Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) verteidigt öffentlich seine Entscheidung für das Disziplinarverfahren gegen Peter Koch.

Lüneburg. Am kommenden Dienstag werden Lüneburgs Kommunalpolitiker aller Voraussicht nach das Disziplinarverfahren gegen den Ersten Stadtrat Peter Koch in ihre Verantwortung ziehen. Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) wäre dann nicht mehr Herr des Verfahrens. Gleichzeitig verteidigt der Verwaltungschef in einer öffentlichen Erklärung seine Gründe für die Einleitung der Untersuchung gegen seinen Stellvertreter. Dessen Anwalt kritisiert Mädges Vorgehen stark.

Wie berichtet, hatten die Sprecher der Gruppe aus SPD und CDU bislang öffentlich geäußert, sie würden das Verfahren um mögliche Fahrlässigkeit von Beamten bei der Anmietung von Räumlichkeiten für die städtische Jugendwerkstatt erst an sich ziehen, wenn der endgültige Bericht des Ermittlungsbeauftragten vorliege. Nach Informationen der Rundschau soll nun jedoch bereits in der nächsten Sitzung des Verwaltungsausschusses (VA) am 23. August ein Beschluss gefasst werden, um das Verfahren zu beschleunigen und die Möglichkeit der Einsicht in die Disziplinarakte für die Mitglieder des Ausschusses schneller zu gewährleisten.

In die Disziplinarakten können die Mitglieder des VA laut Verwaltung erst dann Einsicht nehmen, wenn der Ausschuss einen entsprechenden Mehrheitsbeschluss gefasst hat. Gegenüber der Rundschau sagte Oberbürgermeister Mädge gestern dazu: "Der Antrag der Gruppe liegt vor. Es soll - nach meiner Interpretation - ein sogenannter Vorratsbeschluss gefasst werden, um Zeit zu sparen. Zieht der VA am Dienstag das Verfahren an sich, ist damit die Akteneinsicht nach Vorlage des Abschlussberichts verbunden."

Die Akten erst nach Vorlage des Berichts einsehen zu können, wird einzelnen VA-Mitgliedern nicht reichen. Wie berichtet, sind die Grünen bereits vor das Verwaltungsgericht gezogen, um entsprechende Rechte zu erhalten. Weitere Anträge und juristische Auseinandersetzungen sind trotz Heranziehung des Verfahrens programmiert.

Die Stadt hat nach Informationen der Rundschau noch bis Ende nächster Woche Zeit, dem Verwaltungsgericht ihre Stellungnahme zur Klage der Grünen zukommen zu lassen. Anwalt Dr. Ernst Ludwig Nell, der die Politiker vertritt, sagte der Rundschau: "Wir sind zuversichtlich, dass das Gericht unserer Auffassung folgt."

Oberbürgermeister Mädge verteidigte derweil öffentlich seine Entscheidung, ein Verfahren gegen Peter Koch und zwei weitere Beamte angestrengt zu haben. "Der Stadt ist ein Schaden entstanden. Daher musste untersucht werden, wo Fehler gemacht worden sind und ob diese disziplinarrechtlich zu ahnden sind", heißt es in seiner schriftlichen Äußerung, die die Stadtpressestelle der Rundschau gestern zugeschickt hat. Die Rundschau hatte am Mittwochabend um Stellungnahme zu einem internen Papier des Rechtsamts der Stadt gebeten, in dem steht, es lägen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen würden. Eine dienstrechtliche Verfehlung lasse sich nicht erkennen.

Das Papier kennt auch Kochs Anwalt Dr. Max Matthiesen. Der Rundschau sagte er: "Daraus geht hervor, dass Herr Koch seine Dienstpflichten in vollem Umfang erfüllt hat. Da gibt es nichts zu deuten." Dass Oberbürgermeister Mädge öffentlich äußert, der Stadt sei durch die Anmietung der Räume am Pulverweg ein "Schaden entstanden", kann Matthiesen "nicht nachvollziehen". Der Rundschau sagte er: "In meinen Schriftsätzen, die der VA bislang nicht einsehen durfte, habe ich umfänglich dargelegt, dass Herr Koch keinen Schaden verursacht hat. Und wenn es tatsächlich einen Schaden gibt, stellt sich automatisch die Frage der Verantwortlichkeit des Oberbürgermeisters."

Ein entsprechendes Untersuchungsverfahren gegen Mädge hat die Fraktion der Linken wie berichtet bereits beim Niedersächsischen Innenministerium beantragt. Dazu sagte Mädge der Rundschau: "Das ist Beamtenrecht. Ich müsste ein solches Verfahren auch ertragen." Der Kritik Matthiesens erwidert er: "Ich habe mich nicht inhaltlich zum Verfahren geäußert. Dass der Stadt ein Schaden entstanden ist, ist aus meiner Sicht unstrittig. Die Frage ist, ob der Schaden fahrlässig oder grob fahrlässig von jemandem zu verantworten ist."

Mädge sieht das Verfahren als Wahlkampfthema missbraucht. Er sagte, er hoffe darauf, dass die Menschen öffentliche Äußerungen dazu "selbst einordnen und bewerten können".