Das Hamburger Abendblatt hat den frisch prämierten “Echo“-Gewinner Götz Alsmann im Gespräch. Im Juli macht er Station im Buchholzer Empore.

Buchholz. Hamburger Abendblatt:

Herr Alsmann, was verbinden Sie mit Buchholz?

Götz Alsmann:

Buchholz ist inzwischen schon seit Jahren eine feste Adresse in unserem Tourneekalender. Viel mehr muss man dazu gar nicht sagen, außer vielleicht: immer ein wunderbares Publikum, eine schöne Halle und somit alles ideal!

Was ist der Unterschied zwischen einem Auftritt in Berlin und einem in Buchholz? Bereiten Sie sich anders vor?

Götz Alsmann:

Ob Sie's glauben oder nicht: Es gibt keinen Unterschied. Ob Großstadt, Kleinstadt, Norden, Süden, Osten, Westen - das Publikum hat immer den gleichen Anspruch, nämlich gut unterhalten zu werden. Deshalb geben wir immer alles.

Wenn man ihre Tourdaten betrachtet, könnte man annehmen, Sie hätten ein Herz für die Provinz. Was macht für Sie den Reiz der Kleinstadtbühne aus?

Götz Alsmann:

Die Musik ist nun mal unser Hauptberuf. Wenn Sie mehr als einhundert Konzerte pro Jahr spielen wollen, können Sie nicht nur in den zehn größten Städten der Republik auftreten. Und, ganz ehrlich, was heißt schon "Provinz"? Dieser Begriff ist doch total antiquiert. Wie schon gesagt, für mich macht das keinen Unterschied, ob die Bühne in Berlin oder Buchholz steht.

Wie viel sehen Sie von den Städten auf Tour? Gibt es Rituale wie ein gemeinsames Essen mit der Band auf Tour?

Götz Alsmann:

Nicht viel, der Tournee-Alltag ist doch sehr strikt durchstrukturiert. Ankunft, Aufbau, Essen, Bühnengarderobe anlegen, Abbau, Hotel, kleine Nachfeier. Das alles muss sein und hat seinen Platz, ob das nur ein großes Ritual ist, weiß ich nicht.

Ihr letztes Bühnenprogramm "Herrenabend" war eine musikalische Lesung. Setzen Sie dieses eher ungewöhnliche Format mit "Paris!" weiter fort?

Götz Alsmann:

Nein, im Gegensatz zur Lesung beim Herrenabend ist "Paris!" ein echtes Musikprogramm. Klar gibt es längere Moderationen dazwischen, aber der Fokus liegt auf den Liedern.

"Paris!" ist dabei aber ja ein recht schwammiger Arbeitstitel. Was steckt denn dahinter?

Götz Alsmann:

Finden Sie? Das Album zum Bühnenprogramm habe ich im März in dem zweitältesten Studio in Paris mit dem französischen Produzenten Regis Ceccarelli aufgenommen. Es enthält viele legendäre französische Chansons, wenn auch in deutscher Sprache. Mein Schwerpunkt liegt dabei auf Liedern der 30er- bis 60er-Jahre von - zum Beispiel - Charles Trenet oder Henri Salvador. Zu hören sind eher bekannte Stücke; es ging mir nicht um eine archäologische Suche, sondern um ein Spiel mit den großen französischen Melodien.

Wie ist die Idee zu diesem Projekt geboren worden? Immerhin gibt es auch einige sehr peinliche Umsetzungen von deutschem Chanson.

Götz Alsmann:

Ja, das stimmt, deshalb haben wir uns auch die bekannten Chansonnières als Vorbild genommen. Trotzdem gibt es ja eine regelrechte Subindustrie für Chansonversionen aus Deutschland (lacht). Zu der Idee sind wir über mein Label "Blue Note" gekommen, der Deutschlandchef ist selbst Franzose und steht immer in einem regen Austausch mit der französischen Dependance. Aus dem Dialog hat sich das Ganze dann verselbstständigt, und plötzlich waren wir auf dem Weg nach Paris.

Das ist aber eine sehr trockene Erklärung. Haben Sie denn wenigstens einen persönlichen Bezug zu Paris?

