Taxifahrer ersteigerte Uferfläche und macht nun damit vor Gericht ein Geschäft. Die Stadt will es als Gebiet für den Hochwasserschutz.

Lüneburg. Es war ein gemütlicher Abend unter Männern. Die Kumpels tranken Bier, juxten, feixten und schalteten den Computer an. Am Ende besaß einer von ihnen ein 133 Quadratmeter großes Grundstück am Ufer der Ilmenau in Lüneburg. Für 21 Euro.

Und das ging so: Die Internetseite der Deutschen Internet Immobilien Auktionen GmbH bot gerade ein leer stehendes Gewerbeobjekt in Schaderthal und ein teilweise landwirtschaftlich genutztes Grundstück in Zabakuck zur Versteigerung an. Damals, vor zwei Jahren und drei Monaten, waren für den Meistbietenden dort genau 133 Quadratmeter verwilderte Fläche in der Hansestadt Lüneburg zu haben.

Klaus-Peter Hanko und seine Kumpels waren an diesem Abend wohl gut drauf. Hanko muss ein paar Mal auf "Bieten" geklickt haben - und war kurze Zeit später stolzer Besitzer des zugewucherten Grundstücks am Ufer der Ilmenau gegenüber dem Firmengelände von Johnson Controls, auf der Kloster-Seite der Ilmenau nahe der Eisenbahnbrücke.

Hanko war so stolz auf sein laut Anwalt Holger Hartmann "originelles Grundstück mit exotischem Reiz", dass er anscheinend auch unbedingt dessen Eigentümer bleiben wollte - auch wenn die Stadtverwaltung es als Überschwemmungsgebiet ebenfalls haben wollte. Die Stadt nämlich hatte der Notar über den Kaufvertrag informiert, als das Dokument Mitte September 2009 in Berlin unterschrieben wurde. Käufer: Klaus-Peter Hanko, 70, selbstständiger Taxiunternehmer aus Dassendorf, Verkäufer: die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.

Als der Notar die Kommune bat zu bestätigen, dass sie ihr Vorkaufsrecht bei Grundstücken dieser Art nicht ausüben wolle, antwortete das Rechtsamt der Hansestadt nicht wie aus Berlin und Dassendorf gewünscht. Man wolle sehr wohl von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch machen, hieß es aus Lüneburg. Schließlich plane man dort in ferner Zukunft einen Geh- und Radweg, außerdem sei das Grundstück wichtig für den Hochwasserschutz - eben als Überschwemmungsgebiet. Der Taxifahrer widersprach. Die Stadt wies den Widerspruch zurück. Der Taxifahrer klagte. Das war Anfang vergangenen Jahres. Gestern trafen die Kontrahenten nun in Saal III des Verwaltungsgerichts vor Richter Dr. Jan-Erik Schenkel zusammen, der über die 133 Quadratmeter mit viel Brombeerbewuchs, aber ohne eigene Zuwegung entscheiden sollte

Der Kläger wolle "seinen Stuhl dort hinstellen und angeln", erklärte Rechtsanwalt Holger Hartmann auf die erstaunte Frage von Beklagter und Richter, was um Himmels Willen der Besitzer denn mit dem Stückchen Erde eigentlich anfangen wolle. "Das ist ein legitimer Wunsch."

Tja, dumm nur, dass laut Lüneburgs Rechtsamtsleiter Wolfgang Sorger, der in einer Sitzungspause mit seinem Liegenschaftskollegen telefoniert hatte, das Fischereirecht der Ilmenau komplett verpachtet ist. Und da weder Sorger noch der Jurist Holger Hartmann oder der ambitionierte Angler Klaus-Peter Hanko selbst sich im Fischereirecht auskennen, blieb bis Prozessende unklar, ob und unter welchen Voraussetzungen der 70-Jährige auf seinem Grundstück überhaupt hätte angeln können oder nicht. Geld verdienen jedenfalls, betonte der Rechtsanwalt aus Hamburg, wolle man damit nicht. Mehr als die von Richter Schenkel vorgeschlagenen 500 Euro als Vergleich aber wolle man dann doch haben - Stichwort Originalität und Exotik des Grundstücks.

Die Begründung der Stadt, dort einen Geh- und Radweg bauen zu lassen, nannte Hartmann im Nebensatz "völlig illusorisch", schließlich gebe es auf dem gegenüber liegenden Ufer bereits einen solchen. Sorger widersprach dem zwar und verwies auf die langen Planungszeiten solcher Wege, nannte den Hochwasserschutz aber das "elementare Begehren" der Stadt und Hauptgrund, das Grundstück in Verwaltungshand wissen zu wollen. Viel wert, so Sorger, könne das Grundstück allerdings nicht sein, schließlich sei es nicht bebaubar.

Mit Mühe verbarg der Vorsitzende Richter dann seinen Unmut, als Rechtsanwalt Hartmann vorschlug, bezüglich einer Taxierung des Grundstückswerts Experten zu Rate zu ziehen und das seit knapp zwei Jahren anhängige Verfahren zu vertagen. Hartmann schlug nach einer Bedenkpause schließlich 1000 Euro als Ablösesumme vor - auf die der Jurist der Stadt sich nicht einließ.

665 Euro, also fünf Euro pro Quadratmeter, plus vermutlich hoch dreistellige Verfahrens-, Anwalts- und Notarkosten, das war sein letztes Gebot. Hanko schlug ein. Und war ob des abgeschlossenen Geschäfts sogleich zu Späßen aufgelegt: "Sonst werde ich noch beim Schwarzangeln erwischt."