Pensionierte Mitarbeiter der Stadtverwaltung versorgen bis zu 1.000 Gäste in der Kaserne. In der Herberge schlafen sonst Castor-Polizisten.

Lüneburg. Als Gerhard Eiselt 1988 erfuhr, dass die Stadt Lüneburg sich für die Ausrichtung des Hansetags im Jahr 2012 bewirbt, dachte er: 2012, da bin ich längst in Rente. Und habe mit der Organisation der größten Veranstaltung in der Geschichte Lüneburgs nichts zu tun. In Rente ist der ehemalige persönliche Referent des Oberbürgermeisters seit gut fünf Jahren zwar tatsächlich. Mit der Organisation des Hansetags hat er jetzt aber trotzdem zu tun.

Denn der 60-Jährige hilft aus. Ein paar Wochen ist es her, da rief ihn sein Nachfolger an. Eiselt ahnte vielleicht schon, worum es in dem Telefonat gehen könnte, und kam schnell zum Punkt. Nun sitzt er mit Gisela Blumensaat, ebenfalls Pensionärin der Stadtverwaltung, jeden Tag von morgens bis abends in einer umfunktionierten Stube der Schlieffen-Kaserne an der Bleckeder Landstraße und sorgt dafür, dass mindestens 700 Übernachtungsgäste ihre Betten und ihr Frühstück finden. 1000 wären möglich.

+++ Für den Hansetag: Kaserne wird zur Großherberge +++

Meterhoch stapeln sich Wasser-, Saft-, Cola- und Bierkisten in Eiselts "Büro", für je einen Euro können die Besucher "Dranken", "Joogid", "Drycher" respektive "Napitki" kaufen, Getränke also. Dort funktioniert, was an anderer Stelle wie etwa Speisekarten oder Bannern in der Stadt verbesserungswürdig wäre: die Kommunikation in verschiedenen Sprachen. Gastwirte hatten zwar von der Lüneburg Marketing eine Dolmetscherin angeboten bekommen, aber längst nicht alle haben das Angebot angenommen. Aber das nur am Rande.

Auf der anderen Seite des Behelfsbüros stehen ein Dutzend Kartons, gefüllt mit Hunderten Jutesäcken mit Hansetag-Logo drauf und jede Menge Informationsmaterial drin.

Und in der Mitte ein Schreibtisch. Dort sitzen Gerd Eiselt und Gisela Blumensaat, oft ist auch Nina Lawryniuk dabei. Die 35-Jährige aus dem Büro des Oberbürgermeisters ist die Patin der jungen Hansetags-Besucher: die der Jugendhanse, der Nachwuchsorganisation des Neuzeit-Verbunds.

Aber nicht nur die 15- bis 24-Jährigen aus der Jugendhanse übernachten in der Kaserne, auch Musik- und Kulturgruppen, Handwerker des Altstadtmarkts und Fernsehteams. Damit es an der Wache am Eingang der Kaserne einfacher geht, bekommt jeder Gast einen Ausweis aus Papier, den das Team im Büro ausfüllt.

Denn auf dem Gelände, das bis auf einige Büros der Bundespolizei und bis auf die Zeiten der Castortransporte - dann schlafen die Polizisten dort - leer steht, herrschen die üblichen strengen Regeln von Bundeswehr und Bundespolizei: Fotografier-, Koch- und Rauchverbot. Dass die Besucher das einhalten, kontrollieren rund um die Uhr zwei Mitarbeiter der Campus GmbH pro Block. Insgesamt fünf Blöcke mit Ein- bis Vierer-Zimmern stehen Gästen des Hansetags für jeweils durchschnittlich 30 Euro pro Nacht zur Verfügung, ein kräftiges Frühstücksbuffet liefert ebenfalls Campus.

"Bettwäsche wird gestellt, beziehen muss aber jeder selbst. Und für die Schränke müssen die Gäste Vorhängeschlösser mitbringen - alles wie in der Jugendherberge", sagt Eiselt und schmunzelt. "Wir sind also so etwas wie die Herbergseltern." Und wie bei Klassenfahrten gibt's auch Gemeinschaftsbäder und -duschen. Nur das Frühstück dauert länger: bis 10 Uhr.

In seinem letzten Job beim Oberbürgermeister war Gerhard Eiselt zuständig für die Pflege der Städtepartnerschaften - mit Reisegruppen und ausländischen Gästen geht er also problemlos um.

Und für Nina Lawryniuk ist die Aufgabe in der Kaserne eine herausragende Abwechslung im Büroalltag. "Es ist tierisch anstrengend, aber total spannend. Und so etwas wird es wohl die nächsten 600 Jahre nicht mehr geben, also halten wir alle durch", sagt sie in Anspielung darauf, dass der letzte Hansetag 1412 in Lüneburg stattgefunden hatte.

Im Rathaus geht es derweil zu wie in einer Boutique: Bettina Köllmann kleidet dort alle ein, die beim Hansetag helfen. Mehr als 1500 dunkelblaue Polo-Shirts und 140 Regenjacken liegen bereit. Stefanie Kibscholl hat die Einsatzorte der Freiwilligen organisiert: 180 aus Stadtverwaltung und städtischen Gesellschaften sowie 70 Externe - und Pensionäre wie Gerhard Eiselt.