Sie sollen informieren und überzeugen. Wahlplakate sind umstritten aber trotz Internet-Kommunikation nicht aus der Mode

Lüneburg. Wer in diesen Tagen durch Lüneburg spaziert, sieht sie an wichtigen Kreuzungen und Hauptstraßen, in vielen alten Gassen der Innenstadt: Wahlplakate.

Sie sollen auffallen, die wichtigsten Botschaften der Parteien bündeln und Wähler überzeugen, zur Kommunalwahl am 11. September abzustimmen. Obwohl inzwischen alle Parteien auch auf kommunaler Ebene über ihre Arbeit im Internet berichten und Foren zur Mitwirkung zur Verfügung stellen, ist kurz vor dem Urnengang das Wahlplakat noch die Nummer eins, wenn es darum geht, die Aufmerksamkeit der Wähler auf sich zu lenken. Zwei Wochen vor der Abstimmung sind die Parteien mitten in der heißen Phase des Wahlkampfes.

Hiltrud Lotze ist derzeit kaum zu übersehen. Die Vorsitzende der SPD in Lüneburg lächelt gemeinsam mit drei weiteren Spitzenkandidaten von mehr als 300 Plakaten. Von den Herren, die alle Anzüge in gedeckten Farben tragen, hebt sich Hiltrud Lotze im Vordergrund deutlich ab. Die auffällig grüne Jacke sei nicht als politisches Statement zu verstehen, sagt die Ratsfrau lachend. Es sei allein um einen optischen Hingucker gegangen. Die Entscheidung für einen Personenwahlkampf fiel schnell. "Wir haben uns intern abgesprochen und entschieden, dass dieses Plakat alle 56 Spitzenkandidaten repräsentieren soll." Im Kreis werben ebenfalls drei Kandidaten mit ihrem Konterfei um Wählerstimmen für die SPD.

Dass die Plakate erst kurz vor dem Wahlgang im Stadtbild präsent sind, geht auf einen Konsens im Rat zurück. "Eigentlich dürfen die Plakate seit Anfang August hängen. Aber aufgrund der Sommerferien haben wir fraktionsübergreifend vereinbart, die Touristen und Besucher der Stadt mit den Plakaten noch ein bisschen zu verschonen", sagt Hiltrud Lotze. Dabei sind auf dem Marktplatz, vor dem Rathaus und in der Straße An den Brodbänken Wahlplakate generell tabu, teilt Stadtsprecherin Suzanne Moenck mit.

Torbjörn Bartel kandidiert für einen Sitz im Stadtrat und tritt für die Piraten-Partei an. Seinen ersten Wahlkampf erlebt er als anstrengend, weil er mit viel Arbeit verbunden ist. Trotzdem mangelt es nicht an Herzblut. "Wir sind jünger als die anderen Parteien und kommunizieren untereinander viel im Internet. Relevante Themen und Bilder werden von den Mitgliedern bundesweit gesammelt, gespeichert und diskutiert. Steht eine Wahl an, benennt der Landesverband die Kernthemen, die Wählerstimmen bringen sollen."

In Lüneburg soll vor allem die Forderung nach mehr Mitbestimmung der Bürger in politischen Prozessen möglichst viele überzeugen, ihr Kreuz bei den Piraten zu machen. "Wir haben verschiedene Vorschläge gemacht und uns dann gemeinsam für die einzelnen Motive und Slogans entschieden", sagt der 28-Jährige. Viel diskutiert wurde am Ende über vermeintliche Kleinigkeiten: "Die Schriftgröße oder die Satzstellung waren da unter anderem Thema", sagt Bartel. Was bei der Mehrheit der Mitglieder besser ankam, kam aufs Plakat. "In einer Nacht- und Nebelaktion" haben die Piraten ihren Coup in Lüneburg gelandet. Mehr als 200 ihrer Plakate mit verschiedenen Motiven sind seit Anfang August an Laternenpfählen überall in der Stadt zu sehen. "Wir haben schon viel positiven Zuspruch zu den Plakaten bekommen, besonders im Internet."

