Außerdem enthält Grünkohl alle B-Vitamine, die vor allem den Stoffwechsel im menschlichen Körper steuern. Auch als Kalziumlieferant taugt das Gemüse: In einer Portion steckt soviel von dem knochenstärkenden Stoff wie in zwei Gläsern Milch. Auch für den Darm ist Grünkohl gut: Er entgiftet, beseitigt Verstopfungen und baut zerstörte Darmschleimhäute wieder auf - das gilt für alle Schleimhäute des Körpers. Außerdem soll das grüne Gemüse die Cholesterin- und Fettkonzentration im Blut verringern.

Obwohl der Grünkohl theoretisch gut gegen Frost gewappnet ist, wird er nur ungern bei Minusgraden geerntet. "Die Pflanze ist dann wie Glas, man muss sie sehr vorsichtig behandeln und langsam auftauen lassen", sagt Eilean Bendrig. Zumal man bei Schnee nie wisse, ob die darunter versteckte Pflanze nicht gelbe Blätter habe. Mit einer Rosenschere werden die "Palmen" abgeschnitten. Der richtige Punkt dafür ist über den gelben Blättern am Boden. "Wenn es frostfrei ist, wird die Pflanze direkt auf dem Feld abgestremelt. Der Strunk bleibt auf dem Feld", sagt die Gemüsegärtnerin aus Bienenbüttel.

Auf Grünkohl, der bei Frost geerntet wurde, trifft eine Frische-Regel nicht mehr zu, so Eilean Bendrig. "Eigentlich sagt man, frischer Grünkohl müsse stramm sein. Wird er bei Frost geerntet, sind die Blätter jedoch etwas schlapp, weil das Wasser herausgezogen wurde." Dieser Kohl sei jedoch immer noch frisch. Generell sollte man darauf achten, dass die Blätter nicht matschig oder gelb sind. "Frischer Grünkohl raschelt, darum bieten wir ihn lose an und stopfen die Beutel erst am Stand", sagt Eilean Bendrig. Zuhause sollte man den Kohl so kühl es geht lagern, im Kühlschrank nur in einer Tüte, damit er nicht dehydriert. So bleibt er etwa fünf Tage frisch. Soll der Kohl eingefroren werden, am besten vorher kurz blanchieren.