Die Abendblatt Regionalausgabe geht auf Sommertour. Oldendorf an der Luhe ist die 16. Station unserer Serie “Unser Dorf“.

Oldendorf. Die Oldendorfer sind sich einig: "Unser Dorf ist weder faul, noch langweilig und schon gar nicht old - sprich alt." Feiern lässt sich in dem fast 1000 Jahr alten Ort an der Luhe von Januar bis Dezember. Allein in diesem Jahr rundet im Bekanntenkreis von Andreas Engel ein Dutzend Oldendorfer. "Es gibt so viele Feste zu feiern, dass wir unser 125-jährige Mühlen-Jubiläum erst im kommenden Jahr feiern werden", sagt der 51-jährige Müllermeister.

Sein Großvater August heiratete in das Oldendorfer Mühlenimperium ein. Heute führt Engel in dritter Generation das Unternehmen. Erwähnt wird die Mühle bereits im 16. Jahrhundert.

"Früher gehörten zu jedem Dorf ein Müller und eine Mühle. Und Müller ist noch heute der am häufigsten vorkommende Name. Ernst zu nehmende Müller allerdings gibt es keine 300 mehr in Deutschland."

Der mehrgeschossige Backsteinbau wurde 1936 errichtet. Heute ist die Wassermühle ein voll automatisierter Betrieb, der sich auf die Erzeugung von Vollkorn- und Spezialprodukten spezialisiert hat. Kleine Landbäckereien werden ebenso beliefert wie das Hamburger Unternehmen Harry, die Nummer Zwei auf dem deutschen Brot- und Backwarenmarkt.

Was Andreas Engel so gut wie nie verpasst sind die sonntäglichen Treffen zum Oldendorfer Abendschoppen. Von 18 bis 20 Uhr finden sich 15, 20 und mehr Dorfbewohner zusammen, um sich über die vergangene und bevorstehende Woche auszutauschen. "Dabei entstehen die positivsten Impulse im Dorf", so Engel.

Bürgermeister Jürgen Rund (50) stimmt zu. Rund ist Vollerwerbs-Landwirt, Ortsbrandmeister, betreibt eine Biogasanlage und kümmert sich seit fünf Jahren als Bürgermeister um die Geschicke der Kommune. Neben dem 560 Einwohner zählenden Oldendorf gehören die Orte Marxen und Wetzen zur Kommune.

Uropa Georg Rund gelangte 1891 mit dem Fahrrad aus Dachtmissen kommend über eine holprige Straße ins Dorf, verliebte sich und blieb. Feldwirschaft, Kühe und Schweine waren das Geschäft von Vater Jürgen Rund. Sohn Jürgen hat auf Getreide, Mais und Zuckerrüben reduziert. Kurz vor der Kommunalwahl blickt er auf einen ausgeglichen Haushalt und einen mit 25 Kindern voll besetzten Kindergarten. Im Gemeinderat gehört er der führenden Wählergemeinschaft an.

Nicht wenige Einwohner sind gleich in mehreren Oldendorfer Vereinen engagiert. Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung ist Mitglied im Schützenverein. Der ist mit 320 Personen sogar der zweitgrößte im Landkreis Lüneburg. Ein weitere Besonderheit: Der Verein ist jung geblieben.

Über die Hälfte der Mitglieder sind nicht älter als 45 Jahre. "Uns ist es bisher immer gelungen, auch für die jüngere Generation das Vereinsleben attraktiv zu halten und an Aufgaben heranzuführen", sagt Wolfgang Kleeblatt, stellvertretender Vorsitzender der Schützen. Einen Hauptgrund für die große Anzahl an Königsanwärtern sieht der 62-Jährige in der Königsversicherung.

"In vielen Vereine will keiner mehr Majestät werden, weil die Königswürde auch eine finanzielle Belastung mit sich bringt."

Der Schützenverein Oldendorf hat vor Jahren eine Königsversicherung ins Leben gerufen. Potenzielle Königsanwärter zahlen jährlich jeweils 50 Euro darin ein. Die Jahresprämie erhält die amtierende Majestät als finanzielle Unterstützung für seine Auslagen. Die Bewerber verpflichten sich, mit dem jeweiligen König an der Hälfte von zehn festgelegten auswärtigen Veranstaltungen teilzunehmen.

