Das neue Förderkonzept zur Unterstützung von sprachgestörten Kindern wirkt sich positiv auf die gesamte Entwicklung der Schüler aus.

Lüneburg. Ein Viertel aller drei- bis sechsjährigen Kinder in Deutschland ist sprachförderbedürftig. Das haben Wissenschaftler unlängst im nationalen Bildungsbericht festgestellt. Ob dies auch im Landkreis Lüneburg so ist, ist schwer zu sagen. Während die Grundschulen je nach Einzugsgebiet von bis zu 40 Prozent förderbedürftiger Kinder sprechen, wurden bei den Schuleingangsuntersuchungen des Gesundheitsamts im vergangenen Jahr nur bei jedem zehnten Kind die Sprachkenntnisse bemängelt.

Wie viele es auch genau sein mögen, es sind in jedem Fall zu viele. "Ohne Bildung hat man in Deutschland keine Chance", sagt Renate Thielbörger, Leiterin der Grundschule Im Roten Felde, und wer Schwierigkeiten mit der Sprache habe, hätte auch enorme Schwierigkeiten in der Schule.

Das hat vor einigen Jahren auch die Landesregierung erkannt. Seit fünf Jahren bekommen förderbedürftige Kinder deshalb vor der Einschulung ein volles Jahr Sprachunterricht. Ob sie ihn brauchen, wird bei dem so genannten Sprachstandstest festgestellt, den die jeweilige Schule bereits 15 Monate vor der geplanten Einschulung durchführt.

"Der Sprachstandstest ist niedersachsenweit einheitlich", erklärt Barbara Geck, Leiterin der Heiligengeistschule. Es gebe spezielle Bögen, mit denen die Sprachfähigkeit gestestet würde. "Die Kinder müssen beschreiben, was sie sehen und auf verschiedene Fragen antworten", so die Schulleiterin. Während der Unterhaltung könnten die Pädagogen dann feststellen, wie es um Wortschatz und Grammatik der Kinder bestellt sei.

Gibt es Auffälligkeiten - das Kind versteht Fragen oder Aufforderungen nicht, benutzt häufig falsche Artikel oder ist nicht der Lage, komplexere Sätze zu bilden -, wird ein sogenannter Langtest durchgeführt, der etwa eine halbe Stunde dauert. Fällt auch dieser negativ aus, muss das Kind zum Förderunterricht, der entweder direkt in der Schule oder im Kindergarten gehalten wird.

In der Heiligengeistschule wurde im vergangenen Mai bei zehn von rund 40 Kindern eine Sprachförderbedürftigkeit festgestellt. Ungewöhnlich wenig, sagt Geck: Sonst waren es bis zu 40 Prozent der angemeldeten Kinder. "Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund ist niedriger als in den vorvergangenen Jahren", erklärt sie die Differenz. Doch es seien auch durchaus Kinder deutscher Eltern, die Nachhilfe beim Sprechen bräuchten. Das ist auch bei der Schule Im Roten Felde so. "Wir waren überrascht zu sehen, dass nur jedes zweite Kind in der Sprachförderung einen Migrationshintergrund hat", sagt Schulleiterin Renate Thielbörger. Die Anzahl der als auffällig beurteilten Kinder sei seit Einführung des Sprachstandstests stabil und liege bei etwa 15 Prozent.

Unterrichtet werden die Kinder direkt im Schulgebäude. "Unser Einzugsbereich umfasst zwölf oder dreizehn Kindergärten, organisatorisch ist es deshalb für uns am einfachsten, wenn die Kinder hierher kommen", erklärt Rektorin Thielbörger. Für manche Eltern ist diese Regelung organisatorisch dagegen eine Herausforderung: Jeden Morgen findet von 8 bis 8.45 Uhr der Sprachförderunterricht statt, danach müssen die Jungs und Mädchen in den Kindergarten gebracht werden. "Für manche ist das nicht einfach", gibt Thielbörger zu, "aber wir haben bisher immer eine Lösung gefunden."

Der Aufwand werde belohnt. "Der Sprachförderunterricht wirkt sich unglaublich positiv auf die Kinder aus", sagt die Schulleiterin. "Sie verbessern nicht nur ihren Wortschatz, sondern gleichzeitig auch ihre Sozialkompetenz." Die Kinder profitierten enorm davon, dass sie bei der Einschulung das Schulgebäude und die Lehrer bereits kennten.

Auch Christel Wagener, die als Ärztin beim Lüneburger Gesundheitsamt etwa ein halbes Jahr vor Schulbeginn bei schulpflichtigen Kindern die Schuleingangsuntersuchung durchführt, ist von der neuen Sprachfrühförderung überzeugt. "Wenn man im ersten Schuljahr einen Test machen würde, gäbe es sicherlich einen deutlichen Beweis dafür, wie sinnvoll diese Regelung ist", glaubt sie. Ihre eigenen Daten belegten dies leider nicht, die Werte seien seit Jahren konstant. "Wir beginnen bereits im November mit den Untersuchungen. Das ist einfach zu früh, um einen positiven Effekt des Förderunterrichts festzustellen."

Im Gegenteil habe sie in den vergangenen Jahren eher eine Zunahme der grenzwertig auffälligen Kinder festgestellt. Die Ursache: Während früher in der Regel nur Kinder eingeschult wurden, die vor dem 30. Juni sechs Jahre alt wurden, ist der Stichtag nun der 30. September. "Über eine Anpassung der Richtlinien wird diskutiert", so die Amtsärztin. Sollten sie geändert werden, "müssen auch die Schulen ein anderes Programm stricken."