Die Abendblatt-Regionalausgabe Lüneburg geht auf Sommertour. Die sechste Station führt uns nach Bardowick vor den Toren Lüneburgs.

Bardowick. "Bardowick hat vier Sehenswürdigkeiten: Den Dom, das Museum Gildehaus, den Nicolaistift und die Windmühle", sagt Bernd Wald. Der 67-Jährige bietet plattdeutsche Führungen durch den Flecken an. Doch um die vier Sehenswürdigkeiten aufzusuchen, muss der Bardowick-Besucher durch unzählige Tempo-30-Zonen und Spielstraßen finden. In so einem verkehrsberuhigten Bereich wohnt auch Plattdeutsch-Liebhaber Bernd Wald.

"Ich gebe Plattdeutsch-Kurse in Schulen, damit schon die Kleinen wieder platt snacken lernen", sagt Bernd Wald. Als Kind ist er zweisprachig aufgewachsen. Zuhause sprach man hochdeutsch, auf dem Hof seines Onkels wurde niederdeutsch gesprochen. Neben dem Plattdeutschen liegt ihm auch die Geschichte Bardowicks am Herzen. Seit zehn Jahren verbindet er nun seine Lieblingsthemen: Gruppen zwischen zehn und 50 Personen führt er durch das historische Bardowick - auf platt. "Ich hatte schon Gruppen aus Cuxhaven und Berlin", sagt der Rentner.

Wenigstens bleibt bei den Erkundungsfahrten Zeit, sich die vielen historischen Häuser im Altdorf anzuschauen und natürlich eine Runde um den Dom zu drehen. Der ist im romanischen und gotischen Stil gebaut. Schuld an dieser Stilmischung ist ein Feuer im 14. Jahrhundert. Der alte Dom brannte fast vollständig ab und wurde in dreischiffiger Backsteingotik wieder aufgebaut. Rundherum stehen einige Fachwerkhäuser, die verkehrsberuhigte Straße ist mit kleinen grauen Steinen gepflastert.

Ganz in der Nähe, in einer Tempo-30-Zone, wohnt und arbeitet Steffen Maack. Er ist der Vorsitzende des Gemüsebauvereins. "In Bardowick gibt es noch 35 landwirtschaftliche Betriebe, als ich klein war, waren es noch doppelt so viele", sagt der Gemüsegärtner. Sein Hof gehört zu den drei größten in Bardowick. Auf 130 Hektar baut er Kohlrabi, Rucola, Petersilie und Möhren an. "Bei uns heißt die Möhre Wurzel", sagt Steffen Peters. Gemüseanbau und Saathandel sind bereits seit dem Mittelalter die Standbeine Bardowicks. "Wir sind so stolz auf unsere Wurzeln, dass wir einmal im Jahr eine Wurzelkönigin küren", sagt der 43-Jährige. "Die Wurzel" sagen die Bardowicker zu ihrer Königin. Der Vorsitzende des Gemüsebauvereins beliefert mit seinen Bardowicker Erzeugnissen den Großmarkt. "Indirekt beliefern wir so auch Edeka. Dort kann man unter dem Namen Unsere Heimat Gemüse aus Bardowick kaufen", sagt Steffen Maack.

Auf dem Weg zum Naturbad Bardowicker Strand, geht es zurück auf die Hauptstraße, die an dieser Stelle Große Straße heißt. Einmal falsch abgebogen, schon dreht man wieder eine Runde um den Dom. Das Naturbad liegt auf der anderen Seite der Hamburger Straße, der Bundesstraße vier. Hier reiht sich ein Autohändler an den nächsten. "Wir sind für diese amerikanisch anmutende Automeile berühmt-berüchtigt. Da ist bauleitplanerisch leider einiges schief gelaufen", sagt der erste Rathmann Horst Bosch, "hier kann man jedoch nur behutsame Veränderungen vornehmen."

Im Nordwesten Bardowicks, gefühlt an der einzigen nicht verkehrberuhigten Straße, liegt das Naturbad. Der Boden des 25-Meter Beckens ist mit grüner Folie ausgelegt, alles ist mit Naturmaterialien verkleidet. Auch der Sprungturm besteht aus aufgeschichteten Feldsteinen. So sah es hier nicht immer aus, weiß Schwimmmeister Ralf Schulz: "1957 wurde hier in Bardowick das erste öffentliche Freibad im Landkreis gebaut. Damals war es noch ein konventionelles Schwimmbad mit Heizung und Chlor." Mit der Energiekrise in den 70ern wurde die Heizung abgeschafft und das Freibad kostenlos für jedermann geöffnet. Zwei Schwimmmeister bezahlte die Samtgemeinde für die Aufsicht. "2001 standen wir hier allerdings vor der Frage, ob das Freibad grundsaniert oder mit entsprechender Filteranlage zum Naturbad umgebaut wird", sagt Schwimmmeister Schulz. Seit 1993 hat er ein Auge auf die Badegäste. Man entschied sich für das Naturbad, das 2002 eröffnet wurde. Seitdem kommen fast nur noch Familien. "Für Jugendliche ist das hier nichts. Die wollen Sprungtürme und lange Rutschen", sagt Ralf Schulz. Trotzdem zählt es bis zu 2000 Besucher an warmen Tagen.

