Ergebnis des Gutachtens: Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg sollen den Kreis Nordostniedersachsen bilden.

Lüneburg. Die Überalterung der Bevölkerung, die hohe Verschuldung vieler Kommunen im Nordosten Niedersachsens zwischen Elbe und Heide zwingt zum Handeln. "Ein weiter so wie bisher wird es nicht mehr geben, weil der Region droht, abgehängt zu werden", sagte Joachim Jens Hesse. Der Staats-, Politik- und Verwaltungswissenschaftler aus Berlin untersucht für die Landesregierung die Kommunalstrukturen in Niedersachsen und gibt Empfehlungen für eine Verwaltungs- und Gebietsreform. Im Auftrag des Landkreises nahm Hesse den Großraum Lüneburg gesondert unter die Lupe. Ergebnis des rund 30.000 Euro teuren vertiefenden Gutachtens: Die Kreise Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg sollen den Kreis Nordostniedersachsen bilden.

Einer Hochzeit der Kreise Lüneburg und Harburg erteilte Hesse eine Absage. "Weil Harburg als umworbener Partner nicht will." Aber auch die Größe eines fusionierten Kreises im Süden Hamburgs mit rund 450.000 Einwohnern widerstrebt ihm, weil die Zeit für Landkreise mit einer solchen Größe noch nicht reif ist. "Daher ist der Norden keine Alternative für Lüneburg."

Verschuldung und Überalterung seien vor allem in Uelzen und Lüchow-Dannenberg inzwischen bestürzend und desaströs, sagte Hesse bei der Präsentation seines 332 Seiten starken Gutachtens im Lüneburger Kreishaus. Die beiden schwachen Kreise und der halbstarke, aber stabile Kreis Lüneburg müssten fusionieren und eine zukunftsfähige Region bilden. "Weil Uelzen alleine nicht überlebensfähig und Lüchow-Dannenberg längst reif für eine Fusion ist." Den Kreis Lüneburg sieht Hesse als Motor für die Region.

An seinen Vorschlag, den Kreis Nordostniedersachsen ins Leben zu rufen, knüpfte er jedoch Bedingungen. "Ohne eine Sonderförderung durch das Land ist das nicht zu stemmen. Lüchow-Dannenberg benötigt eine deutliche Strukturhilfe, eine Sonderbehandlung", so Hesse. Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) warnte davor, Stadt und Landkreis dürften sich finanziell und wirtschaftlich nicht übernehmen. "Es muss deshalb einen finanziellen Ausgleich geben, falls es zum Kreis Nordostniedersachsen kommen sollte", forderte er.

Hesse lehnte in diesem Zusammenhang den Wunsch Mädges nach Kreisfreiheit der Stadt ab. "Die Folge daraus wäre, dass der Kreis Lüneburg ohne die Stadt nicht mehr existent wäre", so der Gutachter. Allerdings gesteht er der Stadt mehr Freiräume zu, um sie finanziell und wirtschaftlich zu stärken. Hesse schlug vor, die Kreisumlage auf den Prüfstand zu nehmen, um die Stadt bei der Abgabe, die die Gemeinden an den Kreis entrichten, zu entlasten.

Landrat Manfred Nahrstedt (SPD) sagte, der Kreis sei zwar bereit, Schwächere mitzunehmen. "Doch ob wir das schaffen können, weiß ich nicht." Er sieht andere starke Landkreise wie den Heidekreis und den Kreis Celle ebenfalls in der Pflicht. Nahrstedt kann sich vorstellen, dass Teile von Uelzen und Lüchow-Dannenberg dort aufgehen.

Eine Variante, die auch Hesse untersucht hat, doch der "Filettierung" gibt er wenig Chancen. Die Effekte würden nicht ausreichen für eine Zukunft Uelzens und Lüchow-Dannenbergs.

Zumal er im Wendland ein riesiges Entwicklungspotenzial im Bereich der erneuerbaren Energien ausgemacht hat. "Der Kreis hat eine Akademie für erneuerbare Energien gegründet. Das ist eine kluge Strategie, die ausbaufähig ist. Weil der Bedarf nach der Energiewende enorm ist."

Ob die Vorschläge des Gutachters in die Tat umgesetzt werden, ist noch mit Fragezeichen versehen. Einerseits müssen die drei Kreise zur Fusion bereit sein, andererseits hat auch der Landtag noch ein gewichtiges Wort mitzureden. Eine Entscheidung fällt nicht vor der Landtagswahl 2013.

Hesse forderte von den drei Kreisen mehr Mut in großräumigem Denken, um den Raum Nordostniedersachsen als Marke zu beleben. Denn, so der Wissenschaftler, im Moment sei die Region in ihrer jetzigen Form weder für die EU, noch den Bund relevant. Daher benötige sie dringend Veränderungen. "Nicht morgen, sondern heute", so Hesse. Und: "Die Kreisreform von oben wird auf jeden Fall kommen."

Ulrich Mädge gab zu bedenken, dass eine mögliche Fusion, wie von Hesse vorgeschlagen, nur funktioniere, wenn Bürger und Räte mitgenommen werden. "Die Region muss über ihre Zukunft selber entscheiden. Und zwar bevor es der Landtag tut", so der Oberbürgermeister. (abendblatt.de)