Im Interview erzählt Theaterintendant warum die Aufführungen des Theaters einen gigantischen Sprung gemacht haben.

Lüneburg. Am kommenden Wochenende startet das Theater Lüneburg in seine 66. Spielzeit. Die Lüneburger Rundschau hat sich mit Intendant Hajo Fouquet über das vergangene Jahr und die Zukunft des Hauses unterhalten. Die Fragen stellte Maike Schade.

Lüneburger Rundschau: Herr Fouquet, Sie sind seit einem Jahr hier. Wie ist Ihr Resümee?

Hajo Fouquet: Sehr positiv. Ich denke, dass wir es geschafft haben, mit dem neuen Team, mit den neuen Ideen, die wir mitgebracht haben, auch wirklich dieses Publikum und diese Stadt zu erreichen. Man merkt auch, dass alle Künstler jetzt hier leben - das war früher anders. Sie haben sehr viel mehr Zeit, am Leben in dieser Stadt und an unserer Arbeit teilzunehmen. Das ist die kleine Lesung, das ist das kleine Programm. Obwohl wir ein kleines Theater sind, können wir das Gefühl vermitteln, dass wir pulsieren mit unserer Arbeit.

Ich habe festgestellt, dass das Theater Lüneburg ja sogar wieder überregional stattfindet.

Fouquet: Ja, das kann man ja sogar an einer Zahl festmachen. Wir sind viermal so häufig wahrgenommen worden in der Presse als davor. Und das von einem auf das andere Jahr, das ist natürlich ein gigantischer Sprung.

Wenn wir jetzt schon bei Zahlen sind: In letzter Zeit war das Theater ja vor allem aufgrund seiner finanziellen Lage in den Schlagzeilen. Wie ist denn da die aktuelle Lage?

Fouquet: Die aktuelle Situation ist folgende: Es fehlt Geld. Stadt und Landkreis haben sich bereit erklärt, das Finanzierungsloch in Höhe von 400 000 Euro mit jeweils 100 000 Euro zu verkleinern. Unsere Hoffnung bestand darin, dass das Land anteilig sagt: Unsere 200 000 Euro kommen jetzt auch noch obendrauf. Genau da ist der Knackpunkt. Das Land hat gesagt: Wir haben im Vorfeld ja schon mehr Geld gegeben, wir geben jetzt nicht mehr. Die positive Nachricht für alle ist: Das, was in den vergangenen Jahren überhaupt nicht gezahlt wurde, nämlich Tarifsteigerungen, werden mit den neuen Verträgen ab 2012 von allen Partnern anteilig übernommen. Unterm Strich können wir sagen: Wir werden ein Defizit haben, jedoch kann unsere Existenz so, wie sie jetzt ist, weitergeführt werden.

Für wie lange?

Fouquet: Der Vertrag mit dem Land dauert jetzt erst einmal drei Jahre, von 2012 bis 2014.

Eine Reduzierung der Spielzeit, so wie es sie schon einmal gab...

Fouquet: ...ist zum Glück überhaupt kein Thema.

Mal ganz dreist gefragt: In Zeiten von 3D-Kino und Home-Cinema - wozu braucht man Theater überhaupt noch?

Fouquet: Ich denke, dieses gemeinsame Erleben in einer Gruppe, das hat man im Kino zwar auch, aber die Kommunikation ist in einem Kino eine andere. Da ist doch mehr jeder für sich, als in einem Theater. Dieses Risiko, das jede Vorstellung bedeutet, dass es ein Unikat ist - das kann gut gehen, das kann auch daneben gehen - es ist jeden Abend anders. Ich rieche, dass die Leute arbeiten, da kommt ein Duft von der Bühne. Da kommt ein Wind, wenn der Vorhang aufgeht. Da ist ein Licht, das auch mal flackert. Da sind die Dinge, die gut, und die vielleicht auch mal nicht klappen. Das ist, glaube ich, die Lebendigkeit von Theater. Man sieht die Leute da oben schwitzen und bluten. Und das ist echt. Ich sage nichts gegen Filme, aber der Film bleibt immer gleich. Dadurch, dass wir auch Dramaturgen wie Autoren oder Regisseure haben, die vor Ort sind, sind wir in der Lage, eine Arbeit zu machen, die ganz dicht an dem Betrachter dran ist und ihn begleitet.

Wenn ich mir den Spielplan für die kommende Saison ansehe, dann ist der relativ risikofrei. Gibt es auch Produktionen, bei denen Sie ein Risiko eingehen, oder können Sie sich das finanziell gar nicht mehr leisten?

