Mit schickem Make-Up der Krankheit trotzen: Krebspatientinnen lernen in einem Seminar, wie sie der Krankheit optisch etwas entgegensetzen können.

Lüneburg. Chemotherapie und andere Medikamente helfen Menschen, den Krebs zu besiegen. Körperlich. Damit Patientinnen auch mental von der Krankheit genesen, organisiert eine Schwester-Gesellschaft der Deutschen Knochenmarkspenderdatei, die DKMS life, bundesweit jährlich über 1000 Kosmetikseminare für krebskranke Frauen. Das Abendblatt durfte bei einer Veranstaltung in Lüneburg dabei sein.

Sieben Teilnehmerinnen finden sich an diesem Tag im Kursraum des Städtischen Klinikums in der Bögelstraße ein. Sieben Frauen, denen frei nach dem Motto "look good - feel better" (zu deutsch: gut aussehen, besser fühlen) neuer Lebensmut eingehaucht werden soll. Zur Begrüßung erhält jede von ihnen erst mal eine prall gefüllte, gelbe Tasche. Darin: eine bunte Vielfalt an Kosmetikprodukten. Make-Up, Gesichtswasser, Concealer, Lidschatten. Produkte von Sponsoren im Wert von 150 Euro pro Tasche, wie Organisatorin Angelika Heinrichs betont.

Heinrichs arbeitet eigentlich in einer Parfümerie. "Die Kosmetikschulungen leite ich bereits seit 15 Jahren, um den Frauen zu zeigen, dass der Krebs nicht ihr äußeres Erscheinungsbild bestimmen muss", erzählt Heinrichs, die ehrenamtlich für die DKMS life tätig ist. Zwei Stunden dauert das Seminar. Die Leiterin schminkt die Patientinnen nicht einzeln. Sie erklärt beispielsweise haargenau, wie eine Augenbraue nachgezeichnet werden muss und veranschaulicht diesen Ablauf am Gesicht einer Teilnehmerin.

Danach ist Eigeninitiative gefragt. Es steht jeder Patientin frei, ob sie einen Schmink-Schritt mitgeht, oder ob sie aussetzen will. Denn es ist keineswegs so, dass alle Frauen das gleiche Krankheitsbild haben. Die einen sind schon weiter in der Therapie, andere stehen noch ganz am Anfang.

Die Sitzung beginnt mit der Gesichtsreinigung, auf die ein erfrischendes Gesichtswasser folgt. Die Stimmung unter den Frauen ist gut. Ein Witz folgt dem nächsten. Ohne Hemmungen nehmen sie ihre Tücher oder Perücken ab, um ihr Gesicht schminken zu können. Sie sind unter Gleichgesinnten. Jede von ihnen ist hier, weil sie fest an sich glaubt und weiß, dass die Krankheit zu besiegen ist.

"Legt mal alle eure Hände über euer Gesicht, schließt die Augen und zählt langsam bis zehn. Das wird euch sehr entspannen, glaubt mir", ermutigt Angelika Heinrichs ihre Teilnehmerinnen. Für zwischendurch wurde den Patientinnen ein Feuchtigkeitsspray beigelegt, das sie auf ihr Gesicht sprühen, um sich abzukühlen. Doch jetzt wird erst mal das Make-up auf der Haut verteilt.

Die Seminarleiterin weist darauf hin, dass die Farbe zum Hals passen müsse und nie der Hals selbst mit Make-up versehen werden solle. "Immer nach unten Richtung Kinn ausstreichen", belehrt sie die Frauen. Für die Augenschatten, die oft zum Krankheitsbild gehören, gibt sie den Patientinnen einen weiteren Geheimtipp. "Mit dem Ringfinger müsst ihr auf die Augenringe drücken. Dieser Finger übt den geringsten Druck aus. Es ist wichtig, dass ihr immer von innen nach außen drückt, damit die Lymphe abfließen kann", sagt Heinrichs.

Eine jede könne dann schon fast zusehen, wie der geschwollene Teil unter dem Auge zurückgeht. Der Concealer sorge dann noch mal zusätzlich dafür, dass die Augenschatten verblassen. "Und jetzt rein in die Dose mit dem Pinsel und das Gesicht abpudern. Für die Raucher unter euch: Ihr müsst den Pinsel abtupfen am Finger wie eine Zigarette, sonst habt ihr zu viel Puder im Gesicht", fügt die Expertin hinzu. Alle folgen ihrer Anweisung und erhalten Rückmeldung von der gelernten Kosmetikerin. Sie macht stets die Runde, hilft hier und dort nach und kommentiert. Das Rouge sorgt im Anschluss noch für etwas Farbe auf den Wangen der Teilnehmerinnen. Der Auftrag ist klar: "Macht einen Kussmund, damit eure Wangenknochen zum Vorschein kommen. Genau auf diesen Knochen muss das Rouge". Die Augenbrauen nachzuzeichnen erweist sich dann als etwas schwierigere Aufgabe. Bei einigen Patientinnen sind die feinen Härchen als Folge der Chemotherapie kaum noch zu sehen.

"Nehmt euch mal einen Kajalstift und haltet ihn an den äußeren Nasenflügel und euer Augeninneres - das ist der Startpunkt der Braue", erklärt Heinrichs. Wieder ein ganz einfacher Trick, den jede der Frauen zuhause nachmachen kann. Mit etwas Unterstützung gelingt es den Damen dann auch beim Üben. Eine von ihnen hat dafür sogar eine Schablone, die das Ganze noch etwas vereinfacht.

Nun fehlen nur noch die Augen. Mit Kajal, Lidschatten und Wimperntusche erscheinen die Augen der Patientinnen gleich viel größer. Jede von ihnen betrachtet sich überrascht im Spiegel. "Wahnsinn, was so ein bisschen Schminke ausrichten kann", sagt eine der Frauen.

Mit einem abschließenden Geheimtipp verabschiedet Heinrichs ihre sieben Teilnehmerinnen und schickt sie mit ihrer gelben Kosmetiktasche auf den Heimweg. "Wenn ihr abends mal unterwegs seid und viel Lippenstift auf den Lippen habt, dann leckt ihr euer Glas kurz und unauffällig an. So ist kein Abdruck auf dem Glas zu sehen". Nach einem kurzen Test ist ein zustimmendes Nicken in der Runde zu vermerken. Überzeugt davon, dass auch ihr äußeres Erscheinungsbild frei von der Krankheit sein kann, verabschieden sich die Teilnehmerinnen.

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