Es geht zurück auf die andere Seite der Bundesstraße vier. In Bardowicks Einkaufsstraße, die Pieperstraße. Das Tempo ist auf 30 reduziert, an einer Seite wird das Rasern unsanft durch eine Schwelle ins Gedächtnis gerufen. Die meisten Geschäfte hier gehören der Werbegemeinschaft Bardowick an. Die 45 Mitglieder haben den Preis zur Belebung der Zentren der Niedersächsischen Quartiersinitiative gewonnen. "Es sind kleine Sachen, die das Bild von Bardowick aufwerten", sagt der Vorsitzende Stefan Meyer. Die Mitglieder der Werbegemeinschaft hätten sich zunächst um leer stehende Geschäfte gekümmert. "Wir haben ein bisschen davor sauber gemacht und die Fenster geputzt und von innen mit Bildern beklebt", sagt er. Wichtig sei es den Geschäftsleuten außerdem, dass die Pieperstraße barrierefrei wird. "Alle Schwellen sollen auf einem Niveau sein", sagt er. Die Schwelle zur 30-Zone klammert er dabei aus. Schon erreicht hätten die Geschäftsleute bessere Beschilderungen und die Verschönerung des Ortskernes mit Blumenampeln.

Es geht raus aus der 30-Zone. Diesmal nur eine halbe Runde um den verkehrsberuhigten Dom und in die Mühlenstraße. Hier steht Eckhard Meyers Holländermühle. Den Namen hat sie wegen ihrer Bauweise. "Sie ist eine von fünf Mühlen in Deutschland, die noch heute in Betrieb sind", sagt Meyer. Seit 1813 hat seine Mühle durchgängig gemahlen. Und auch die Familie Meyer, in Bardowick ist das der beliebteste Familienname, gefolgt von Vick und Bardowicks, ist dem Müllerberuf immer treu gewesen. "Ich bin Müller in sechster Generation", sagt Meyer. Mehl und Tierfutter mahlt die Mühle, das wird dann im Mühlenladen verkauft.

Mit einer verkehrsberuhigten Ehrenrunde um den Dom geht es am Nikolaihof, in dem früher Kranke gelebt haben, vorbei, runter zur Ilmenau. Auf der wurde das Gemüse der Bardowicker Bauern bis 1965 mit Binnenschiffen nach Hamburg gebracht. Zuerst wurden die Schiffe vom Land aus mit Pferde- oder Menschenkraft gezogen, später wurden sie motorisiert. Auch Hans-Jürgen Werner vom Schifferverein ist mit einem Binnenschiff auf der Ilmenau gefahren. "1968 sind wir mit der Hans-Jürgen hier lang gefahren. Eigentlich war das Schiff viel zu groß für die Ilmenau. In den Kurven ist es öfter eng geworden und auch in der Schleuse war nicht mehr viel Platz", sagt er. 2006 war er Gründungsmitglied des Vereins Museumsschiff Ilmenau. Mit 15 Vereinsmitgliedern macht er die 1899 gebaute "Ilmenau" wieder flott. "In fünf Jahren haben wir viel geschafft, aber es ist immer noch einiges zu tun", sagt er.

Im Schritttempo geht es zum Museum Gildehaus. Das liegt in einer Spielstraße. Bis vor 50 Jahren wurde das Mitte des 17. Jahrhunderts erbaute Gildehaus als Rathaus genutzt. Jetzt wird Bardowicks Vergangenheit darin ausgestellt. "Wir beschäftigen uns hier besonders mit dem Gemüseanbau und dem Saatguthandel in Bardowick. Beides hat den Ort reich und bekannt gemacht", sagt Claas-Tido Mundhenke. Ein besonderes Highlight im Museum ist ein alter Leiterwagen der Feuerwehr. Er stammt noch von 1962.

In einem anderen verkehrsberuhigten Bereich macht sich ein Mann Gedanken über Bardowicks Zukunft. In Sichtweite des Doms sitzt Samtgemeindebürgermeister Günter Dubber. "Bardowick ist für Firmen attraktiv. Das macht auch die Nähe zu Hamburg. Mit dem Gewerbegebiet Wittorfer Heide haben wir einen Raum für sie geschaffen", sagt er. Mehr Raum für Baugebiete will er nicht bieten. "Seit 1990 hat Bardowick etwa 42 Prozent Neubürger. Mit dem Ausbau der Infrastruktur kommt man da gar nicht hinterher", sagt Dubber. Wichtig sei es, zunächst das Altdorf wieder attraktiver zu machen. "Es ist immer besser, wenn man mitten im Dorf die Bausubstanz erhalten kann", sagt er. Zudem seien dort viele freie Flächen, die einmal zu ehemaligen Bauernhöfen gezählt hätten. Hier könnten Neubauten entstehen. An verkehrsberuhigten Straßen - versteht sich.