Fouquet: Ich denke, dass man immer ein Risiko eingeht. Letztes Jahr haben wir einen Freischütz gemacht, ein Null-Risiko-Stück. Es gab aber eine - ich sage mal - große inhaltliche Auseinandersetzung, ob dieser Freischütz so gewollt war. Ich glaube, nicht der Titel entscheidet. Ich glaube, dass der Spielplan auch wirklich spannend ist. Wenn ich an "Grönholm-Methode" denke, zum Beispiel. Das ist ein Werk, das eher selten gespielt wurde, welches sich aber mit unserem Heute auseinandersetzt. Ich denke, dass im Musiktheater zum Beispiel der Giovanni eine ganz große Herausforderung ist: Schafft man so ein Stück? Und wie macht man es? Wie deutet man es? Bei den Ballettabenden greifen wir ja nicht zurück auf bestehende Stoffe, sondern wir finden Themen, die wir dann zu einer Geschichte formen. Das sind Uraufführungen pursten Wortes.

Mir wurde gesagt, die Künstler haben heute einen unheimlichen Arbeitsaufwand. Die haben richtig viel zu tun, viel mehr als es früher der Fall gewesen ist. Wie lange können Sie das denn überhaupt wuppen?

Fouquet: Ich glaube, dass wir darauf achten, dass die Leute intensiv, aber nicht zu viel zu tun haben und dabei nicht über ihre Leistungsgrenze gehen. Man kann auch was anderes sagen: Schauspieler, Sänger und Sportler wollen bewegt werden. Die sind heiß darauf, sich zu zeigen! Das ist das schöne an diesem neuen Team. Es gibt anscheinend zurzeit ein Klima im Haus, wo man die Arbeit als etwas sehr Schönes empfindet. Und da bin ich natürlich glücklich.

Wenn Sie uns ein Bild malen müssten: Wie sieht das Lüneburger Theater in zehn Jahren aus?

Fouquet: Ich möchte den ersten Schritt, den wir getan haben, natürlich verstetigen. Ich möchte, dass wir weiterhin gute Kunst machen. Und ich möchte, dass wir unsere Politik überzeugen, dass wir wichtig sind. Ich halte uns für wichtig. Ich möchte nicht teures Theater machen. Aber ich möchte für Qualität einfach noch erweiterte Möglichkeiten haben. Irgendwo einen Spezialisten holen, der eine Leistung besonders gut erbringt. Dafür hätte ich gerne ab und zu Geld. Die Spielräume sind im Moment bei uns äußerst gering.

Was wäre denn so ein Traum?

Fouquet: Wie viel Millionen (lacht)?

Wenn wir jetzt gerade beim Geld sind: Sie spielen doch auch etwas ein, oder?

Fouquet: Ja ja, klar. Wir spielen gut rund eine Million Euro selber ein.

Von?

Fouquet: Von siebeneinhalb Millionen. Wir werden versuchen, die Einnahmen ein bisschen zu steigern, das haben wir auch schon bekannt gegeben. Durch die etwas schwieriger werdende wirtschaftliche Situation sehen wir uns genötigt, nach einer gewissen Phase der Ruhe moderat die Preise zu erhöhen.

Wie hoch ist denn die Auslastung?

Fouquet: Die durchschnittliche Auslastung in allen drei Häusern liegt bei weit über Mitte Siebzig Prozent. Das ist insgesamt eine sehr gute Auslastung. Und wir haben es geschafft, dass in allen drei Spielstätten ungefähr die gleiche Auslastung ist. Das T.NT hatte in den vergangenen Jahren doch eine etwas überschaubare Auslastung, aber die haben wir durch sehr viele Eigenproduktionen deutlich verbessern können. Da sind jetzt fünfzig bis sechzig Prozent mehr Besucher gewesen, so dass wir da auch auf einer tollen Zahl sind. Bei rund 400 Vorstellungen, die wir gespielt haben, haben wir fast 95 000 Besucher.

Das Rundschau-Interview mit Hajo Fouquet können Sie am 4. September, zwischen 16 und 18 Uhr in der Sendung "The Theater Lüneburg Radio Show" bei Radio ZuSa (88.0, 89.7 und 95.5 MHz) hören.

Weitere interessante Termine:

Am Sonnabend, 3. September, finden zwei Premieren statt: um 19 Uhr "Krieg" in der Inszenierung von Sabine Bahnsen im T. 3, um 21 Uhr "Mr. Pilks Irrenhaus" im T.NT Studio. Hier führt Matthias Herrmann Regie. Anschließend wird im Zelt gefeiert.

Das Theaterfest am Sonntag, 4. September, startet um 11.15 Uhr mit dem Kinderkonzert "Peter und der Wolf". Weiter gibt es Puppentheater, öffentliche Proben, Trailershows im T.3 und T.NT, Workshops, Flohmarkt und vieles mehr. Um 19 Uhr beginnt die Abendgala.

www.theater-lueneburg.de