Ziel ist die Versorgung der Menschen in Stadt und Landkreis mit regenerativer Energie aus dem Lüneburger Umland. Idee reift noch.

Lüneburg. Eine politische Mehrheit für ein Stadtwerk ist in Lüneburg nicht zu bekommen. Das Projekt, einst vorgeschlagen von den Linken im Stadtrat, ist zu den Akten gelegt. Vom Tisch ist das Thema, ein Unternehmen für die Energieversorgung mit kommunaler Beteiligung ins Leben zu rufen, jedoch nicht. Die beiden rot-grünen Mehrheitsgruppen im Stadtrat und Kreistag sprechen sich in ihren Koalitionsverträgen für die Gründung eines Regionalwerkes für das Stadtgebiet und die Kreisgemeinden aus. Doch noch ist unklar, was sich dahinter eigentlich verbirgt.

"Die Idee ist noch nicht zu Ende gedacht", sagt Eugen Srugis, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion. Bernhard Stilke, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag, ergänzt: "Wir stehen erst am Beginn der Diskussion. Ein Regionalwerk soll möglichst alle zusammenführen, die im Landkreis Lüneburg aus Wind, Fotovoltaik, Biogas, Geothermie, Wasserkraft und Blockheizkraftwerken Strom und Wärme erzeugen." Aber auch der Vertrieb, die Verbraucher und die Netzbetreiber gehörten mit ins Boot, sagt Landrat Manfred Nahrstedt (SPD). "Die regenerative Energie, die bei uns erzeugt wird, soll auch hier verteilt und verbraucht werden." Motto: "Von der Region für die Region", wie es Bernhard Stilke formuliert.

Wie das in die Tat umgesetzt werden soll, werde jetzt erarbeitet, sagt er. In einem Regionalwerk sieht Stilke überdies ein Instrument für den energieautarken Landkreis. Ab 2020 sollen Strom und Wärme zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt werden.

Zur möglichen Organisationsstruktur eines Regionalwerkes sagt Eugen Srugis: "Kommunen könnten eine Energieholding bilden, an der sich alle Energieerzeuger in Stadt und Landkreis wie etwa die Gesellschaft für Abfallwirtschaft, die Abwassergesellschaft Lüneburg und Landwirte als Betreiber von Biogasanlagen beteiligen." Stilke hielte es für sinnvoll, wenn auch die Energieversorgung Dahlenburg-Bleckede AG eingegliedert werden würde. "Aber darüber gibt es noch Gesprächsbedarf." Landrat Nahrstedt betont, dass die Gesellschaftsform noch völlig offen sei. "Wir müssen sehen, wie wir die öffentlichen und privatwirtschaftlichen Belange, Erzeuger und Verbraucher am besten zusammenführen", sagt er und verweist gleichzeitig darauf, dass dies ein komplizierter Prozess werden wird.

Der Gewinn eines Regionalwerkes sollte abgeschöpft werden und an die Bürger als Kunden in Form von günstigen Strompreisen weitergegeben werden, so Stilke. "Aber Überschüsse müssen auch in den Ausbau der erneuerbaren Energie fließen. Wir wollen erreichen, dass Strom nicht mit Gewinn verschachert wird", sagt der grüne Fraktionsvorsitzende. Dennoch sollten Überschüsse ins Netz eingespeist werden, sind sich er und Srugis einig.

Die Einrichtung von Stadtwerken ohne Produktion von erneuerbaren Energien würden die Region Lüneburg hinsichtlich der Klimaschutzziele nicht weiter bringen, glaubt Srugis. Soll kein Etikettenschwindel betrieben werden, dann müssten Stadtwerke sich mit dem Einkauf, der Produktion und dem Vertrieb von Strom und Gas sowie den entsprechenden Dienstleistungen wie Wartung beschäftigen. "Es wären erhebliche Investitionen notwendig. Doch dafür fehlen die Mittel. Und Stadtwerke, die lediglich Strom und Gas einkaufen und an die Bürger und Gewerbetreibenden weiterverkaufen, sind ohnehin nicht sinnvoll", argumentiert er. Deshalb sei es besser, alle, die Energie in Stadt und Kreis erzeugen und vermarkten unter einem Dach zusammenzufassen.

Ein Vorbild für ein Regionalwerk für den Lüneburger Raum findet sich am Bodensee. Auslöser für die Gründung des Regionalwerkes Bodensee war der Wunsch der Gemeinden nach einer regional orientierten, verbraucherfreundlichen und preisgünstigen Energieversorgung. In dem 2008 gegründeten Regionalwerk Bodensee verfügen die beteiligten Kommunen gemeinsam über die Mehrheit. Sie halten 52 Prozent der Gesellschaftsanteile, zu jeweils 24 Prozent sind zwei private Unternehmen beteiligt. Damit wird sichergestellt, dass die Unternehmensstrategie in erster Linie an bürgerschaftlichen Interessen und Bedürfnissen orientiert sind. Im Vertrieb, Netzbetrieb und Service wurden stufenweise Arbeitsplätze für 35 Mitarbeiter geschaffen.

Wolfgang Ruck, Professor an der Leuphana Universität Lüneburg in der Fakultät Nachhaltigkeit, sagt, das Bewusstsein der Menschen für regionale Produkte wachse. Dazu zählt Ruck, der mit seinen Studenten die Studie für einen energieautarken Landkreis erarbeitet, neben Lebensmitteln auch die alternative Erzeugung von Strom, Wärme und Biogas. "Wir als Wissenschaftler sind in der Pflicht, die Ideen für regionale Lösungen voran zu bringen. Das ist ein Bildungsauftrag." Deshalb, sagt Ruck, wäre ein Regionalwerk für den Landkreis hilfreich für eine Zukunft ohne Atom und mit geringem CO2-Ausstoß. "Ich halte die regionale Lösung für sinnvoll", sagt der Wissenschaftler. "Schon längst machen sich die Leute Gedanken über die Energiewende."

Auch Bernhard Stilke sagt, mit dem Atomausstieg alleine sei es nicht getan. "Wenn wir jetzt nichts planen wie etwa ein Regionalwerk, stärken wir nur die Macht der Energiekonzerne. Und das wäre aus ökonomischer Sicht nicht gut für die Verbraucher."

Die beiden rot-grünen Mehrheitsgruppen fordern vom Landkreis, schnell einen "Klima- und Energiegipfel" einzuberufen, an dem die Gemeinden und Samtgemeinden teilnehmen. Es soll zudem ein gemeinsamer Ausschuss für Stadt und Landkreis eingerichtet werden. Diesem sollen Mitglieder der Verwaltung, der Politik und privater Organisationen aus dem Energiebereich als Vertreter der Bürger angehören. Das Gremium soll mit einem Grundsatzbeschluss die Weichen für die Energiewende stellen.