Seit den Zwanzigerjahren läuft eine Bahntrasse durch Goseburg. Jetzt steigen Pacht und vermutlich auch Gebühren. Das ruft Unmut hervor.

Lüneburg. Seit den Zwanzigerjahren betreibt die Hansestadt Lüneburg Industriegleise durch das Gewerbegebiet Goseburg, zur Lüner Rennbahn bei Adendorf und zum Hafen am Elbe-Seitenkanal. Im Dezember wird dafür der neue Pachtzins fällig: 10.000 Euro statt bislang knapp 700 Euro. Genutzt werden die Gleise zurzeit von lediglich einem einzigen Unternehmen. Doch das ist Lüneburgs größter Arbeitgeber.

Die Gleise der sogenannten Industriebahn sind ausschließlich für Güterverkehr zugelassen und schließen an das Hauptgleis der Deutschen Bahn an. Seit 1955 zahlte die Kommune dafür eine Pacht in immer derselben Höhe: 698 Euro im Jahr. Doch jetzt hat die DB Netz AG der Hansestadt Lüneburg einen neuen Vertrag vorgelegt. Die Miete steigt demnach ab sofort auf 2174 Euro netto, zusätzlich muss die Stadt ein Entgelt von rund 6500 Euro netto für Instandhaltung zahlen. Insgesamt kommen damit für 2011 brutto exakt 10.259,59 Euro zusammen, für das Jahr 2012 genau 10.408,34 Euro.

Den Vertrag der Bahn kann die Stadt nur einhalten oder kündigen, er wird laut Verwaltung bundesweit gleich angewandt und ist nicht verhandelbar.

Verwaltung und Politik halten trotz der Kostenexplosion an der Industriebahn fest. Dr. Cornelia Pahnke (SPD) argumentierte im Wirtschaftsausschuss mit dem Standortvorteil der Trimodalität aus Straße, Wasser und Schiene. Befürchtet wird in den Reihen der Ausschussmitglieder außerdem ein Verkehrsinfarkt des Gewerbe- und Wohngebiets Goseburg, sollten die Gleise als Transporttrasse wegfallen.

Bei der Verwaltung sorgt der Schlag ins Kontor des Haushalts für Überlegungen, wie mit der Kostenexplosion umzugehen ist. "Wir wollen versuchen, die Nutzerzahl zu erhöhen, um die Kosten auf eine breitere Basis zu stellen, das hat uns auch der Wirtschaftsausschuss aufgetragen", sagte Stadtsprecherin Suzanne Moenck dem Abendblatt. Die Verwaltung wolle Unternehmen gezielt ansprechen und auf die Vorteile der Bahn in puncto Lärmschutz und Umweltschutz hinweisen. "Aber es muss natürlich für das beteiligte Unternehmen passen."

Außerdem sei die Verwaltung dabei, das Gebührenmodell einer Prüfung zu unterziehen. "Dazu sind wir gerade auch vor dem Hintergrund der notwendigen Haushaltskonsolidierung verpflichtet", sagte Suzanne Moenck. Der Rat werde sich wahrscheinlich schon bei den Haushaltsberatungen 2012 mit einer Erhöhung der Gebühren beschäftigen müssen.

Die grundsätzliche Bedeutung der Gleise will die Verwaltungsspitze nicht infrage stellen, sagte Moenck dem Abendblatt: "Die Industriebahn ist eine wichtige Infrastruktureinrichtung in der Hansestadt Lüneburg, auch wenn sie zurzeit nur von einem Unternehmen genutzt wird. Aber auch ein einziges Unternehmen kann wichtig sein, wenn es diese Gleise nutzt und sonst womöglich seinen Standort wechseln würde."

Bei dem einzigen Nutzer der Industriebahn handelt es sich nicht um irgendein Unternehmen, sondern Lüneburgs größten Betriebsstandort: Johnson Controls mit seinen Werken an der Lüner Rennbahn und der Goseburgstraße. Rund 1000 Mitarbeiter produzieren Türverkleidungen, Instrumententafeln und Mittelkonsolen für die Europäische Automobilindustrie.

Für die Firma ist der Gleisanschluss "wirklich wichtig", sagte Sprecher Oliver Herkert dem Abendblatt. 3000 Waggons hätten das Werk dieses Jahr verlassen, 1400 seien angeliefert worden. Die Bahn sei für Johnson Controls ein "wichtiges und umweltfreundliches Transportmittel".

Auch Vertreter der Lüneburger Wirtschaftsförderungsgesellschaft äußerten sich gegenüber dem Abendblatt überzeugt von der Bedeutung der Bahngleise in der Goseburg, zur Lüner Rennbahn und zum Hafen. "Besonders die Schienen in Richtung Hafen sind wichtig", sagte Geschäftsführer Jürgen Enkelmann. "Wer über das Wasser etwas anliefert, will es womöglich über Schienen weitertransportieren."

Es sei positiv für Unternehmen, zwischen verschiedenen Verkehrsträgern wählen zu können: "Das ist gut für den Standort." Zusätzliche Nutzer im Bereich der Goseburg sieht Enkelmann allerdings nicht. "Das kann ich mir im Augenblick nicht vorstellen", sagte er. "Anders ist das am Hafen. Dort geht es um den Umschlag, dort könnten sich sicher weitere Nutzer auch für Gleise nach Embsen finden."

Aber auch Jürgen Enkelmann sieht die schlechte Finanzlage der Stadt als mögliches Hindernis, Verkehrsinfrastruktur wie eine Industriebahn dauerhaft vorzuhalten. "Man muss ausrechnen, wie sich Kosten und Erträge verhalten, und was Firmen bereit sind auszugeben. Wenn die Instandhaltung nicht gedeckt ist, stellt sich die Frage, wie lange eine Kommune sich das leisten kann."

Enkelmanns Stellvertreter, Gerhard Voigts, sagt, verzichten auf die Gleise könne die Stadt nicht: "Für die Firma Johnson Controls ist das eine notwendige Anbindung. Wir sollten den Bereich keineswegs abhängen. Gleise sind auch in Zukunft ein wichtiger Verkehrsträger."