Götz Alsmann:

Wie in vielen Teilen meines Lebens habe ich zu Frankreich im Allgemeinen und zu Paris im Speziellen vor allem einen musikalischen Bezug. Von französischer Unterhaltungsmusik geht einfach eine große Faszination aus, besonders weil die Franzosen ähnlich wie auch die Italiener ihre Künstler sehr wertschätzen. Ein alter Chansonnièr wird nach 50 Jahren nicht vergessen, ganz im Gegensatz zu deutschen Schlagersängern.

Das stimmt. In Deutschland haben wir, sehr freundlich formuliert, eine amüsierte Distanz zu unseren Schlägerlegenden.

Götz Alsmann:

Das ist ein beklagenswerter Umstand, den sie da ansprechen. In dem Pariser Studio arbeiten zum Beispiel viele sehr junge Assistenten und Tontechniker. Als die gehört haben, dass wir auch "La mer" oder "Boum" spielen, war sofort die Hütte voll. Die jungen Franzosen waren sehr interessiert daran, was wir aus den Stücken machen und wie sie auf Deutsch klingen. Ich habe einen jungen Mann gefragt, ob ihm nicht "La mer" zum Hals raushängt. Der hat nur den Kopf geschüttelt und gesagt: "Jeder liebt hier La mer". Vom Typ her schien er mir eher im Black Metal anzusiedeln zu sein.

Komisch eigentlich. In Deutschland verehrt man den Chanson als ein Teil des französischen Savoir vivre. Dabei ist es doch nichts anderes als Schlager oder!?

Götz Alsmann:

Wir Deutschen romantisieren den Begriff wirklich sehr, der Franzose sagt einfach zu allem und jedem Chanson. Das ist ungefähr so, als würden wir alle deutschsprachigen Lieder, egal ob Rock, Rap oder Polka, als Schlager bezeichnen. Das Verhältnis zur eigenen Sprache in der Musik ist in Frankreich sehr unbelastet. Nehmen wir zum Beispiel Salvador, der hat nicht nur die albernsten und sinnlosesten, sondern auch die traurigsten und anrührendsten Lieder gesungen. Diesen Widerspruch zwischen Klamauk und Kunst gibt es dort einfach nicht. Genauso anstandslos kann ein junger Mensch in Frankreich die gleiche Musik gut finden wie sein Großvater.

Nun gibt es in Deutschland eine lange Tradition in der Übersetzung von französischen Chansons.

Götz Alsmann:

Ja, bereits 1938 hat Rudi Schuricke eine ersten Übersetzung von Boum von Charles Ternet auf den Markt gebracht, ab 1947 gab es auch eine Version von "La mer". Im Übrigen gab man sich dabei sogar mehr Mühe als bei der Übersetzung von englischsprachigen Titeln. Bei amerikanischen Stücken wurden die Achtzeiler regelrecht hingerotzt, wogegen die Eindeutschung des französischen Liedguts sehr ambitioniert vonstatten ging.

Warum fühlen wir uns eigentlich bei dieser Sprache, die, sind wir ehrlich, die meisten von uns nicht sprechen, immer an Urlaub und tolles Lebensgefühl erinnert?

Götz Alsmann:

Das geht uns ja mit italienischer Musik ganz ähnlich und mit amerikanischer Musik auch. Unsere Eltern und Großeltern haben von den ersten Glenn-Miller-Platten auch nichts verstanden und waren trotzdem begeistert. In der Literatur gibt es dafür den Begriff des Subtextes, den findet man auch in der Musik. Es gibt einfach Songs, bei denen merkt man, dass etwas Herrliches passiert, ohne dass man nur ein Wort versteht. Hat man als Teenager den Schlager so gehasst, weil man die Texte verstand und die Beatmusik so geliebt, weil man so schlecht Englisch konnte? Ich glaube einfach, wir Deutschen hören fremdsprachige Musik einfach vorurteilsloser.

Werden Sie sich auf ihrer Tournee denn Mühe geben, diese Urlaubsstimmung durch ein Bühnenbild zu stärken?

Götz Alsmann:

Nein, ich werde weder Baskenmützen noch ein Baguette unter dem Arm tragen (lacht). Es ist aber ein Tick mehr Akkordeon im Spiel als sonst.