Leuphana erarbeitet Modellprojekt für regenerative Energien. Kraft aus Sonne, Wind und Wasser sollen koordiniert werden.

Lüneburg. Für die Bundesregierung ist die Energiewende beschlossene Sache: Raus aus der Atomkraft und rein in die Produktion regenerative Energien, so lautet der Beschluss in Berlin. Doch wie die einzelnen Regionen flächendeckend in Zukunft mit regenerativ erzeugtem Strom versorgt werden sollen, ohne dass ebenso flächendeckend neue Stromtrassen errichtet werden müssen, war bisher nicht klar.

Einen Beitrag zur Lösung dieses Problems soll das Modellprojekt "Energion" leisten, das die Europäische Union im Rahmen des Innovationsinkubators an der Leuphana mit 1,6 Millionen Euro fördern wird. "Es geht darum, die in der Region gewonnene Energie hier zu speichern und bei Bedarf regional weiter zu verteilen", sagt Thomas Schomerus, Professor für Energie- und Umweltrecht an der Lüneburger Leuphana Universität. Gemeinsam mit sechs Kollegen aus Deutschland, den Niederlanden, Dänemark und den USA kümmert er sich um das Vorhaben, das zum Modellprojekt für die regionale Energiewende werden kann.

Wind, Wasser und Sonne sind in der Lage, einen bedeutenden Beitrag zur Stromversorgung einer Region zu leisten. Doch auch wenn die Wetterbedingungen einmal ungünstig sind, weil die Sonne nicht scheint oder nicht genügend Wind über das Land geht, muss der Strombedarf gedeckt sein. Wie die Koordination der verschiedenen regenerativen Energien dann aussehen könnte, wo und wie Stromüberschüsse gespeichert werden könnten, damit beschäftigt sich Energion.

"25 Stadtwerke haben bereits Interesse an der Mitarbeit an dem Projekt gezeigt", sagt Professor Schomerus. Eine Betriebsgesellschaft soll das Vorhaben umsetzen und tragen, auch eine Bürgerbeteiligung an dem neuen Modell soll es geben - damit steigt die Identifikation des Verbrauchers mit dem Strom aus "seiner" Region. Die Stadtwerke Uelzen werden für das Pilotprojekt Vorreiter sein. "Wenn sich das Ganze bewährt, könnte man das Konzept auf andere Landstriche übertragen", sagt Schomerus.

Gespeichert werden soll der alternative Strom aus Sonne, Wasser, Wind und Biogas in Energiespeichern. Den könnte zum Beispiel der Elbe-Seiten-Kanal (ESK) zur Verfügung stellen. Die Idee dafür stammt von Hubertus Schulte, Mitarbeiter des Bauhofs am ESK in Scharnebeck. "Das Modell, das hier entwickelt wird, wäre übertragbar auf ganz Europa", sagt er.

Sein Prinzip für einen Energiespeicher an Kanälen und Schleusen ist einfach. "Auf dem Weg von der Elbe zu Mittellandkanal überbrückt der Elbe-Seiten-Kanal 23 Meter Höhe. An der Schleuse Uelzen sind Pumpen im Einsatz, die die Pegelschwankungen im Kanal ausgleichen", erklärt Schulte. Immer dann, wenn das Wasser im Kanal überhand zunehmen droht, muss Wasser abgelassen werden. Pumpen und Turbinen könnten die dabei freiwerdende Energie in Strom umwandeln - Kanal, Schleuse und Schiffshebewerk würden funktionieren wie ein Pumpspeicherwerk.

Diese Idee war der Auslöser für das Modellprojekt Energion. Doch Energion geht weiter und soll noch mehr können, als Strom nur zu speichern: Dort will man auch ein Konzept entwickeln, wie alternativ erzeugte Energie koordiniert und verteilt werden kann, wenn sie beim Empfänger gebraucht wird.

"Wir streben die Errichtung eines intelligenten Stromnetzes an, dass Verbraucher und Erzeuger verbindet", erklärt Professor Thomas Schomerus von der Leuphana. Eine autonome Energieregion ist das Ziel, in der zumindest eine Grundlast im Strombedarf gedeckt werden kann. Gespeist wird das intelligente Netz von vielen, kleinen und alternativen Energieerzeugern, die dezentral und im Rahmen ihrer Möglichkeiten Strom produzieren.

"Damit wollen wir zumindest teilweise die anderenfalls erforderlichen großen Ausbauten des Stromnetzes vermeiden", sagt Schomerus. Auch das Bewusstsein des Verbrauchers für die Problematik soll geschärft werden. "Je mehr regionale Energie produziert und verlangt wird, desto besser", meint der Professor. Bisher spürt er für sein Forschungsvorhaben viel Rückenwind. "Doch wir erarbeiten nur das Modell, umsetzen müssen es nachher Private", sagt er. Im Harz läuft bereits ein ähnliches Modellprojekt, auch dort erhofft man sich wichtige Erkenntnisse. Energion geht im Frühjahr 2012 an den Start. Drei Jahre lang werden sich dann die Forscher um betriebswirtschaftliche Konzepte, juristische und technische Fragen sowie um die Finanzierung der Energiewende kümmern.