“Wenn ich den Dom sehe, ist alles gut“ sagt die neue Bürgermeisterin Eva Köhler. Entspannung findet die 27-Jährige bei ihren Pferden.

Bardowick. Mit voller Fahrt segelt Eva Köhler zurzeit durchs Leben. Seitdem der Fleckenrat die 27-Jährige bei seiner konstituierenden Sitzung Anfang des Monats zur ersten Bürgermeisterin von Bardowick in der 1200-jährigen Ortsgeschichte gewählt hat, eilt sie von Termin zu Termin.

Kaum hatte sie nach der Wahl mit der Familie auf den neuen Lebensabschnitt angestoßen, den vielen Gratulanten gedankt, die sie angerufen und sich per E-Mai sowie Facebook gemeldet hatten, rief die Pflicht als Erste Frau in der Gemeinde. "Drei Tage konnte ich mich freuen. Dann ging es auch schon los", sagt Eva Köhler.

Ihr gefällt das neue Ehrenamt. Sie strahlt vor Freude. "Ich habe mich gut eingelebt." Schocken konnte sie auch nicht die ellenlange Liste, die sie gleich am Montag nach ihrem Amtsantritt von der Gemeindeverwaltung gereicht bekam: Zwölf Seiten mit runden Geburtstagen ab 80 Jahre und Ehejubiläen ab 50 Jahre, zu denen die Bardowicker Bürgermeisterin den Jubilaren als Gratulantin die Ehre erweist und die Grüße der Gemeinde überbringt.

Rund 100 repräsentative Veranstaltungen stehen auf dem Programm. Zudem musste sie am Volkstrauertag ihre erste öffentliche Rede halten. "Meine Stellvertreter Lothar Meyer und Gerhard Maack unterstützen mich und nehmen mir glücklicherweise Termine ab", sagt sie. Anders könnte sie das enorme Pensum gar nicht bewältigen. Schließlich hat Eva Köhler auch einen Beruf. Sie arbeitet bei der Stadt Lüneburg als Verwaltungsangestellte und bildet sich zurzeit fort mit einer Zusatzausbildung. Ihr Arbeitgeber stellt sie für die ehrenamtlichen Pflichten in Bardowick zeitweilig frei.

Der Domflecken ist für Eva Köhler Heimat. "Hier komme ich zur Ruhe", sagt sie. Die Bürgermeisterin ist mit ihrem Ort verwachsen. Noch nie hat sie woanders gelebt. Die Grundschule hat sie im Nachbarort Radbruch besucht, die Schulbank in der Orientierungsstufe in Bardowick gedrückt, die mittlere Reife an der Christiani-Schule in Lüneburg erlangt.

"Ich bin gerne in der Stadt und unternehme dort viel in meiner Freizeit. Aber ich möchte nicht in einer Stadt wohnen." Außerdem habe sich für sie noch nie die Frage gestellt, aus Bardowick wegzuziehen. "Auch nicht, als ich in Geesthacht gearbeitet habe. Die Stadt reizte mich nun wirklich nicht als Wohnort." Und so ist sie in Bardowick geblieben.

Sie hat kein Problem damit, wenn sie als bodenständig bezeichnet wird. "Schon meine Oma hat mir mit auf den Lebensweg gegeben, ich solle nicht vergessen, woher ich komme." Überdies habe sie ihre Freunde im Ort und könne nirgends so gut vom Alltagsstress abschalten wie auf dem elterlichen Hof im Bardowicker Bruch, der auf halbem Weg nach Radbruch liegt, und auf dem sie zu Hause ist. "Vor allem kann ich entspannen, wenn ich mich um meine drei Pferde kümmere."

Kraft tankt sie auch an ihrem Lieblingsplatz in Bardowick: an der Ilmenauschleuse. "Da ist es herrlich ruhig und idyllisch. Spaziergänge durch den angrenzenden Eichhof und den Nikolaihof sowie auf dem Treidelpfad in Richtung Klappbrücke sind einfach herrlich", schwärmt sie. "Wenn ich dort unterwegs bin, schießen mir die besten Ideen durch den Kopf."