"Der Papierwahlkampf, in dem man Flyer und Broschüren verschickt, nimmt ab. Heute sind doch andere Informationskanäle wie das Internet viel wichtiger", sagt auch Ratsherr Frank Soldan, der für die Freien Demokraten kandidiert. Trotzdem setzt auch die FDP auf klassische Plakatwerbung. Während im Kreis das Thema Mittelstand in den Vordergrund gerückt wird, sollen in der Stadt Personen Sympathie und Stimmen gewinnen. Nicht nur inhaltlich, sondern auch logistisch hat der Landesverband die Lüneburger FDP unterstützt: Im Kreis hängen die meisten Plakate schon. In der Stadt sind die etwa 200 Plakate der Liberalen erst seit wenigen Tagen zu sehen. Die Entscheidung für personalisierte Plakate fiel schnell. "Wir wollten nicht auf austauschbare Slogans setzen, sondern auf die Spitzenkandidaten."

Das sieht Peter Luths ganz anders. Den Christdemokrat, der im Lüneburg Stadtrat sitzt, treibt die grundsätzliche Frage um, ob im Wahlkampf überhaupt plakatiert werden soll. "In anderen Kommunen, wie zum Beispiel in Soltau, wird gar nichts mehr aufgestellt und geklebt. Zumal der Effekt umstritten ist und viele Bürger die Plakate nicht mehr sehen können."

Auch sei der Aufwand nicht zu unterschätzen. Viel Zeit und Geld sei nötig, um Wähler auf diesem Weg zu informieren. "Da müssen Fotos gemacht werden, da muss geklebt werden und beschädigte Aufsteller repariert werden."

Im aktuellen Wahlkampf setzt die CDU auf Slogans und schlichte Gestaltung, bei der der Landesverband unterstützend zur Seite stand. Luths verspricht, in den kommenden Tagen weitere Motive. Kandidaten werden nicht zu sehen sein. "Schon aufgrund der Zuschnitte der Wahlkreise in Stadt und Kreis lässt sich das schwer machen." Auch mehr auf Themen statt auf Gesichter setzt die Partei Die Linken. "Wir haben kontrovers diskutiert und das Ergebnis sind 90 Prozent Themenplakate, auf den restlichen sind Kandidatengruppen abgebildet. Außerdem haben wir uns bewusst für Lüneburger Themen entschieden", sagt Kreisverbandssprecher Michél Pauly. Auf kommunaler Ebene gehe es für die Wähler stärker um konkrete Themen, als um die Personen.

Damit die Positionen auf den roten Plakaten gut zu lesen sind, hat der Landesverband den Lüneburger Wahlkämpfern verraten, wie die richtige Druckerfarbe heißt und welche Abstände und Schriftgrößen nötig sind. Die Kernthemen der Linken stammen aus dem Wahlprogramm, das sie im Mai verabschiedet haben. Die Schaffung eigener Stadtwerke, ein neues Konzept für die Alte Musikschule und eine neue Gesamtschule sollen Wähler in Stadt und Landkreis überzeugen. Wahlkampf ist für Michél Pauly nichts Neues mehr, zum dritten Mal ist er dabei. Relativ frisch sind noch die Plakate der Grünen. "Wir hängen traditionell erst etwas später unsere Plakate auf", erklärt Ortsgruppen-Sprecherin Ariane Mahlke-Voß, "denn wir haben festgestellt, dass die Leute sich sowieso erst in den letzten zwei, drei Wochen vor der Wahl für das Thema interessieren. Und bei dem ständigen Regenwetter sehen die Plakate ja auch ohnehin schnell nicht mehr so schön aus." Entworfen werden die Plakate auf Landesebene. "Wir werden dann eingeladen, und die Plakate werden vorgestellt." Wie bei den Grünen üblich, wurde dann im Team abgestimmt, welche der in Hannover vorgestellten Plakate in Lüneburg aufgehängt werden sollten. Das Ergebnis der Diskussion sind acht Themenplakate, auf denen zentrale grüne Anliegen formuliert sind: die Förderung regenerativer Energien, der Ausbau des Nahverkehrs, Tier- und Naturschutz. "Wir machen das klar!", so der Slogan auf allen Plakaten.

Wie lange die Plakate hängen bleiben dürfen, weiß Stadtsprecherin Suzanne Moenck. Sind drei Tage nach der Abstimmung die Pappaufsteller nicht weggeräumt und die Laternenpfähle wieder frei, müssen die Aufsteller für die Entsorgungskosten aufkommen.