Was kommt 2012 auf Lüneburg zu? In fünf Teilen gibt das Abendblatt einen Ausblick auf das kommende Jahr. Heute: Politik im Landkreis.

Lüneburg. Neuland werden die Kommunalpolitiker im Landkreis Lüneburg im kommenden Jahr betreten. Drei Themen werden den Takt in der politischen Landschaft vorgeben: der Zukunftsvertrag mit dem Land Niedersachsen über die Entschuldung des Landkreises, die Vorbereitung der ersten Bürgerbefragung im Kreis, bei der die Menschen über den Bau einer Elbbrücke entscheiden, und der Klimagipfel im Frühjahr, bei dem die Energiewende in der Region in die Wege geleitet werden soll.

Im Dezember gab der Kreistag Landrat Manfred Nahrstedt (SPD) grünes Licht, den Zukunftsvertrag über die Entschuldung des Kreises zu unterzeichnen. Das Land übernimmt nun für 75 Prozent der bis Ende 2009 aufgelaufenen Liquiditätskredite eine Tilgungshilfe von rund 71,8 Millionen Euro.

Der Landkreis verpflichtet sich im Gegenzug, ab dem Haushaltsjahr 2012 ein ausgeglichenes Jahresergebnis zu erzielen und möglichst in den Folgejahren Überschüsse zu erwirtschaften, um Altdefizite abzudecken. Der Entschuldungsfonds mit einem jährlichen Volumen von 70 Millionen Euro wird je zur Hälfte vom Land und den Kommunen finanziert. Der Landkreis zahlt voraussichtlich rund 370 000 Euro im Jahr. Den Kreis drücken Verbindlichkeiten von rund 200 Millionen Euro.

"Es besteht die realistische Chance, den Schuldenberg abzubauen", sagt SPD-Fraktionschef Franz-Josef Kamp. Miriam Staudte (Grüne) mahnt jedoch: "Der Vertrag darf für uns kein Ruhekissen sein." Es müsse künftig stärker zwischen notwendig und wünschenswert unterschieden werden. Alexander Blume, CDU-Fraktionschef, ist optimistisch. "Wir schließen eine ausgeglichene und faire Vereinbarung." Er geht davon aus, dass der Kreis auch weiterhin freiwillige Leistungen im bisherigen Umfang ausschöpfen kann.

Laut Jürgen Wiegert, Leiter des Finanzmanagements beim Kreis, sind die Kredite bei laufenden Kosten von 15,3 Millionen Euro im Jahr 1995 auf 106,4 Millionen Euro im Jahr 2010 rasant gestiegen, es drohe sogar schon die Überschuldung. Doch das Problem sei nicht hausgemacht. "Der Landkreis steckt seit Jahren in einem Dilemma. Wir müssen mehr ausgeben, als wir einnehmen, weil wir für gesellschaftliche Entwicklungen zahlen müssen." Dafür seien immer wieder neue Kredite nötig geworden. Beispielsweise hätten sich die Sozial- und Jugendhilfekosten für Stadt und Landkreis, die aus der Kreiskasse bestritten werden, in den vergangenen 16 Jahren mehr als verdoppelt - auf 60 Millionen Euro jährlich.

+++ Energiewende mit leeren Kassen +++

+++ Politiker diskutieren über Windräder in Lüneburg +++

Grünen-Fraktionsvorsitzende Bernhard Stilke meint, der Kreis habe Glück gehabt, dass die Zinsen für Kredite bisher so gering waren. "Wir müssen die Schulden schnell loswerden, einen Zinsanstieg würde der Kreishaushalt nicht verkraften." Gisela Plaschka (FDP) sagt, aus der Schuldenwelle sei inzwischen ein Tsunami geworden. "Deshalb gibt es keine Alternative zu dem Zukunftsvertrag." Bernd Jaschke (Die Linke) kritisiert die zehnjährige Laufzeit. "Das ist zu lang. Wenn wir es nicht schaffen, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, sehe ich schon jetzt unseren Landrat im Büßerhemd nach Hannover laufen."

