Bürgermeister von Hohnstorf, André Feit, liest aus seinem Buch über die Kämpfe im Zweiten Weltkrieg an der Elbe bei Geesthacht vor.

Hohnstorf. Der Zweite Weltkrieg ist ein nie enden wollendes Kapitel in der deutschen Geschichtsschreibung. Das umso mehr, solange noch Zeitzeugen mit ihren Erinnerungen einen bedeutsamen Beitrag zu dem historischen Ereignis im vergangenen Jahrhundert leisten können. Erstmals schildert jetzt ein Buch ausführlich die letzten Kriegstage zwischen Dömitz und Geesthacht. Es trägt den Titel "Die letzte Front" - die Kämpfe an der Elbe 1945 im Bereich Lüneburg-Lauenburg-Lübeck-Ludwigslust". Heute um 20 Uhr stellt der André Feit sein Buch im Hohnstorfer Fährhaus vor.

Die Stärke des 348 Seiten umfassenden Bandes ist zweifellos dessen Regionalität sowie die Nutzung bisher unbekannten Quellenmaterials. Zu verdanken ist das den Autoren André Feit und Dieter Bechtold. Während der Kieler Bechtold, Jahrgang 1933, der Kriegsgeneration entstammt, entdeckte der 35-jährige André Feit sein Interesse an der deutschen Geschichte erstmals 2005, als er einen Vortrag anlässlich der Feierlichkeiten zum 60-jährigen Kriegsende vorbereitete. Eine von Feit verfasste 36-seitige Broschüre fiel Bechtold in die Hände.

Er nahm Kontakt zu dem jungen Mann in Hohnstorf auf und eine Autorengemeinschaft war geboren. André Feit ist Bürgermeister der Gemeinde Hohnstorf und Mitarbeiter der Agentur für Arbeit in Winsen. Der Autor fasst zusammen: "Der Leser steigt bei Uelzen in die Kämpfe ein, erlebt die letzte deutsche Offensive südlich Uelzens und begleitet die Front an Lüneburg vorbei zur Elbe. Er wird Zeuge des Kampfes um die deutschen Brückenköpfe in Artlenburg, Hohnstorf, Bleckede, Neu Darchau und Dömitz." Das Verhandlungsangebot der Briten und die Gespräche am Elbstrand lassen auf ein gutes Ende hoffen. Doch die Bemühungen scheitern, so dass am frühen Morgen des 19. April 1945 die Alliierten noch einmal ihre gesamte Kriegsmaschinerie in Gang setzen. Wer sich weniger für die exakt recherchierten militärischen Bewegungen vor Ort interessiert, profitiert von bisher unbekannten Tatsachen und Details, die mit Hilfe von Zeitzeugenberichten in langjähriger Forschungsarbeit ermittelt werden konnten. Minutiös und hochdramatisch beschreibt Feit aufgrund der neuen Erkenntnisse den 19. April 1945 im Bereich Hohnstorf und Sassendorf.

Die deutsche Führung hatte für den Abend die Sprengung der Elb-Brücke beschlossen. Ziel der britischen Armee war es hingegen, sie einzunehmen. Die Spitze der britischen Infanterie hatte sich bis auf 180 Meter an die Brücke heran geschoben. Ein von den Briten gefangen genommener deutschen Offizier verriet, dass die Brücke mit vier Seeminen versehen sei. Die Briten brachen den Versuch, die Brücke einzunehmen, in letzter Minute ab. Zurückzuführen ist diese Entscheidung auf den britischen Majors Bill Close, der meldete: "Eisenbahnbrücke noch intakt, aber etwa 200 Infanteristen und ein Tiger-Panzer auf der Südseite."

Der Hohnstorfer Zeitzeuge Hans Adolf Ohltmann berichtet über die erste Sprengung: "Am Abend verließen wir den Bunker, um zu Hause Abendbrot zu essen. Plötzlich war der Knall einer Explosion zu hören, ich lief hinaus und konnte meiner Mutter nur noch berichten: 'Mutter, de Brück is in Ors'. Die zurückweichenden deutschen Truppen hatten die Drehbrücke gesprengt. Die zweite Sprengung im Laufe des Abends nahm ich kaum wahr, da wir von diesem Zeitpunkt an nur noch im Bunker saßen."

Durch die gewaltige zweite Explosion wurden in der näheren Umgebung der Brücke die Dächer abgedeckt. Der damalige Hohnstorfer Bahnhof, gegenüber dem heutigen Kindergarten, wurde schwer beschädigt, selbst in Sassendorf waren Glasscheiben zersplittert, Trümmerteile schlugen in Gärten ein. In Lauenburg und offenbar auch Teilen von Hohnstorf war bereits am 18. April die Anweisung erlassen worden, die Fenster zu öffnen, damit der Druck die Scheiben nicht zerstört. Sigrid Kaidas bestätigt: "Bei uns ging durch den Druck der Explosion keine Scheibe zu Bruch. Alle Fenster waren geöffnet und die Scheiben zusätzlich abgeklebt worden."

Die Sprengung der Elbbrücke bei Lauenburg durch die deutschen Truppen hielt die Alliierten bei ihrem Vormarsch nicht auf. Dennoch kämpfte die Mehrheit der deutschen Soldaten kämpfte weiter. "Das ,Warum' bedarf einer Antwort, die haben wir zu geben versucht. Außerdem haben wir versucht zu ergründen, welche Motivation die deutschen Verantwortlichen hatten, hier noch eine Verteidigungslinie zu errichten? Und was dachten die Soldaten in den Stellungen?", sagt Autor Feit. Die Aufarbeitung der dramatischen Ereignisse sei vor allem deshalb gut gelungen, so die Autoren, weil die Quellenlage auf Seiten der westlichen alliierten Truppen sehr gut sei. So stehen die Kriegstagebücher, die so genannten War Diaries der einzelnen Verbände zur Verfügung und in der wissenschaftlichen Fachliteratur findet sich fast jedes Regiment dargestellt. Zweimal reiste Feit zu Recherchearbeiten in das Britische Nationalarchiv nach London. Auf deutscher Seite ist dagegen die Quellenlage problematisch. Bei den Heeresverbänden wurden in den letzten Kriegswochen kaum mehr Kriegstagebücher geführt. Viele Unterlagen fielen einem Vernichtungsbefehl zum Opfer. Das Kriegsende überstanden haben nur vereinzelte Befehle, Meldungen, Berichte. "Auch die persönlichen Aufzeichnungen, Briefe und Niederschriften sind rar", so Feit.

Das Buch ist erschienen im Helios Verlag in Aachen und kostet 28 Euro. Erhältlich ist es bei André Feit. Mehr Informationen unter der Telefonnummer: 0171/504 45.