Jede vierte Frau, so weist eine Studie des Familienministeriums aus, erlebt mindestens einmal Gewalt durch ihren Lebenspartner.

Lüneburg. Und die Fallzahlen steigen. "Die Zahl der Fälle hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Aber es findet nicht mehr häusliche Gewalt statt, sondern das Dunkelfeld, in dem diese Taten sich abspielen, hellt sich immer mehr auf. Opfer wagen früh den Schritt in die Öffentlichkeit, sie offenbaren sich und bitten um Hilfe", sagt Eleonore Tagte, Kriminalhauptkommissarin und Präventionsbeauftragte der Polizeiinspektion Lüneburg.

Auch die Möglichkeiten, betroffene Frauen und Kinder zu unterstützen, haben sich verbessert. "Die Polizei kann mit einem Platzverweis reagieren - das heißt, sie kann den Täter maximal 14 Tage aus der Wohnung weisen. Früher mussten die zum Einsatz gerufenen Kollegen die Sache in der Regel auf sich beruhen lassen, wenn der Täter sich vor Ort friedlich präsentierte. Jetzt ist es möglich, Konsequenzen zu ziehen", sagt Tatge. Damit werden Folgen der Gewalttat sichtbar, auch für die Kinder, die Zeugen oder im schlimmsten Fall Opfer häuslicher Gewalt sind. "Sie sehen, dass die Gesellschaft Gewalt nicht billigt. Das Opfer bleibt mit seiner Situation nicht allein, sondern der Täter muss Konsequenzen tragen. Auch familiäre Muster werden dabei erstmalig durchbrochen. Häufig übernehmen sonst die Kinder in der nächsten Generation das Verhalten, das sie bei ihren Eltern gesehen haben", erklärt Eleonore Tagte. Das bedeute: Sie agieren selbst gewalttätig oder unterwerfen sich hilflos der Gewalt.

Um Abhilfe zu schaffen haben Bund und Land in den letzten 20 Jahren die Rechte der Opfer von Gewalttaten gestärkt. So wird inzwischen in Fällen, in denen Frauen und Kinder Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, eine eigene Beratungsstelle über den Sachverhalt informiert. Sie nimmt ihre Arbeit auch dann auf, wenn die Betroffenen auf eine Strafanzeige verzichten. In Lüneburg arbeitet die Psychotherapeutin (HPG) Hanna Schütz für die Beratung und Interventionsstelle (BISS). Auch sie verzeichnet steigende Fallzahlen.

"Von Jahr zu Jahr kommen cirka 20 Beratungsfälle dazu. Die Frauen melden sich früher, viele ertragen ihre Situation nicht mehr über Jahre. Es hat sich auch herumgesprochen, dass es bei unseren Beratungsstellen Hilfe gibt - und die wird auch in Anspruch genommen. Häufig schon bei den ersten Gewaltakten in einer Beziehung", sagt Hanna Schütz. Hilfestellung ist auch deshalb besonders wichtig, weil Gewalt gegen Frauen und Kinder oft schwerwiegende Folgen zeigt. Bundesweite Studien haben ergeben, dass viele Frauen schwerste Körperverletzungen, Vergewaltigungen oder versuchte Tötungsdelikte erleben. Die Folgekosten von männlicher Gewalt werden vom niedersächsischen Ministerium für Soziales, Frauen und Familie in Hannover auf etwa 14 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland geschätzt. Hierin enthalten sind die Kosten für Polizei, Justiz und ärztliche Behandlung sowie Ausfallzeiten am Arbeitsplatz.

Abhilfe schaffen soll auch ein Kursus, den die Drobs Lüneburg gemeinsam mit der Ökumenischen Ehe- und Lebensberatung in Lüneburg anbietet: Das Anti-Gewalt-Training für Männer. Am 26. August beginnt ein neues Seminar unter der Leitung des Sozialpädagogen Albrecht von Bülow. Zum zweiten Mal bietet er den Kursus an, in dem Teilnehmer zu einem gewaltfreien Verhalten verholfen werden soll. "Diesmal bauen wir keine feste Gruppe auf, sondern bieten den Kursus ganzjährig an. Damit können auch zwischendurch neue Teilnehmer dazu stoßen. Wir haben mittlerweile eine Kooperation mit dem Amtsgericht und der Staatsanwaltschaft, von dort weist man uns auch Teilnehmer fortlaufend zu. Daher ist die neue Struktur für alle Beteiligten günstiger", sagt von Bülow.

Inzwischen fördert auch das Land Niedersachsen mit 20 000 Euro pro Jahr das Programm, in dem Hilfen geben werden, um das Aggressionspotenzial zu senken und eine bessere Eigenkontrolle zu ermöglichen. "Wir haben unter den Teilnehmern einen hohen Anteil von Langzeitarbeitslosen, viele Betroffene haben Suchtprobleme. Es gibt auch Männer mit Persönlichkeitsstörungen, in denen man zunächst einmal ein Problembewusstsein für ihr bisheriges Verhalten wecken muss. Oft liegt die Schwierigkeit darin, die Betroffenen zu motivieren, denn einige kommen auch nur auf äußeren Druck - zum Beispiel zur Erfüllung von Bewährungsauflagen", sagt von Bülow.

Dass seine Arbeit geschätzt wird, bestätigt Kriminalhauptkommissarin Eleonore Tagte. "Das Anti-Gewalt-Training für Männer ist ein ganz wesentlicher Baustein im Opferschutzpogramm", sagt sie. Nähere Informationen bei der Drobs Lüneburg, unter der Telefonnummer: 04131/68 44 60 oder im Internet.

www.drobs-lueneburg.de