Dorothea Kleeblatt (62) trainiert die Schützenjugend. Überhaupt findet sie das Miteinander von Jung und Alt im Verein und innerhalb der Dorfgemeinschaft überragend. Als Beispiel nennt sie die Hot-Shot-Party während des Schützenfestes. "Ist der neue König ausgerufen, wird ausgelassen gefeiert und getanzt. Wenn dann wir Ältere ausgelassen tanzen wie es üblicherweise die Jugend tut, ist das in Ordnung und niemand gibt mir das Gefühl, dass ich alt bin." Zudem erleichtert das generationsübergeifende Miteinander die Nachfolge in wichtigen Ämtern.

Der 31-jährige Karl Hoffmann ist einer, der neben dem Schützenverein auch bei der Feuerwehr und den Faslamsbrüdern mitmischt. Über 50 Mitglieder pflegen den jährlichen Faslamsbrauch.

Als Knechte und Mägde verkleidet ziehen sie lärmend von Hof zu Hof, um den Winter zu vertreiben. Früher verlangen Mägde und Knechte dafür einen Obolus, auf den das heute übliche Schnorren als zentraler Bestandteil des Faslams zurückzuführen ist.

Elektroinstallateur Hoffman gibt gern Gas. So auch in seiner heiße Kiste, einem ausgeschlachtet Subaru-Modell, mit dem er am 27. August zum legendären Stoppelfeldrennen in Oldendorf an den Start rollt. Natürlich sind es die Faslamsbrüder, die das Rennen organisieren.

Um einiges ruhiger geht es im Verein zur Förderung des Archäologischen Museums zu. Das Haus zeigt bis zu 5700 Jahre alte Fundstücke aus der nahe gelegenen Oldendorfer Totenstadt und der Umgebung. Einblicke in die Lebenswelt der Jungsteinzeit geben Leihgaben wie zum Beispiel Fundstücke aus dem Besitz des Lüneburger Landrats Manfred Nahrstedt, der in Oldendorf lebt. "Ein schöner Ort", resümiert er. Womit er Museum und Dorf meint.

Vorsitzende des 2005 gegründet Fördervereins des Museums ist Erika Marbs-Cornils. Sie weiß 110 Mitglieder hinter sich. 16 von ihnen garantieren mit ihrer ehrenamtlichen Anwesenheit im Museum die regelmäßigen Öffnungszeiten des Hauses.

"Das könnte niemand bezahlen", so die Vorsitzende. Die Museums-Mannschaft freut sich über wissbegierige Besucher nicht nur aus dem Umland sondern auch aus den Niederlanden oder Argentinien und zunehmend mehr Schulklassen.

Ehrenamt ist Ehrensache in Oldendorf. Leuchtende Beispiele sind Angelika Müller und Karin Brandenburg. Die Frauen harken und zupfen Unkraut in den Blumenbeeten entlang der Hauptstraße. Im vorletzten Herbst pflanzten sie über 1000 Narzissenzwiebeln.

"Aus Freude an Blumen und damit unser Dorf noch schöner und freundlicher wirkt", sagt die 69-jährige Angelika Müller. Die Kosten für die Zwiebeln hat die Gemeinde übernommen. Darüber hinaus zog Müller jahrelang mit den eigenen Enkeln und Kindern aus Oldendorf über Wiesen und durch die Wälder. "Ich hab ihnen die Natur erklärt. Es hat und allen einen Riesenspaß gemacht."

Auch was kulinarische Genüsse betrifft, muss sich Oldendorf nicht verstecken. Neben einem griechischen Restaurant lockt die regionale Esskultur im Landgasthof Tödter. "80 Prozent unserer Gäste sind Stammgäste", sagt Thomas Rund, der mindestens sechs Stunden täglich am Herd steht. Beim Golfspiel sucht er Entspannung. Zur Freude des Hausherrn hat Sohn Janis die Leidenschaft des Kochens geerbt. Der Zehntklässler möchte in die Fußstapfen seines Vater treten.