Die Wirtschaftsförderer in der Region fordern eine bessere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft

Lüneburg/Harburg/Stade. Rund 85 Millionen Euro schwer ist das EU-Großprojekt, der "Innovations-Inkubator" an der Leuphana in Lüneburg. Spitzenforschung soll der Inkubator in Produkte und Dienstleistungen umsetzen, Existenzgründer mit der Wissenschaft verzahnen und neue Arbeitsplätze - besonders in kleinen und mittleren Unternehmen - schaffen. Profitieren sollen kleine und mittelständische Unternehmen aus den elf Landkreisen des ehemaligen Regierungsbezirks Lüneburg, damit sind neben Lüneburg auch die beiden Kreise Harburg und Stade mit im Boot. Soweit die Theorie. Doch die Realität sieht scheinbar anders aus.

In einem Treffen haben die Wirtschaftsförderer der Region im Sommer dieses Jahres ihrem Unmut Luft gemacht. "Die Wirtschaftsförderer sehen mit Sorge, dass die Leitung des Inkubators die Einbindung der kommunalen Ebenen anscheinend nicht als einen wesentlichen Erfolgsfaktor für das Gelingen des Inkubators ansieht", heißt es einem Protokoll des Zusammentreffens (das Schreiben liegt dem Hamburger Abendblatt vor).

Die Leitung des Inkubators habe noch nicht erkannt, dass nur eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe erfolgreich sein kann, heißt es in dem Protokoll der Wirtschaftsförderer. Zurzeit entstehe der Eindruck, dass die Leitung des Inkubators dies nicht wolle. Die Vertrauensprobleme in der Region seien inzwischen sehr groß, heißt es in dem Papier weiter. Dabei war das millionenschwere EU-Projekt gestartet, um mehr Wirtschaftskraft in den vom Mittelstand geprägten, ehemaligen Regierungsbezirk Lüneburg zu bringen. Hauptsächlich mittlere und kleinere Unternehmen sollen demgemäß von den EU-Mitteln profitieren.

Die Kritik hat inzwischen auch die Landeshauptstadt erreicht. Nach Informationen des Abendblatts liegt der Landesregierung in Hannover ein vertraulicher Brief der beiden Landkreise Rotenburg und Osterholz vor, in dem sich beide Kreise darüber beschweren, dass ihre Unternehmen noch nichts von den Segnungen des Inkubator gemerkt hätten. Siegfried Ziegert, Wirtschaftsförderer des Landkreises Osterholz, sagt: "Viele hätten sich eine bessere Zusammenarbeit und eine bessere Verankerung des Hochschulprojektes in der Region gewünscht." Es sei eine "Unverhältnismäßigkeit" zwischen dem Geld, das die EU in das Projekt steckt und dem Nutzen aus dem Projekt für die Region erkennbar, so Ziegert. Da gebe es andere Projekte, die mit weniger Fördermittel schon weit mehr greifbare Erfolge für die Region gebracht hätten.

Mit einer Anfrage an die Landesregierung wollen nun die Linken im Landtag klären, wer vom Inkubator profitiert. "Es sind zunehmend Stellungnahmen von Vertretern aus Politik und Wirtschaft aus der Region zu hören, die zum Inhalt haben, dass kleine und mittelständische Unternehmen nicht wie erhofft vom Innovationsinkubator profitieren, obwohl sie die Hauptzielgruppe sind", sagt Victor Perli, hochschulpolitischer Sprecher der Linken.

Auch Michael Zeinert, Hauptgeschäftsführer der IHK Lüneburg-Wolfsburg, kennt diese Argumente. "Es gab vieles, was nicht gut lief. Ich gehe davon aus, dass es inzwischen deutlich besser läuft. Dass mehr auswärtige und große Unternehmen bis jetzt am Inkubator beteiligt sind, ist bekannt. Aber es wäre auch ein Fortschritt, wenn sich langfristig auswärtige Firmen hier niederließen. Natürlich wäre es schön, wenn mehr kleinere und mittlere Unternehmen aus der Region beteiligt wären", sagt Zeinert. Bis jetzt habe das Projekt nicht das beste Image, räumt er ein - er geht davon aus, dass es sich um Anlaufschwierigkeiten handelt.

Auch Wilfried Seyer, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft im Landkreis Harburg (WLH) in Buchholz kann den bisherigen Nutzen des Innovations-Inkubators nicht recht sehen. "Nach mehreren ernst gemeinten Versuchen der Zusammenarbeit, die alle an den Zuständigen des Inkubators scheiterten, werde ich jetzt die nächsten zwei Jahre mal abwarten, was das Projekt wirklich bringt. Aber wahrscheinlich muss man bei derart großen Würfen mehr Geduld haben." Seyer hatte die Zielsetzung des Leuphana-Projektes offensichtlich nur allzu wörtlich genommen und mehrere Unternehmen mit innovativen Ideen an das Uni-Projekt weiter empfohlen. Sie wurden alle abgelehnt. Darunter auch ein Buchholzer Unternehmen, das ein Programm für ein Verkehrsleitsystem für die südliche Metropolregion entwickelt hatte. Die Macher des Inkubators fanden diese Idee offensichtlich nicht innovativ genug, um in das EU-Projekt aufgenommen werden zu können.

Auch in der Kreisverwaltung des Landkreises Harburg steht man dem Innovations-Inkubator eher skeptisch gegenüber. Bislang sei noch recht wenig von der Effektivität des Projektes im Kreis Harburg angekommen. Das Projekt, so ein Mitarbeiter der Kreisverwaltung, habe "große Erwartungen in der Region geweckt, diese Erwartungen bislang aber nicht befriedig".

Im Landkreis Stade scheint vom Innovations-Inkubator überhaupt noch nichts angekommen zu sein. Joachim Porada, Kreisvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung Stade/Buxtehude: "Der Begriff Innovations-Inkubator sagt mir grundsätzlich gar nichts. Wir hätten eigentlich davon in Kenntnis gesetzt werden müssen."

Henning Zühlsdorff, Sprecher der Leuphana, räumt ein, dass der Bekanntheitsgrad des Inkubators noch ausbaufähig sei. Die Kritik an dem Projekt selbst aber weist er von sich. Es seien bereits im Rahmen der Arbeit des Inkubators fast 100 Kooperationsvereinbarungen mit Unternehmen geschlossen worden. Natürlich, so Zühlsdorff weiter, brauche es Zeit, um langfristig solche Projekte in Gang zu bringen, denn jedes Projekt solle auf Sicht gesehen auf eigenen Beinen stehen können. Unabhängige Prüfstellen kontrollierten sehr genau, wofür das EU-Geld ausgegeben werde.