Anwohner am Kreideberg klagen vor dem Verwaltungsgericht gegen die Pumperlaubnis ihrer Nachbarn. Diese gilt seit 1992.

Lüneburg. Wenn Hans-Helmuth Barth aus dem Fenster seines Wohnzimmers schaut, sieht er durch die Büsche am Rande seines Grundstücks die Häuser mit Mietwohnungen am Hellmannweg 9 bis 13. Beim Blick entlang der Fassade seines 1972 gebauten Einfamilienhauses an der Straße Am Kreideberg sieht er Schäden, die er den Bauherren des gegenüberliegenden Gebäudekomplexes anlastet. Dort erlaubte die Lüneburger Stadtverwaltung von 1992 an, Grundwasser abzupumpen. Weil sie dadurch das Absacken ihrer eigenen Häuser befürchten, klagten jetzt Barth und seine Nachbarn Ulrike und Klaus Behring gemeinsam vor dem Verwaltungsgericht gegen die sogenannte wasserrechtliche Erlaubnis.

"Die sechste Kammer des Verwaltungsgerichts hat die Klagen der Nachbarn abgewiesen", sagt Gerichtssprecher Wolfgang Siebert. "Das Gericht hat trotz einiger formaler Mängel der beanstandeten wasserrechtlichen Erlaubnis die von der Hansestadt Lüneburg getroffene Ermessensentscheidung als rechtmäßig angesehen." Das bedeutet im Klartext, dass weiterhin Wasser aus dem Boden des unteren Kreidebergs abgepumpt werden darf.

Wie berichtet, wehren sich Nachbarn der Wohnanlage am Hellmannweg schon seit Jahren gegen die Wasserentnahmeerlaubnis der Stadtverwaltung. Erteilt wurde das Recht, Wasser abzugraben, der Wohnungseigentümergemeinschaft des Gebäudekomplexes mit 25 Mietparteien, die vor Gericht von der Lüneburger Klettke Immobilien KG vertreten wurde. Die Bewohner wollen mit ihren Pumpen stark sulfathaltiges Wasser auffangen, das aus großer Tiefe nach oben steigt und die Substanz ihrer Wohnhäuser gefährdet, weil es im Kontakt mit Beton aggressiv reagiert.

Zum Schutz vor dieser Bedrohung sah der Bauantrag für die Wohnanlage vor, dass eine sogenannte weiße Wanne das Fundament der Gebäude vor dem Grundwasser schützen soll. Die Hülle aus wasserundurchlässigem Beton wurde aber nicht wie vereinbart gebaut. Ein Zivilverfahren gegen das ausführende Bauunternehmen Adank, der seine Auftraggeber arglistig getäuscht haben soll, endete mit einem Vergleich. Barth hofft beim Nachweis von Schäden, die auf den Betrug am benachbarten Bau zurückzuführen sind, über den Umweg der Wohnungseigentümer im Hellmannweg die Firma Adank in Regress nehmen zu können.

Die schleichenden Veränderungen an der Hauswand an der Straße Am Kreideberg messen jetzt rund ein Dutzend sogenannte Monitore. Das sind zwei jeweils an den Kanten eines Risses befestigte Plättchen, deren Bewegung auf einer Skala millimetergenau nachzuverfolgen ist. Eine solches Monitoring der Risse bot Verwaltungsrichter Jürgen Stelter bei der gestrigen Verhandlung auch dem Ehepaar Behring an, dessen Wohnhaus, Baujahr 1954, nur 14 Meter neben Barths Haus steht und ebenfalls große Risse aufweist.

Dieses Vergleichsangebot schlug Klaus Behring aus, denn spätestens im Falle nachgewiesener Schäden, ziehe er wieder mit einer Klage auf Schadenersatz vor Gericht. Stattdessen forderte er die Rücknahme der Erlaubnis zum Abpumpen, die seiner Ansicht nach niemals hätte erteilt werden dürfen. Denn das dazugehörige Schutzobjekt, die Wohnanlage am Hellmannweg, ist seiner Meinung nach aufgrund der Verstöße gegen den genehmigten Bauantrag illegal entstanden und damit auch gar nicht schutzwürdig.

Barths Gegenvorschlag zur Güte, bis auf weiteres einen Pumpstopp zu verhängen, um mögliche künftige Schäden zu verhindern, kam dagegen für Richter Stelter nicht infrage. Denn den Gutachtern zufolge würde dann nicht nur das Gebäude am Hellmannweg von dem Grundwasser mit durchschnittlich drei Gramm Sulfat pro Liter beschädigt. Außerdem quelle womöglich in der gesamten Wohngegend Wasser aus dem Boden, was ebenfalls zu Rissen in den Wänden der dortigen Häuser führen könne.

Die Erlaubnis, 30 Jahre lang jeweils 16 000 Kubikmeter Grundwasser aus dem Boden zu pumpen, ist daher für Stelter sogar ein Mittel, um größere Schäden zu vermeiden. Dass es am Eigentum von Hans-Helmuth Barth Schäden gibt, sei zwar unzweifelhaft. Dass die Ursache dafür aber das abgepumpte Wasser ist, sei nicht bewiesen. Das Gericht hat zwar keine Berufung gegen ihr Urteil zugelassen, die Kläger können aber beantragen, dass sie doch zugelassen wird. Dieses Rechtsmittel will Klaus Behring nun prüfen. "Es geht ja nicht nur um die direkten Schäden, die laufend repariert werden müssen", sagt er. "Ich sorge mich auch um den Wert meiner Immobilie, die ich meinen zwei Kindern vererben will."