Die Abendblatt Regionalausgabe geht auf Sommertour im Westen der Lüneburger Heide. Das Salz in der Suppe fehlt Salzhausen nicht.

Salzhausen. Das Salz in der Suppe, dass fehlt Salzhausen nicht. Im Gegenteil. Das Dorf mit seinen zahlreichen kleinen und großen Sensationen bring immer wieder Neues auf den Weg, ohne dabei zu ermüden. Ende Juni, eine Woche nachdem Hamburg Fairtrade-Town geworden ist, wurde das Fairtrade-Siegel der kleinen Gemeinde im Speckgürtel der Metropolregion überreicht. Damit ist sie die erste ihrer Art in Niedersachsen.

Angeschoben hat Heike David-Gogolin das Projekt; letztlich eine Gemeinschaftsleistung von Kommunalpolitikern, lokaler Verwaltung, Schulen, Wirtschaftstreibenden, Vereinen und Aktivisten. Nicht allein die Zahl der fair gehandelten Produkte - die ohne den Einsatz von Kinderarbeit entstehen - im lokalen Einzelhandel und der Gastronomie hat zugenommen. Auch die Fußbälle im Sportverein und die Wolle im dörflichen Wolllädchen zeugen von einem Besinnungswandel.

Ein Segen für bedürftige Menschen, die mit jedem Cent rechnen müssen, ist die Tafel im Ort. Sie ist untergebracht im evangelischen Gemeindehaus und Anlaufstelle für rund 50 sozial und wirtschaftlich benachteiligte Menschen. Bereits vor 15 Jahren registrierte Wera Oßwald Armut auf dem Land: "Nicht nur in Großstädten sind Menschen von Einkommensarmut bedroht. Wo immer das Geld knapp wird, sparen die meisten an der täglichen Nahrung - auf Kosten ihrer Gesundheit."

Groß ist der Anteil ausländischer Nutzer. Knapp die Hälfte sind Migranten, schätzt die 78-Jährige aus Vierhöfen. Mittlerweile ist die Tafel etabliert, so dass auch immer mehr bedürftige Rentner und mittellose Witwen aus dem Dorf donnerstags das Gemeindehaus zur Tafelzeit aufsuchen.

Zwar beherrschen die Salzhäuser weniger die Landessprache ihrer ausländischen Dorfbewohner, doch ist ein Großteil der Erwachsenen immerhin zweisprachig aufgewachsen und beherrscht Hochdeutsch wie das Plattdüüsch snacken, der zweiten Amtssprache in Niedersachsen. Der Verkehrs- und Kulturvereins Salzhausen e.V. hat diverse Läden und Geschäfte mit "Plattsnacker-Button" ausgestattet.

Sie signalisieren der Kundschaft, dass Verkaufsgespräche und Unterhaltungen auf Platt geführt werden können. Herbert Timm, Plattdeutsch-Beauftragter für den Landkreis Harburg, geht noch weiter in seiner Forderung: "Erst Hochdeutsch und Plattdeutsch - dann Englisch."

Vor zehn Jahren hat er im Haus des Gastes in der Schützenstraße das Zentrum für Plattdeutsch geschaffen und bis heute 1500 Bücher und Medien für die dortige Bibliothek gesammelt. Die Lage vor allem für das Niederdeutsche in Niedersachsen hat sich in den letzten zehn Jahren dramatisch verschlechtert. Gemeinsam mit Salzhäusern leistet der 70-jährige Plattdeutsch-Experte der Entwicklung Widerstand. Im Haus des Gastes werden entsprechende Sprachkurse der Volkshochschule angeboten; Timm hat den Plattdeutschen Lesewettbewerb für Schüler ins Leben gerufen und holt Plattdüüsch-Snacker wie den Moderator Yared Dibaba nach Salzhausen.

Überhaupt ist Kunst und Sprache ein Schwerpunkt in Salzhausen. Im jährlichen Wechsel werden ein Kunst- und ein Literaturpreis ausgeschrieben. Die Sparkasse Harburg Buxtehude sowie der Verkehrs- und Kulturverein richten in diesem Jahr zum vierten Mal den Salzhäuser-Literatur-Preis aus. "Schwamm drüber" lautet das Thema. Teilnehmen kann jeder, der mindestens sechs Jahre alt ist. Einsendeschluss für die Kurzgeschichte ist der 31. August. Fragen zum Wettbewerb beantwortet die Buchhändlerin Steffi Hornborstel. Sie war es auch, die den Literaturpreis installierte.

"Ich möchte Menschen bewegen aufzuschreiben, was sie bewegt", so die Buchhändlerin, die seit 15 Jahren die einzige Buchhandlung in Salzhausen führt, "die alles hat, was auch in einem großen Laden zu finden ist. Nur die Stapel sind kleiner." Und die Hemmschwelle, den gemütlichen Bücherladen im Heidmarkhof zu betreten, geringer.

