Der Ausbau der Krippenplätze allein reicht nicht, um die Nachfrage zu decken. Auch mehr Tageseltern werden gebraucht.

Lüneburg. Eva Shedid ist eine begehrte Frau. Seit fünf Jahren ist die Tagesmutter aus Oedeme für viele Eltern, die Familie und Karriere unter einen Hut bringen wollen, häufig die Rettung. Derzeit betreut sie drei Kinder im Alter von einem bis zweieinhalb Jahren. Denn vor allem für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren gibt es derzeit zu wenig Angebote. 600 Plätze gibt es in der Stadt, das entspricht einer Versorgung von 30 Prozent. Seit 2008 ist ein Gesetz in Kraft, dass bundesweit den massiven Ausbau von öffentlichen Betreuungsplätzen vorsieht. Für jedes dritte Kind unter drei Jahren soll ab 2013 ein Betreuungsplatz zur Verfügung stehen, den Eltern ist ein Rechtsanspruch garantiert. Außerdem sollen die Eltern wählen können, wo ihr Kind betreut wird. Mindestens 30 Prozent der Plätze sollen über das Angebot Tagespflege abgedeckt werden.

"Es gibt drei Optionen, wie Tagespflege stattfinden kann", sagt Diplomsozialpädagogin Ursula Lohse, die beim Lüneburger Tageselternverein arbeitet. "Die Kinder können bei der Tagesmutter, im Haushalt der Eltern oder in einer sogenannten Großtagespflegestelle betreut werden." Dagmar Oertzen, die für die pädagogische Leitung des Vereins zuständig ist, ergänzt: "Die Betreuung in der Tagespflege ist familiennah und findet in kleinen Gruppen statt." Anders als in Kitas, die sich jeweils einem speziellen Betreuungskonzept verschrieben haben, lernen die Kinder in der Tagespflege die Struktur des Alltags kennen. Gemeinsame Rituale wie zusammen essen, spielen und regelmäßige Ausflüge an die frische Luft sind besonders wichtig. Häufig haben Tagesmütter oder -väter eigene Kinder, so wie Eva Shedid. Sie liebt Kinder, nicht nur ihre drei eigenen. "Es macht einfach Spaß etwas mit Kindern zu unternehmen." Egal ob auf dem Spielplatz, im Wald oder beim Basteln: In den kleinen altersgemischten Gruppen können die Kinder von einander lernen und individuell gefördert werden.

Wie die Zahl der neu geschaffenen Krippenplätze, steigt auch die Zahl der ausgebildeten Tageseltern. Dafür sorgt ein Qualifizierungsprogramm. Aber vor allem in der Stadt Lüneburg suchen derzeit viele Eltern händeringend einen Betreuungsplatz für ihr Kind. Werden Krippen eröffnet, sind sie binnen kürzester Zeit ausgelastet, der Tageselternverein, der den Kontakt zwischen Eltern und Tageseltern herstellt und vermittelt, verwaltete eine lange Warteliste. "Wir haben festgestellt, dass seit dem Jahr 2006 jedes Jahr 25 Prozent mehr Nachfragen haben. Vor einigen Jahren gab es bei den Kita-Plätzen den Druck, möglichst schnell viele zu schaffen. Das ist gelungen. Jetzt bleibt noch bis 2013 Zeit, um den Rechtsanspruch der Eltern für Kinder unter drei Jahren zu garantieren", sagt Dagmar Oertzen.

Kristina Muschal und Jennifer Habermann stecken mitten in der Qualifizierung, gemeinsam mit 19 anderen Frauen und einem Mann lernen sie in Lüneburg derzeit in 160 Stunden alles über Kleinkindpädagogik und Entwicklungspsychologie, aber auch etwas über Vertragsrecht, was sie später in der Zusammenarbeit mit den Eltern brauchen. Die Motivation, sich als Tagesmutter qualifizieren zu lassen, ist bei beiden ähnlich. "Durch meine Kinder habe ich natürlich Erfahrung und da ich zurzeit nicht in meinen alten Beruf zurück kann, möchte ich anderen Müttern beim beruflichen Wiedereinstieg helfen, sagt Kristina Muschal.

Jennifer Habermann hat die Erfahrung gemacht, dass sie ihren Job als Zahnarzthelferin nicht mit den Betreuungszeiten der Kita vereinbaren kann. "Vor allem, wenn Ferien sind und die Kita geschlossen ist, hatte ich bisher Probleme meine Kinder unterzubringen", sagt die Mutter von zwei Töchtern im Alter von drei und vier Jahren. Außerdem hilft sie ab und zu stundenweise im Online-Handel ihres Mannes aus, aber zeitlich so flexibel sei der Kindergarten nicht immer. Auch ganz praktische Erleichterung für ihren Familienalltag erhofft sich die junge Frau von ihrem Job als Tagesmutter. "Wenn meine Kinder später mal krank sind, macht das nichts, weil ich dann für sie da sein kann." Auch ein anderer wichtiger Aspekt hat für die Entscheidung zu der Qualifizierung eine Rolle gespielt. "Das soll unser zweites Einkommen werden und bei der Versorgung der Familie helfen", sagt die 30-Jährige aus Neetze.

Als Konkurrenz zu öffentlichen Einrichtungen sehen die Mitarbeiter beim Tageselternverein ihr Angebot nicht. Eher als Ergänzung. "Großpflegestellen sind keine billigen Kopien von Krippen, sondern auch dort wird familiennah und altersübergreifend betreut", sagt Dagmar Oertzen. Hinter dem Wortungetüm verbergen sich mindestens zwei Tagesmütter, die in meist extra dafür angemieteten und eingerichteten Räumen Kinder betreuen. Die Marienkäfer, die im Gebäude der Polizei untergebracht sind, sind eine von sechs Einrichtungen dieser Art in Lüneburg.

Eva Shedid liebt nicht nur Kinder, sondern auch ihren Job. Früher hat sie ab und zu auf die Kinder ihrer Nachbarin aufgepasst. Dass daraus einmal eine Berufschance werden würde, hat die 43-Jährige nicht gedacht. Gerade hat sie sich weiterqualifiziert und darf statt bisher drei Kindern künftig fünf betreuen. Derzeit ist sogar noch ein Platz frei.