Die Gemeinde rechnet mit 250.000 Euro Mehrkosten bei der Sanierung und setzt auf die Landeskirche. Sanierung wird aufwendiger als gedacht.

Lüneburg. Doppelt so lange wie geplant und mehr als anderthalb mal so teuer: Die Sanierung der Außenfassade von St. Nicolai ist weit aufwendiger als gedacht. Während der Arbeiten entdeckten Maurer, dass hunderte Backsteine und zum Teil auch lasierte Dachsteine ausgetauscht werden müssen.

Begonnen hat das Restaurierungsprojekt St. Nicolai Ende vergangenen Jahres: Damals begannen die Maurer an der südwestlichen Ecke der Kirche, die Fugen zwischen den Mauersteinen auszukratzen. Denn bei der letzten Sanierung des Gebäudes in den 1980er- und 1990er-Jahren ist zwar ein eigens entwickelter Mörtel verwendet worden, der sich später allerdings als nicht wetterbeständig entpuppte. Fatale Folge: Das Material fing an zu bröseln.

Schon vor 170 Jahren hatte die Kirche bereits kurz vor dem Abriss gestanden, wie der Baubeauftragte des Kirchenvorstands berichtet. Um 1840 war es kurz davor, dass das Gotteshaus abgebrochen werden sollte. "Dann setzte sich aber der König von Preußen für den Erhalt ein und stiftete Geld, und der Oberküster Klingemann warb auf der Straße dafür", sagt Dr. Klaus-Peter Person. "Er rief: Ihr wollt es doch wohl nicht zulassen, dass Eure Kirche abgerissen wird!?"

Schließlich stieg auch der König von Hannover mit in die Rettungsaktion ein, und gemeinsam mit dem Bistum und der Gemeinde wurde eine umfangreiche Sanierung in Gang gebracht - und auch der Glockenturm in neugotischem Stil gebaut. Seinen Vorgänger hatte 1811 ein Blitz getroffen, 20 Jahre später war er abgerissen worden. 1869 begann ein Neubau, 1895 wurde der Turm des Architekten Conrad Wilhelm Hase fertig.

Mittlerweile ist die Südseite von St. Nicolai an der Lüner Straße fertig saniert, das Gerüst ist an das östliche Ende vorgerückt. "Eigentlich wollten wir Ende dieses Jahres rundherum fertig sein", sagt Pastor Eckhard Oldenburg. "Weil aber mehr Arbeiten nötig sind als gedacht, haben wir es nur bis zur Spitze geschafft."

Zurzeit kratzen Arbeiter die Fugen aus, damit sie im Frühjahr neu verfüllt werden können. Denn das geht nur bei beständigen Temperaturen über fünf Grad Celsius. Ist es kälter, würde die Masse nicht richtig abbinden und wieder herausplatzen. Hinzu kommt, dass viele Hundert Backsteine aus dem 19. Jahrhundert herausgeflext und durch farblich möglichst ähnliche ersetzt werden müssen, wie der Baufachmann Person sagt: "Ganze Flächen sind zerstört. Das war vorher nicht abzusehen." Gefährlich seien kaputte Mauersteine, weil Wasser in das Material eindringen kann. Dehnt sich das bei Frost aus, kann es den Stein sprengen.

Mehr Arbeit verursacht auch mehr Kosten: Von ursprünglich geplanten 400 000 Euro ist die geschätzte Summe für die Sanierung mittlerweile auf 650 000 Euro angestiegen. "Die Gemeinde hat nicht die finanziellen Möglichkeiten, dafür aufzukommen", sagt Pastor Oldenburg. 3000 Gläubige gehören St. Nicolai an. 500 000 Euro hatte die Landeskirche bereits zugesagt, 50 000 Euro der Kirchenkreis Lüneburg. Die höheren Kosten hofft die Gemeinde ebenfalls von der Landeskirche ersetzt zu bekommen. "Wir sind guter Hoffnung", sagt Oldenburg. Person ergänzt: "Mit solchen Entdeckungen rechnet ein Bauherr wie die Landeskirche. Bei einem Gebäude von 600 Jahren gibt es immer Schäden, die sich grob abschätzen lassen, aber wie es wirklich ist, sieht man erst, wenn man oben ist." Also auf einem Gerüst steht und die oberen Mauersteine aus der Nähe begutachten kann.

Wann genau die aktuellen Arbeiten beendet sein werden, ist laut dem Baubeauftragten "nicht absehbar". Klar ist nur: Alle werden froh sein, wenn das Gerüst abgebaut werden kann.

Eine weitere Baustelle ist zudem innerhalb der Kirche entstanden: Wo bisher das Lüneburger Stadtmodell aus Bronze stand, herrscht jetzt Leere. Der Eigentümer, das Salzmuseum, hat das Modell für eigene Zwecke zu sich geholt. Derzeit laufen die Diskussionen in Kirchenvorstand und Gemeinde, ob und wie für einen Ersatz in der Turmhalle von St. Nicolai gesorgt werden kann. Schließlich zeigt das Modell wie keine andere Darstellung, in welcher Enge und welchem Umfeld die Schifferkirche gebaut worden ist. (abendblatt.de)