Warum es auf einem Campingplatz im Landkreis Lüneburg vor Niederländern wimmelt. Die meisten holländischen Gäste sprechen sogar Deutsch.

Radegast. Als Nicoline und Kees Teekman vorige Woche ihr mobiles Zuhause auf dem Campingplatz hinterm Radegaster Deich aufbauten, waren die beiden Holländer im ersten Augenblick überhaupt nicht begeistert. Um sie herum nur Landsleute. Und das im Urlaub. Im Ausland! Geahnt hat das vielgereiste Ehepaar das nicht. "Wir haben nicht gewusst, dass hier so viele Holländer sind", beteuert Kees Teekman, 62. 40 Jahre nach seinem Entstehen hat sich der Platz im Landkreis Lüneburg jedoch zum echten Geheimtipp unter Campern gemausert - holländischen Campern.

Der erste Schreck über die vielen gelben Autokennzeichen und das vertraute Sprachgewirr auf dem Platz war jedoch schnell überwunden, und den Teekmans gefällt es an der Elbe so gut, dass sie nun zwei Wochen bleiben, anstatt wie geplant noch ein weiteres Ziel anzusteuern. Damit sind sie nicht die Einzigen. "90 Prozent der Leute bleiben länger als geplant", sagt Erik Kaspers, 43. Gemeinsam mit seiner Frau Aliena, 37, hat er im November 2011 den Platz gekauft, über den Winter umfangreich saniert und blickt zufrieden auf seine erste Hochsaison an der Elbe. "Es ist gut gelaufen", sagt der Mann, der sich Besuchern freundlich mit "Hi, ich bin Erik, wie geht's?" vorstellt. Und dessen Akzent dabei nicht zu überhören ist: Nederlands.

Erik und Aliena kommen aus Emmen in den Niederlanden, 20 Kilometer vom deutschen Meppen entfernt. Deutsch hatten sie in der Schule - und werden jetzt von ihren Kindern überholt. "Ilja und Esra sprechen besser Deutsch wie uns", sagt Aliena lachend, "sie sagen dann, Mama, das musst du so und so sagen." Doch zurück nach Emmen. Dort betrieb Eriks Onkel einen Campingplatz, Vater und Großvater arbeiteten mit, der Campingplatz gehörte auch für Erik zum Leben. Und vergangenes Jahr entschied er mit Aliena: Wir kaufen selbst einen. Sie suchten im Internet und wurden in Radegast, Deutschland, fündig.

Als Erik und Aliena kamen, war Uwe schon 40 Jahre da. Der Mann aus Finkenwerder hat in Radegast seit 1972 einen Dauerplatz. Erst mit einem Zelt, dann mit einem kleinen Wohnwagen, jetzt mit einem großen für sich selbst und einen kleinen für die Enkel. Dass er Sander mit Nachnamen heißt, "weiß hier wohl niemand", sagt der 75-Jährige, den alle am Platz nur Uwe nennen. Er ist die gute Seele des Ortes. Uwe Sander ist der Schwager der Frau des Vorvorbesitzers, er weiß noch allzu gut, wie das Gelände vor 40 Jahren ausgesehen hat. "Das war ein abgebrannter Bauernhof, den haben die Brüder Otto und Helmut Hein ersteigert", erzählt er. "Hein & Hein" nannte sich der Campingplatz bis vor sechs Jahren, als er das erste Mal verkauft wurde - an einen Holländer.

Uwe hat die Sprache zwar nicht gelernt, verstehe aber "fast alles", und ansonsten sprechen die meisten Gäste aus den Niederlanden ohnehin Deutsch, sagt er. Früher, erzählt Uwe, waren die 120 Plätze der Dauercamper ausgebucht. Dann wurden die Camper alt, viele mussten ihr Wochenenddomizil aufgeben. "Eine Zeit lang war Camping bei jungen Leuten dann nicht so beliebt, die fuhren lieber auf den Ballermann."

Jetzt, meint der 75-Jährige nach einem halben Leben auf dem Platz, gehe der Trend zurück zum Camping. "Es kommen wieder mehr junge Familien mit Kindern, auch viele Radfahrer durch den Elberadweg. Das sind häufig auch junge Leute, dann stehen hier 15 Zelte pro Nacht."

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Und manchmal wird aus einem Gast für eine Nacht ein Dauercamper; wie bei einem jungen Berliner, der eigentlich nur einen Tag bleiben wollte, es dann für zwei Wochen tat und schließlich einen Jahresplatz mietete. Oder die junge Frau, die eigentlich bis nach Dänemark radeln wollte und dann für 17 Tage blieb. Von ihnen erzählen Erik und Aliena mit Stolz und Freude. "Das heißt ja, dass die Leute gerne bei uns und zufrieden sind. Dann sind wir es auch. Jetzt wollen wir versuchen, dass noch mehr Deutsche kommen", sagt die freundliche Frau mit den raspelkurzen dunklen Haaren. Während der Saison dauert ihr Arbeitstag von etwa 6.30 bis 24 Uhr, doch zwischendurch bleibt Zeit für die Kinder, 13 und neun Jahre alt.

Im Campingplatz-Restaurant kocht Aliena zwar holländische Frikandel und Gehaktbal, die Farbe Orange aber ist auf dem gesamten Campingplatz nicht zu sehen. Zwei Klischees erfüllt Erik neben seiner Freundlichkeit dann aber doch: Erstens stapft er mit Klompen - holländischen Holzschuhen - über den Platz (weil er in anderen Schuhen Fußschmerzen bekommt), und zweitens stapft er eigentlich gar nicht, sondern fährt Fahrrad. Jede noch so kurze Strecke.

Doch warum steuern so dermaßen viele Landsleute den Platz an - bei mindestens drei Viertel der Wagen steht NL auf dem Kennzeichen? Das ahnt Erik zwar, wundert sich aber über etwas anderes viel mehr: "Dass so wenig Deutsche wissen, wie schön es hier ist. Es gibt hier Schwarzstörche, Seeadler, Kraniche und den Biber. Ich habe Gäste, die seit 30 Jahren in Lüneburg leben und sagen, sie kannten den Ort hier gar nicht." Auf der Camping-Messe in Hamburg im Winter wollen die Kaspers daher für Radegast an der Elbe werben.

Für die große Beliebtheit seines Platzes bei Holländern hat Erik gleich mehrere Erklärungen parat.

Erstens: Der Vorgänger hat viel Werbung in Holland gemacht. Zweitens: Die Kaspers waren vergangenen Winter bei drei Camping-Messen in den Niederlanden. Drittens: In der Heimat spricht es sich rum, dass die Kapsers jetzt "ein Camping" in Deutschland haben. Aly und Henk Junker, beide 63, fahren beispielsweise sonst lieber in die Berge, doch weil Aly mit Alienas Mutter gemeinsam Musik macht, haben sie sich in diesem Sommer für die Tiefebene entschieden. "Das ist auch schön", sagen die beiden aus der Nähe von Groningen.

Und viertens: Kaspers Campingplatz "Elbeling" ist in Holland auf der Liste der Bauerncampings gelistet, erzählt Willem Buiel, 75, der mit Ehefrau Gyny, 74, für zwei Wochen in Radegast ist, weil Bekannte ihnen den Platz empfohlen haben. "Kamperen bij de boer" heißen die kleinen, aber feinen Plätze in den Niederlanden, die an Bauernhöfen angesiedelt und in Holland die wahren Geheimtipps für mobile Urlauber sind. Und einer der holländischen Geheimtipps liegt seit dieser Saison in Deutschland.