Der Nikolaihof, sagt sie, werde unterschätzt. "Vielen war gar nicht klar, dass er nicht zu Lüneburg, sondern zu Bardowick gehört. Er prägt den Ort." Die Anlage ist im Mittelalter für Leprakranke aus Lüneburg gebaut worden. Das Hospital St. Nikolaihof wurde erstmals im Jahr 1251 erwähnt. Köhler möchte, dass die zurzeit laufenden Sanierungen im Nikolaihof schnell fertig werden, um ihn und seine Geschichte für viele Leute wieder erlebbar zu machen.

Wie sehr sie ihren Heimatort mag, dass sie durch und durch Bardowickerin ist, zeigt sich auch daran, dass die Welt für sie in Ordnung ist, wenn sie aus der Ferne das emporragende Wahrzeichen des Fleckens sieht. "Wenn ich den Dom sehe, weiß ich, alles ist gut." Mit dem Gotteshaus verbindet sie viel Familiengeschichte. "Meine Eltern haben im Dom geheiratet, ich wurde in ihm getauft und konfirmiert."

Bei aller Begeisterung für die Heimat, es gibt auch das andere Bardowick, das ihr nicht gefällt. "An der ehemaligen Bundesstraße 4 herrschen weder Charme noch Charakter. Die Situation dort macht mir Sorgen", sagt sie über die im Volksmund spöttisch als Automeile bezeichnete Hamburger Landstraße mit ihren zahlreichen Gebrauchtwagenhändlern und Discountern. "Das wirkt alles großstädtisch gehetzt. Alle kommen nur aus dem Grund, schnell einzukaufen und an der Tankstelle zu tanken. Ansonsten ist es jedoch menschenleer", sagt die junge Bürgermeisterin.

Nach Eva Köhlers Vorstellung müsste es entlang der Durchgangsstraße grüner und hübscher werden. "Neue Wohnbebauung statt inzwischen sogar leer stehende Supermarktgebäude könnte dabei helfen", sagt sie.

Köhler gibt sich aber keinen Illusionen hin: "Ich weiß, dass Veränderungen Jahrzehnte dauern werden. Aber wir als Rat müssen das Problem anpacken, um einen Anfang zu machen." Und schon ist sie bei der Kommunalpolitik angekommen. Ihr Antrieb, weil sie den Ort aktiv mitgestalten will. Damit beginnt sie jetzt, nachdem die ersten repräsentativen Pflichten als Bürgermeisterin zunächst Vorrang hatten und sie diese souverän, wie im Ort zu hören ist, über die Bühne gebracht hat. "Es ist endlich Sitzungswoche, und es wird wieder Politik gemacht", sagt Eva Köhler.

Eine Premiere steht an. Als Bürgermeisterin leitet sie zum ersten Mal die Sitzung des Verwaltungsausschusses, dem höchsten Gremium nach dem Rat. "Wir werden im Ausschuss Prioritäten setzen, Dinge anschieben, die sich sofort umsetzen lassen wie eine regelmäßige Bürgermeistersprechstunde und öffentliche Fraktionssitzungen."

Dass es reichlich im Ort zu tun gibt, hat sie schon im Wahlkampf mitbekommen. "Bardowick ist mit rund 6500 Einwohnern ja kein kleines Dorf. Viele Ecken und Menschen lerne ich jetzt erst richtig kennen", gibt sie zu, obgleich sie schon fünf Jahre Mitglied im Gemeinderat war. "Als Bürgermeisterin sprechen einen die Leute direkter an."

So hat sie schon vor ihrer Wahl mit Bürgern zusammengesessen und den Problemen gelauscht. In den Gesprächen ging es darum, dass die Busverbindungen in den Wohngebieten im Bereich Vögelser Weg nicht optimal sind. Dass Pendler die Nebenstraßen am Bahnhof zuparken. Und dass, obwohl der Parkplatz erst kürzlich erweitert wurde, die Stellflächen nicht ausreichen. Dass die Zu- und Anfahrt zum Gewerbegebiet Wittorfer Heide nicht nur über die alte B 4 rollt, sondern viele Lkw über Wohnstraßen fahren. "Es gibt viel zu tun", sagt sie, während sie längst wieder auf dem Sprung ist. Die Pferde müssen versorgt werden, danach findet eine Sitzung statt.