2012 soll auch die Bürgerbefragung vorbereitet werden, bei der die Menschen im Landkreis ihr Votum für oder gegen den Bau einer Elbbrücke von Neu Darchau nach Darchau abgeben können.. "Der Kreistag muss entscheiden, ob eine Bürgerbefragung durchgeführt wird", sagt Landrat Manfred Nahrstedt. Bis jetzt liegt ihm zufolge noch kein Antrag dazu vor. Doch der wird kommen. Schließlich hat die rot-grüne Mehrheitsgruppe in ihrem Gruppenvertrag festgelegt, dem Bürger die Entscheidung zu überlassen und diese als bindend für die Politik anzusehen. "Einzelheiten muss eine eigene Satzung regeln, die noch erarbeitet werden muss", so Kreissprecherin Katrin Peters. Denn bisher habe es noch nie eine Bürgerbefragung im Landkreis gegeben.

Die bisher kalkulierten Baukosten für die 1,6 Kilometer lange Elbbrücke, die das Amt Neuhaus, das rechts der Elbe liegt, besser an das übrige Kreisgebiet anbinden soll, liegen bei rund 45 Millionen Euro. Der Kreis beteiligt sich mit neun Millionen Euro, das Land mit 2,3 Millionen Euro, der Nachbarkreis Lüchow-Dannenberg mit 700 000 Euro. Den Rest tragen die Europäische Union und der Bund. Die Planung hat schon jetzt 350 000 Euro gekostet.

Er stehe nach wie vor zum Brückenbau, den einst der Kreistag beschlossen hatte, so der Landrat. "Voraussetzung ist allerdings, dass der Anteil des Landkreises nicht mehr als neun Millionen Euro plus eine Million für Altlasten beträgt." Eine weitere Voraussetzung sei, dass der Kreis nicht für Folgekosten aufkommen müsse. Darüber gibt es noch Unstimmigkeiten mit dem Land.

Ungeachtet dessen und der bevorstehenden Bürgerbefragung geht die Planung für das Projekt weiter. "Die Verwaltung arbeitet auf Grundlage der vorliegenden Beschlüsse weiter. Deshalb beabsichtigt sie, eine baldige Entscheidung über den Planungsfortgang herbeizuführen", so Erster Kreisrat Jürgen Krumböhmer. Der Kreistag werde voraussichtlich am 5. März kommenden Jahres über die Einleitung des Raumordnungs- und des Planfeststellungsverfahrens entscheiden. Damit werden die ersten konkreten Schritte in Richtung Baugenehmigung getan.

Ins Frühjahr fällt auch der Termin für den ersten kommunalen Klimagipfel im Landkreis. "Ende März, Anfang April setzt sich der Kreis mit allen Bürgermeistern an einen Tisch, um über die Studie der Leuphana Universität zur 100-Prozent-Erneuerbare-Energie-Region zu diskutieren", sagt Kreissprecherin Peters. Kommunen und Politik sollen dann unter anderem festklopfen, wo Flächen für weitere Windräder ausgewiesen werden, wo Biogas erzeugt wird, welche öffentlichen Gebäude energetisch saniert und welche mit Fotovoltaikanlagen ausgestattet werden.

In den kommenden 20 Jahren soll der Landkreis Lüneburg energieautark werden. Das Ziel verfolgen Politik und Kreisverwaltung. In der Region soll dann für die Region Strom und Wärme aus Wind, Wasser, Sonne, Biomasse und Biogas produziert werden.

Die Voraussetzungen seien gut, sagt Nachhaltigkeitsforscher Wolfgang Ruck von der Leuphana Universität. "Der Landkreis ist dünn besiedelt und es gibt viele landwirtschaftliche Flächen für den Anbau von Energiepflanzen. Auch die schon betriebenen Windräder, Biogas- und Fotovoltaikanlagen spielen eine wichtige Rolle."

Die Versorgung mit erneuerbarer Energie soll zum großen Teil durch dezentrale Anlagen und damit durch das finanzielle Engagement vieler kleiner Unternehmen und Privatpersonen umgesetzt werden. Auch Einsparmaßnahmen und Umbauten am Gebäudebestand sind nötig. Insgesamt gehe es darum, so Ruck, den bisherigen Energiebedarf zu reduzieren und den durch höhere Effizienz, optimierte Infrastruktur und geänderte Verhaltensweisen reduzierten Verbrauch dauerhaft durch erneuerbare Energien aus der Region zu decken.