Eva Köhler wurde als Bürgermeisterin des mehr als 1200 Jahre alten Domfleckens Bardowick gewählt - eine Premiere

Bardowick. Eva Köhler schreibt Geschichte in Bardowick. Sie ist die erste Bürgermeisterin in dem mehr als 1200 Jahren alten Ort. "Den Bardowicker Rat gibt es schon seit 1132. Doch erst seit 1428 wurden die Bürgermeister in Listen dokumentiert", sagt Ursula Schwanitz-Roth, Archivarin der Samtgemeinde Bardowick. "Und noch nie war bislang eine Frau in den Schriftstücken als Bürgermeisterin zu finden", so die Expertin für die Ortsgeschichte.

Seit Donnerstagabend ist aber alles anders. Der am 11. September neu gewählte Fleckenrat kürte die Sozialdemokratin Köhler bei seiner konstituierenden Sitzung zur ehrenamtlichen Bürgermeisterin mit den Stimmen der Mehrheit von SPD, Grünen und Wählergemeinschaft WfB (Wir für Bardowick). Die 27-Jährige ist Nachfolgerin von Horst Bosch (SPD), der nicht mehr kandidierte, weil er nach Brietlingen gezogen ist. Köhlers Gegenkandidat Hermann Soltau (CDU) vereinte die Stimmen der Christdemokraten und der Rentnerpartei auf sich. Bernd Wald (Rentnerpartei) und Lothar Meyer (WfB) wurden vom Rat zu stellvertretender Bürgermeistern bestimmt.

Schwanitz-Roth vermutet, dass Eva Köhler die erste Bürgermeisterin seit Gründung des Fleckens im Jahr 795 ist. "Vieles spricht dafür. Denn über viele Jahrhunderte durften nur Männer dem Rat angehören. Nur die wohlhabendsten Einwohner mit den größten Höfen durften die Ratsmänner stellen", so Schwanitz-Roth. Allerdings, so schränkt sie als Wissenschaftlerin ein, gebe es keine schriftlichen Beweise, dass Köhler die erste Bürgermeisterin seit Gründung Bardowicks ist.

Dass die Verwaltungsfachangestellte bei der Stadt Lüneburg nun Gemeindeoberhaupt in Bardowick geworden ist, bringt aber trotzdem ein Problem mit sich, das in der Geschichte des Domfleckens begründet ist. Bardowick hat seit dem 3. September 1965 offiziell das Recht, seinen Bürgermeister "Erster Rathmann" zu nennen. Das niedersächsische Innenministerium genehmigte diese Besonderheit damals - ohne jedoch wohl davon auszugehen, dass jemals eine Frau ins Bürgermeisteramt gewählt werden konnte. Die Folge ist, dass es für den historischen Titel keine weibliche Form gibt und Eva Köhler sich deshalb "Frau Erste Rathmann" nennen muss. "Das werde ich aber nicht. Es klingt nicht gut. Die Bardowicker, mit denen ich darüber gesprochen habe, sind sich einig, dass das so nicht geht", sagt Köhler. Sie werde sich bei offiziellen Anlässen als Bürgermeisterin von Bardowick vorstellen. "Aber wir werden über das Problem noch in den Ausschüssen diskutieren. Es sollte doch eine andere Möglichkeit zu finden sein, als ,Frau Erste Rathmann'."

Ursula Schwanitz-Roth berichtet, dass der Begriff "Erster Rathmann" verglichen mit der langen Ortshistorie noch recht jung ist und erst seit dem 17. Jahrhundert verwendet wird. Noch im 18. Jahrhundert habe es in Bardowick jede Menge Zank über die Befugnisse eines "Ersten Rathmanns" gegeben, sagt Schwanitz-Roth. Die Jahrhunderte zuvor spielte die Bezeichnung in der Ortsgeschichte keine Rolle. Es gab nur die Bezeichnung Bürgermeister.

Eva Köhler ist Ur-Bardowickerin. "Meine Familie wohnt auf unserem Hof im Bardowicker Bruch seit 1865", erzählt die neue Bürgermeisterin. Dass sie ihrem Heimatort jetzt vorsteht, sei mehr Ehre als Bürde, sagt sie. Obwohl Köhler mit 27 Jahren für eine Kommunalpolitikerin noch recht jung ist, so blickt sie dennoch bereits auf zahlreiche politische Erfahrungen zurück. Seit 2006 gehört sie dem Fleckenrat an, war überdies viele Jahre Vorsitzende der Lüneburger Jungsozialisten (Jusos) im Landkreis Lüneburg. "Ich bin 2003 in die SPD eingetreten und wurde gleich mitgezogen, mich aktiv einzubringen", erzählt sie. Ihr Mentor war der Radbrucher Bürgermeister Achim Gründel, der die Nachwuchspolitikerin förderte und auch forderte.

"Schnell hatte ich Blut geleckt und wollte gestalten und nicht nur das Parteibuch besitzen", sagt Köhler. Dass sie schon jetzt in jungen Jahren und nach nur einer Ratsperiode an der Spitze an einer der größten Umlandgemeinden von Lüneburg und einer der einwohnerstärksten im Landkreis mit mehr als 6000 Bürgern steht, sei dem Umstand zu verdanken, dass der SPD-Gemeindeverband Bardowick sich vor der Kommunalwahl in einem Generationswechsel befunden habe.

"Der bisherige Bürgermeister Horst Bosch trat nicht wieder an, ältere Mitglieder zogen sich zurück, sodass ich am Ende eine der Erfahrensten in unseren Reihen war." Und so ging sie als Spitzenkandidatin für die SPD ins Rennen. Als Bürgermeisterin legt Eva Köhler nun den Schwerpunkt darauf, in Bardowick eine Tages- und Altenpflegeeinrichtung zu schaffen. Wichtig ist ihr auch mehr Bürgernähe. Als eine ihrer ersten Taten will sie eine Bürgermeistersprechstunde einrichten.