Jeder Pflegebedürftige hat einen Anspruch auf teilstationäre Pflege. Dennoch sind die Tagespflegeeinrichtungen nicht ausgelastet.

Lüneburg. Der Mittwoch ist für Sigrid Schwartz immer der schönste Tag der Woche. Dann kann sie mit Freundinnen klönen, macht Sport und Gedächtnistraining, bastelt und singt: Mittwochs besucht die 90-Jährige die Tagespflegeeinrichtung tmk - Tagespflege mit Kompetenz. Tmk ist eine von vier Einrichtungen in und um Lüneburg, die teilstationäre Pflege für Senioren anbietet.

"Das ist wie ein Kindergarten für alte Menschen", sagt Kai Warneke, zusammen mit seinem Kollegen Frank Perschke Geschäftsführer bei tmk. Bis zu fünf Tage in der Woche können Senioren die Einrichtung besuchen und werden von 8.30 bis 16.30 Uhr betreut. Der Tagesablauf ist immer der gleiche: Frühstück, dann Aktionsangebote (Gedächtnistraining, Sport oder ähnliches), Mittagessen, Ruhepause, nochmals Gruppenangebote (Spielen, Basteln, Singen), Kaffee und Kuchen, gemütlicher Ausklang.

Von ihrem Besuch profitieren nicht nur die Tagesgäste, die viele Anregungen bekommen, einen strukturierten, abwechslungsreichen Tag erleben und soziale Kontakte knüpfen können. Auch und gerade für die Angehörigen ist es eine große Entlastung, wenn sie Liegengebliebenes erledigen und sich erholen können. "Wer seinen Vater, seine Mutter oder seinen Partner pflegt, hat damit rund um die Uhr zu tun und kann schnell überfordert sein", so Warneke.

Aus diesem Grunde kommt auch Willi Grünewald einmal wöchentlich nach Ebensberg zu tmk. Der 69-Jährige sitzt im Rollstuhl und wird zu Hause von seiner Frau gepflegt. "Wenn ich hier bin, kann meine Frau Gymnastik machen, ehrenamtlich tätig sein oder auch mal zum Arzt gehen", sagt er. Ihm gefällt es gut bei der tmk, vor allem "das Essen und Trinken". Das wird übrigens jeden Tag frisch vor Ort gekocht, die Senioren dürfen gerne mithelfen.

Doch nicht jeder der Tagesgäste hat überhaupt noch Angehörige, die entlastet werden müssen. "Manche kommen hierher, weil sie zu Hause vereinsamen", sagt Marion Conrad, Leiterin der Tagespflegeeinrichtung beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). Zum Beispiel Paula Brockhaus. "Seit ich vor einem guten Jahr gestürzt bin, kann ich nicht mehr in die Stadt gehen", sagt die 99-Jährige. "Ich bin immer alleine." Der ambulante Pflegedienst habe ihr vor einigen Monaten vorgeschlagen, sich doch einmal die Tagespflege anzusehen. "Ich konnte mir das gar nicht denken", sagt Paula Brockhaus, "und ich wollte auch erst nicht. Aber ich habe es dann doch mal ausprobiert."

Jetzt ist für sie der Tag im Moldenweg der Höhepunkt der Woche: Mit roten Wangen und blitzenden Augen, gekleidet in ein schickes Kostüm, genießt sie den Kontakt mit anderen Tagesgästen und das angebotene Programm. Gerne würde sie öfter hierher kommen. Doch das kann sie sich nicht leisten.

Denn wer den Besuch der Tagespflege aus eigener Tasche zahlen muss, für den kann es teuer werden. Knapp fünfzig Euro pro Tag müssen die Gäste der Tagespflegeeinrichtung beim Krankenhaus Salzhausen (inklusive Fahrdienst) bezahlen, im "Haus Niedersachsen" in Deutsch Evern werden 46,61 Euro fällig. Hinzu kommen hier noch die Fahrtkosten, wenn man abgeholt werden möchte: sieben Euro bis zehn Kilometer, neun Euro, wenn es weiter ist. Doch glücklicherweise gibt es ja die Pflegeversicherung. "Seit der Novellierung Mitte 2008 hat jeder, der eine Pflegestufe hat, Anspruch auf teilstationäre Pflege", erklärt tmk-Geschäftsführer Warneke. Wie viel die Pflegeversicherung übernimmt, muss individuell geprüft werden. "Das System ist sehr kompliziert. Unter anderen hängt es von der Pflegestufe ab und davon, ob der Betroffene zu Hause ambulant gepflegt wird. Das wird verrechnet."

Grundsätzlich gilt: "Wer Pflegestufe 1 hat, kann wöchentlich einen Tag kostenlos eine Tagespflegeeinrichtung besuchen." Bezahlt werden müssen dann nur noch rund 13 Euro für Essen und die so genannten Investitionskosten wie beispielsweise der Hausmeister. Warneke: "Wer das nicht in Anspruch nimmt, verschenkt Geld. Jeden Monat. Das ist einfach weg."

Der Besuch einer Tagespflegeeinrichtung ist also nicht nur für alle Beteiligten ein Gewinn, sondern er ist unter Umständen sogar mehr oder weniger kostenlos. Trotzdem sind die Seniorenhäuser - außer dem in Salzhausen - in und um Lüneburg nicht ausgelastet. "Wir haben täglich zwischen 14 und 20 Gäste, manchmal sind es auch nur zwölf", sagt Warneke von tmk. Beim ASB liegt die Auslastung laut Kreisgeschäftsführer Harald Kreft "bei etwa 80 Prozent", im Deutsch Everner "Haus Niedersachsen" sind es sogar nur gut 50 Prozent. Darauf ist Marina Scherer, die gemeinsam mit ihrer Mutter Vera das Haus führt, aber dennoch stolz: "Wir haben erst vergangenen Oktober eröffnet und betreiben keinen ambulanten Pflegedienst, wo wir Werbung machen können." Ihr Haus sei eben attraktiv, meint sie: Das 700 Quadratmeter große ehemalige Gasthaus mit großem Garten biete ausreichend Rückzugs- und Aktionsräume für jeden der Gäste, "egal, ob er topfit ist oder Pflegestufe 3 hat". Andere Häuser seien im Platzangebot deutlich beengter.

Doch warum sind die Tagespflegeeinrichtungen eigentlich nicht ausgelastet? "Bei vielen Menschen ist die Tagespflege noch nicht angekommen", sagt ASB-Kreisgeschäftsführer Kreft. "Viele wissen gar nicht, welche Möglichkeiten es gibt." Außerdem hätten viele ältere Menschen Angst, ein solches Haus zu besuchen. Kreft: "Sie denken, das sei der erste Schritt ins Altersheim." Dabei sei genau das Gegenteil der Fall: "Durch die Tagespflege kann ein Umzug in eine stationäre Einrichtung herausgezögert, manchmal sogar ganz vermieden werden."