“Jürgen, wir wollen ein Haus von dir“ ist ihr Slogan. Die WG soll ausziehen. Sie vermuten, dass der Mieter dort Luxuswohnungen bauen will.

Lüneburg. "Jürgen, wir wollen ein Haus von dir" fordert eine Wohngemeinschaft in der Frommestraße. Weil sie die Miete für zwei Monate nicht gezahlt haben, wurde der WG gekündigt. Die will das nicht akzeptieren. Sie glauben, dass ihr Vermieter, der Investor Jürgen Sallier, versucht, die Mieter aus dem Haus zu vertreiben, um dort Luxuswohnungen zu bauen.

Am 21. Juli hat Theresas WG in der Frommestraße 4 die fristlose Kündigung erhalten. Als Grund gab ihr Vermieter und Eigentümer des Hauses, Jürgen Sallier, den Rückstand der Mietzahlungen über zwei Monate an. "Das war unser Fehler", gibt Bewohnerin Theresa zu, "beim Überweisen ist ein Zahlendreher passiert." Gegen die Kündigung habe die Fünfer-WG Widerspruch eingelegt. Außerdem hätten sie die ausstehenden Mieten bezahlt. Trotzdem kam die ordentliche Kündigung zum 31. Oktober.

Laut Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund war das der richtige Weg. "Wenn der Mieter nicht auszieht und die Mietrückstände bis zum Gerichtsverfahren nachzahlt, ist die fristlose Kündigung vom Tisch." Ordentlich könne der Vermieter jedoch trotzdem kündigen: wegen vertraglicher Pflichtverletzung. "Wenn der Vermieter da jedoch nicht mehr als ausgeglichene Rückstände in der Hand hat, ist die Chance, einen Prozess zu gewinnen, für die Mieter sehr hoch", sagt Ropertz.

+++ "Hier ist die Gentrifizierung gelungen" +++

Die Wohngemeinschaft in der Frommestraße will den Streit jedoch nicht vor Gericht austragen. Darum widersprachen die Bewohner der ordentlichen Kündigung zunächst. "Als Antwort hat uns Herr Sallier dann unterstellt, dass wir illegal untervermieten", sagt Theresa. Das sei nicht wahr. Die WG-Mitglieder hätten lediglich versäumt, Sallier über einen Mieterwechsel zu informieren.

Zwei Mieterinnen hätten sich daraufhin mit Jürgen Sallier getroffen. "Er hat uns angeboten, noch einmal neu zu starten", sagt Theresa. Außerdem habe er ihnen auch einen neuen Mietvertrag angeboten. "In dem gab es eine Sonderklausel. Ohne Gründe mit Paragraphen zu belegen, hätte er uns dann kündigen können", sagt die 27-jährige Studentin.

Nach zwei Wochen habe Jürgen Sallier dann schriftlich sein Angebot zurückgenommen. Da es keine Reaktion gab, gehe er davon aus, das kein Interesse bestehe. "Er hatte für sein Angebot keine Frist genannt", sagt Theresa. Die Auszugsfrist wurde bis zum 31. Dezember verlängert.

Seitdem ist Funkstille zwischen Mietern und Vermieter. "Ich kann und will nicht immer wieder das Gleiche sagen", begründet Jürgen Sallier. Die Mieter glauben, dass er die Bewohner loswerden will. "Ich glaube, er möchte das Haus leer bekommen. Es dann abreißen und neue Wohnungen teurer vermieten", sagt Mieter Wanja. Freie Zimmer im Erdegeschoss würden trotz Interessenten nicht vermietet. Jürgen Sallier bestreitet nicht, dass er die Frommestraße 4 lieber leer hätte. "Für Renovierungsarbeiten muss man stark in das Gebäude eingreifen. Das geht nicht, wenn es bewohnt ist", sagt er. Gegen den Vorwurf, er hätte keine nötigen Renovierungsarbeiten mehr vorgenommen, wehrt sich der Immobilienkaufmann jedoch. "Im vergangenen Jahr habe ich das Dach, die Balkone und die Duschen erneuern lassen. Doch jetzt gehe es darum, was mit dem Haus passiert", sagt Jürgen Sallier.

Am kommenden Montag habe er einen Termin mit der Stadt. "Dort werden wir sehen, wie wir weiterkommen. Durch die Senkungsproblematik wird das Haus dort nur noch eine gewisse Zeit sicher stehen", sagt der Investor. Das Haus ist denkmalgeschützt. Einfach abreißen kann es der Immobilenkaufmann nicht. "Dazu muss man beweisen, dass das Haus wirtschaftlich unzumutbar ist", sagt Stadtsprecherin Suzanne Moenck. Die Stadt und die Obere Denkmalbehörde würden das Haus dann prüfen.

Durch Jürgen Salliers Vorgehen sehen sich die Bewohner aus dem Haus verdrängt. "Das ist keine individuelle Sache. Diese Wohnpolitik betrifft ganz Lüneburg", sagt Theresa. Mitbewohner Wanja bekräftigt: "Die Filetstücke der Stadt sollen zu hochpreisigen Luxuswohnungen werden." Darum ruft die WG zur Demonstration auf. Heute um 17 Uhr soll es vor dem Haus Nummer 4 losgehen. Die Kulturinitiative KIS unterstützt die Demonstration. "Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Privatisierung und Gentrifizierung von öffentlichem zu privatem Raum falsch ist", sagt KIS-Mitglied Kurt Bader.

Die Demonstration sieht die WG als letztes Mittel. "Wir wollen keine Konfrontation oder die Verhärtung des Konflikts", sagt Theresa, "wir möchten nur, dass Herr Sallier seinen Standpunkt ändert und wir bleiben können."