In direkter Nachbarschaft positionieren sich ein KunstKiosk sowie der Kunstverein Kukuk. Gegen eine geringe Spende stellen Künstler ihre käuflichen Werke im Kiosk aus. Mit dem Kukuk nebenan ist eine Kunstmeile im Heidmarkhof entstanden, an der sich neben Kursteilnehmern auch die die Einwohner des benachbarten Wohn- und Pflegeheims erfreuen.

Der Kukuk ist ein Treffpunkt für malbegeisterte Jugendliche und Erwachsene. Manche Schüler zieht es bereits nach der Schule in das Kunstzentrum. Den Döner in der Hand und das Hausaufgabenheft auf dem Schoß erwarten sie ihren Kursbeginn. Im Zwei-Jahres-Rhythmus loben Sparkasse Harburg-Buxtehude, Verkehrs- und Kulturverein Salzhausen und der Kunstverein Kukuk den Kunstpreis aus. Wie schon in den vergangenen Jahren hat auch in diesem Jahr der Verein zum Tag der offenen Gartenpforte den Garten des Haus des Gastes in Salzhausen zum Kunstgarten verwandelt. Und das zehnte Gemeinschaftsbild mit dem Titel "Grüner wird's nicht!" enthüllt. "Die Bilder entstehen unter Beteiligung von Künstlern aus unserem Verein, aber auch aus der Samtgemeinde Salzhausen und darüber hinaus wie bei dem Werk "Paarweise" sogar aus unserer Partnergemeinde Bialy Bor in Polen", erklärt die Kommunikationsdesignerin und Mitbegründerin des Vereins Alexandra Eicks, 45.

Bisher gemalt hat immer Bürgermeisterin Elsabe Rolle. 1981 war sie die erste sozialdemokratische Frau im Gemeinderat, seit 15 Jahren lenkt sie als Bürgermeisterin die Geschicke des Dorfes. Für das Ehrenamt steht sie nach der Kommunalwahl nicht mehr zur Verfügung. "Gemeinsamkeit wird groß geschrieben in Salzhausen. Wer immer eine gute Idee hat, kann sie bei uns realisieren, denn alle ziehen an einem Strang", sagt die Diplom-Sozialarbeiterin.

Mehr Gäste will ein neu gegründeter Förderverein in das Haus des Gastes locken. Das ehemalige "Brenners Hus" wurde der Gemeinde Salzhausen von seinem letzten Besitzer, Dr.Gerhard Denckmann, vererbt. Es wurde die Dr.Gerhard-Denckmann-Stiftung ins Leben gerufen, um die Erhaltung des Anwesens durch die kommunale Verwaltung zu sichern. "Eines unserer Ziel ist, mehr junge Menschen in das Haus und seinen Garten zu locken", sagt der Vorstandsvorsitzende Dr. Joachim Lewerenz. Eventuell mit Konzerten oder Lesungen. Gegründet wurde bereits ein Arbeitskreis für die Gartengestaltung.

Bekannt für seine handfeste Hilfe im Ort ist das sogenannte R-Team. Das "R" steht für 38 Rentner, die sich Elisabeth Mestmacher angeschlossen haben. Die 60-jährige Kommunalpolitikern lebt für das Ehrenamt und bekocht nicht nur gern in großen Töpfen die Mitglieder verschiedenster Vereine Auch bringt sie Schwung ins R-Team, das dort wirkt, wo Not am Mann ist. Ihre Jungs schrubben die Waldbühne, halten den Bürgerpark sauber und haben die Hütten für den Weihnachtsmarkt gebaut. In dem ehrenamtlich geprägten Gemeindeleben sind sie eine feste Größe. "Ich hoffe, dass unserer Arbeit Signalwirkung hat", so Mestmacher.

Ein Teil der Salzhäuser Jugend trifft sich regelmäßig in der JUKE, dem Jugendkeller unter dem Rathaus. Den Keller gibt es seit 20 Jahren. Jugendpflegerin Monika Rase von der Reso-Fabrik in Winsen, einem Träger der freien Jugendhilfe, kümmert sich seit 2007 um sie. Die Gemeinde greift dafür tief in die Tasche. Rases Ziel: "Ich möchte Jugendliche ins Leben entlassen, die kritisch sind." Mit einigen Jugendlichen hat sie eine Politikgruppe gebildet, andere boxen, chillen oder skaten auf einer Anlage, für die sie sich im Jugendausschuss der Gemeinde stark gemacht haben.Dass die Salzhäuser nicht nur ihr eigenes Süppchen kochen, sondern sich ebenfalls über die Grenzen der Gemeinde hinausgehend engagieren, beweist eine florierende Partnerschaft mit der polnischen Gemeinde Bialy Bor. Das Verhältnis gleicht einem herzlichen Miteinander bis hinein in das Privatleben der Bürger. Mittlerweile bietet die Volkshochschule Polnisch-Kurse an. "Ich will den Salzhäusern deutlich machen, dass Polen unsere Nachbarn sind", sagt Elisabeth Mestmacher.