Das niedersächsische Schulgesetz sieht künftig eine frühere Einschulung vor. Ist das denn auch wirklich gut für unsere Kinder?

Lüneburg. Hurra, hurra, die Schule geht los! 666 kleine Lüneburger werden am Sonnabend eingeschult. Erstmals sind darunter regulär Kinder, die erst jetzt im August sechs Jahre alt geworden sind, kommendes Jahr ist der Stichtag der 30. September: Das niedersächsische Schulgesetz sieht künftig eine frühere Einschulung vor. Ist das denn wirklich gut für unsere Kinder?

Barbara Geck, Leiterin der Heiligengeistschule Lüneburg und Vorsitzende des Netzwerks der Lüneburger Grundschulrektoren (NLGR), sagt dazu laut und deutlich "Ja": "Je früher eine gute, spielerische Förderung beginnt, desto besser ist das für die Entwicklung." Im europäischen Vergleich sei die Einschulung in Deutschland immer noch recht spät.

Aber sollte man ein Kind nicht lieber doch noch ein Jährchen länger spielen lassen? "Nein", so Geck überzeugt. "Das geht häufig nach hinten los. Die Kinder bekommen im Laufe des Jahres vor Langeweile oft massive soziale Probleme im Kindergarten, die sich in der Schule dann meist in Nichts auflösen". Andersherum komme dies aber natürlich auch vor.

"Man muss einfach sehr genau auf den Entwicklungsstand gucken", erklärt die Rektorin. Schließlich könnten Kinder, die noch nicht Schulreif seien, nach wie vor völlig problemlos zurückgestellt werden. Ob es in diesem Schuljahr aber wegen der früheren Einschulung mehr Rückstellungen als in den Vorjahren gab, konnte bis Redaktionsschluss nicht geklärt werden. "Alle Kollegen, die die Schuleignungsuntersuchungen durchführen und diese Zahlen vorliegen haben, sind im Urlaub", erklärte Dr. Petra Heise vom Gesundheitsamt. "Dazu sind sie angehalten, denn vor den Ferien häufen sie unheimlich viele Überstunden an, um auch wirklich jedes Kind optimal einschätzen zu können."

Die Entscheidung, ob ein Kind die Schule besuchen soll oder nicht, fällt letztendlich aber der Schulleiter. "Wir fragen erst einmal allgemeine Sachen ab, Name, Adresse, Geburtstag, solche Dinge. Schließlich muss sich ein Kind zurechtfinden können, wenn es sich beispielsweise verlaufen hat", erklärt Rektorin Geck. Den sozial-emotionalen Entwicklungsstand eines Kindes könne man aus dem Verhalten erkennen: Kann es sich kurzzeitig konzentrieren? Wie geht es auf die Fragen ein?

Außerdem überprüft werden Kognition und Motorik. Gerade letztere sei "in den vergangenen Jahren verloren gegangen", klagt Geck, "viele Kinder haben schon Probleme, sich die Schuhe zuzubinden". Wenn aber die Alltagsmotorik mangelhaft sei, hätten die Kinder auch Probleme, Buchstaben sauber zu schreiben oder Bilder auszumalen. "Früher mussten wir nicht so umfänglich daran arbeiten." Zugenommen hätten auch Verhaltensauffälligkeiten und Aufmerksamkeitsdefizit-Störungen.

Dass immer mehr Kinder an psychosomatischen Erkrankungen leiden, weil sie dem Druck in der Schule nicht standhalten können, hält Barbara Geck häufig für hausgemacht. "Der Druck geht weniger von der Schule aus als von den Eltern", erklärt sie, "die wollen halt, das aus ihren Kindern 'etwas wird'".

In der Schule sei der Unterricht in den ersten beiden Schuljahren sehr spielerisch angelegt: "Es wird heutzutage sehr viel Wert darauf gelegt, den Unterricht abwechslungsreich und interessant zu gestalten." So würden die Kinder beispielsweise an verschiedene "Stationen" geschickt: Arbeitsblatt abholen, ausfüllen, woanders abgeben, nächste Aufgabe erledigen. "So sind die Kinder in Bewegung, die Konzentrationsphasen sind kurz". Zensuren gebe es überhaupt nicht, und die Zeugnisse seien wenn irgend möglich positiv formuliert.

Sie rät dazu, die Kinder von Anfang an zu eigenständigem Arbeiten zu erziehen. "Die Eltern sollten nicht bei den Hausaufgaben dabei sitzen", sagt sie. Die Aufgaben sollten zu einer bestimmten Uhrzeit an einem "eigenen, ruhigen, kleinen Arbeitplatz" erledigt werden - wann das ist, müsse man bei jedem Kind individuell herausfinden, "das muss nicht direkt nach dem Mittagessen sein, sollte aber auch nicht zu spät sein". Es sollte eine tägliche Übungszeit geben, auch wenn keine Hausaufgaben zu erledigen sind, zum Beispiel könne man in der Zeit lesen üben.

"Ganz wichtig ist auch, dass die Eltern die Arbeiten der Kinder würdigen. Sie sollten sie durchgucken und vorsichtig auf Fehler hinweisen." Entdeckt das Kind den Fehler nicht, sollte er stehen bleiben, denn nur so hätten die Lehrer die Möglichkeiten, etwaige Schwächen des Kindes zu bemerken und darauf zu reagieren.