Nach der Wahl sprechen sich SPD-Vertreter für eine Fortführung der Gruppe mit der CDU aus. Junge Christdemokraten winken aber ab.

Lüneburg. Der Rat der Hansestadt Lüneburg wird bunter. 13 der zukünftigen 42 Mitglieder werden Neulinge sein, wenn das Gremium am 3. November zum ersten Mal tagt. Bis dahin entscheidet die alte Gruppe aus SPD und CDU. Was danach passiert, ist völlig offen: Möglich wären Zusammenschlüsse von SPD und CDU, SPD und Grünen sowie Grünen und CDU.

Der Grund dafür ist der enorme Zuwachs von Bündnis 90/Die Grünen. Elf Prozent und vier Sitze mehr bedeuten eine anderthalb Mal so große Fraktion wie bislang: zwölf statt acht Sitze. Doch ob Fraktionschef Andreas Meihsies eine Chance sieht, in Zukunft mit seiner Fraktion in der Stadt zu regieren, ließ er gegenüber der Rundschau offen. "Die stärkste Fraktion lädt zu Gesprächen ein. Bisher hat die SPD uns als Koalitionspartner klar abgelehnt. Die letzten Gespräche mit der SPD waren Scheingespräche", sagte er.

Die Schwerpunkte seiner Arbeit in der nächsten Amtsperiode des Rates und damit die Themen, die bei Koalitionsgesprächen den Ausschlag geben werden, seien: "Wichtig ist die lokale Energiewende, das ist ein Kernthema. Auch die Standortfrage für den Flugplatz muss auf den Tisch, alle Themen der Stadtentwicklung sind wichtig. Bei der Kultur wollen wir unbedingt das Theater Lüneburg finanziell sichern." Eines steht für Meihsies nach diesem Abend allerdings fest - egal, welche Gruppenbildung es geben wird: Der Oberbürgermeister (OB) werde nicht mehr wie bisher durchregieren können.

22 Stimmen braucht eine Gruppe in dem 42-köpfigen Gremium (ohne OB) für eine Mehrheit. Die kann theoretisch auch von anderen Parteien gebildet werden, als der des Oberbürgermeisters. So gehörte am Sonntagabend zu den ersten Gratulanten der grünen Wahlsieger der CDU-Bundestagsabgeordnete Eckhard Pols. Spätestens seit dem Zwist um Sparkassenfusion und Disziplinarverfahren ist er nicht gut auf den Gruppenpartner SPD und deren OB Ulrich Mädge zu sprechen.

"Es gibt neue Mehrheiten in der Stadt, das ist eine Tatsache. Die CDU hat unter der Gruppenbildung mit der SPD gelitten, die Profilbildung unserer Partei hat das erschwert. Daraus müssen wir lernen. Ich denke, es wird Konsequenzen an der Spitze der Stadtratsfraktion der CDU geben", sagte Pols. Und ließ gleichzeitig wissen, er könne sich in Zukunft auch Schwarz-Grün vorstellen. Während die Grünen allerdings im Wahlkampf für die Energiewende mit eigenen Stadtwerken warben, hatte sich die CDU im Vorwege der Wahl klar gegen die Gründung eines städtischen Versorgers ausgesprochen: nicht finanzierbar.

Trotzdem nahm Andreas Meihsies strahlend die guten Wünsche von Pols entgegen und bedankte sich beim CDU-Mann für dessen Unterstützung im Disziplinarverfahren gegen den Ersten Stadtrat Peter Koch. "Hier hast du ganz klar Flagge gezeigt", sagte Meihsies zum Kreisvorsitzenden der CDU, der Mädge (SPD) für sein Verhalten in dieser Angelegenheit öffentlich rügte.

Fast sechs Prozent der Stimmen und zwei Sitze eingebüßt hat die CDU, die am Abend trotzdem in großer Zahl bis zum späten Abend im Gasthaus "Krone" ausharrte. Zehn Plätze, drei davon mit neuen, jungen Kandidaten, werden die Christdemokraten besetzen. "Jetzt heißt es, in den nächsten fünf Jahren die Sache besser zu machen", sagte Noch-Fraktionschefin Regina Baumgarten. Eberhard Manzke konstatierte, es "hätte schlimmer kommen können", und Evelin Tiedemann resümierte: "Wir liegen im Bundestrend." Für Max Kroll, nicht wieder im Rat vertreten, war jedoch klar: "Wir sind selbst Schuld und sollten nicht mit dem Finger auf andere zeigen."

Bei der SPD herrschte am Wahlabend im "Capitol" ruhige Gelassenheit - trotz 8,5 Prozent Stimmenverlust und zwei Sitzen weniger (14 statt bisher 16 plus OB). Bürgermeister Eduard Kolle konnte sich dennoch freuen, dass seine Partei in der Stadt erneut die stärkste Fraktion stellt. Gleichzeitig sprach er sich für das Fortführen der bisherigen Gruppe aus. "Für mich ist das gute Abschneiden der Grünen erstaunlich, ich setze weiter auf unseren alten Koalitionspartner. Für mich persönlich ist die CDU die bessere Option, aber ich kann auch mit Rot-Grün leben. Wir haben mit der CDU gut zusammengearbeitet, aber meine Präferenz hat absolut nichts mit Personen zu tun", sagte Kolle, der gerne noch eine Amtszeit Bürgermeister in Lüneburg bleiben würde.

Etwas bedeckter gab sich SPD-Fraktionschef Heiko Dörbaum. Der Rundschau sagte er: "Ich bin etwas enttäuscht, dass wir unseren Erfolg vom letzten Mal nicht fortsetzen konnten, aber wir sind die stärkste Fraktion. Für uns ist es wichtig, die erfolgreiche Arbeit der letzten Amtszeit fortzusetzen. Ich persönlich sehe, dass wir mit der CDU erfolgreich waren. Ansonsten müssen jetzt die Gremien der Parteien tagen. Danach können wir mehr sagen, wenn auch die Entscheidungsfindung der anderen fortschreitet."

Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD), dessen eigene Fraktion bei der Wahl stark eingebüßt hat, ließ nach der Wahl über die Pressestelle der Stadt verlauten: "Die Arbeit im neuen Rat wird mit sieben Gruppierungen nicht einfacher, aber die Wählerinnen und Wähler haben entschieden. Die Verwaltung wird mit allen demokratisch gewählten Kräften gleichermaßen zusammenarbeiten." Gleichzeitig hatte er jedoch bereits öffentlich angedeutet, die Arbeit der Gruppe fortsetzen zu wollen.

Doch während die SPD-Dreierspitze aus Mädge, Kolle und Dörbaum die Fortsetzung der Arbeit mit der CDU will, winkten Christdemokraten am Wahlabend ab. Die Meinung des Stadtverbands ist laut der Vorsitzenden Evelin Tiedemann klar: "Wir wollen sparen. Wenn das nicht geht, gehen wir gerne in die Opposition."

Auch die beiden neuen Ratsmitglieder Niels Webersinn und Manuela Vossenberg sagten der Rundschau, die Jungen in der CDU wollten nicht erneut eine Gruppe mit der SPD, sondern klare eigene Akzente setzen. Schützenhilfe bekamen sie von Pols: "Ich persönlich will keine Gespräche mit der SPD. Entscheiden muss das aber die Fraktion."

Und die besteht neben Pols aus drei neuen Kandidaten, bekannt als Gruppen-Gegner, und jenen sechs weiteren Frauen und Männern, die in den vergangenen fünf Jahren oft mit der SPD die Hände gehoben haben - außer beim Thema Sparkassenfusion.