Die freie Theaterszene ist in Lüneburg beliebt. Aber ihre Arbeitsbedingungen sind derzeit alles andere als einfach

Lüneburg. "Unser nächstes Stück soll Hamlet werden - hoffentlich", sagt Birgit Becker vom Theater zur weiten Welt. Noch steht die Förderung für das Sommertheater im Hof der Musikschule nicht ganz, die Zusage eines wichtigen Förderers steht noch aus. Für jedes neue Projekt braucht die freie Theatergruppe ein eigenes Finanzkonzept - das heißt: Neue Zusagen von Stiftungen oder Institutionen, die die Produktion erst möglich machen.

"Aber auch große Häuser brauchen öffentliches Geld. Theater kostendeckend zu machen ganz, ganz schwer", sagt Raimund Wurzwallner, der gemeinsam mit Birgit Becker seit vier Jahren als freier Profi in Lüneburg auf der Bühne steht. Eine ganze Reihe von Produktionen haben sie seitdem gezeigt, mal im Hof der Musikschule, mal im Glaskasten von Vierorten in der Salzstraße. Ein festes Stammpublikum haben sie sich erobert, und auch im Feuilleton gab es durchweg positive Kritiken. "Das ist es, was uns antreibt: Die Resonanz beim Publikum, das Gefühl, dass unser Spiel den Leuten nahe geht", sagt Becker.

Vor dem Schlussapplaus gibt es allerdings jede Menge Arbeit für die beiden Akteure: Nicht nur die Finanzierung einer neuen Produktion muss gesichert sein. "Wir sind alles in einer Person: Vom Bühnentechniker bis zum Dramaturg, vom Pressesprecher über den Darsteller bis hin zur Theaterkasse - alles liegt in unseren Händen", erklärt Becker. Und trotz des enormen Arbeitsaufwandes: Viel ist es nicht, was übrig bleibt. 600 Euro pro Abend kann die Truppe bei 50 Sitzplätzen in Vierorten maximal einspielen. "Das nicht die Welt, wenn man unsere Ausgaben dagegen rechnet", sagt Raimund Wurzwallner. Die Bühnentechnik, die Werbung, Kostüme, die Rechte am Stück, die Gema-Gebühren - das alles kostet. "In Lüneburg haben wir den Vorteil, dass wir viel Unterstützung erfahren. So dürfen wir beispielsweise die Lichtanlage der Musikschule nutzen und im Hof An der Münze auftreten. Aber ohne diese Unterstützung würde es auch nicht gehen. In einer Großstadt wäre es noch schwerer zurechtzukommen, dort ist das Angebot ungleich größer und es ist schwerer, beim Publikum im Gespräch zu bleiben", sagt Birgit Becker. Ein großer Wunsch für die Zukunft wäre ein Proberaum in zentraler Lage, in dem sie einen Fundus für ihre Requisiten einrichten könnten.

Das wünschen sich auch Thomas Flocken und Julia von Thoen vom Schauspielkollektiv Lüneburg. Seit dem Jahr 2005 machen die beiden freies Präventionstheater für Jugendliche und Erwachsene. "Sucht, Gewalt und ihre Folgen, Rechtsextremismus, Armut und Ausgrenzung - das sind unsere Themen. Wir haben beide eine Ausbildung zur Fachkraft für Kriminalprävention und kümmern uns um aktuelle gesellschaftspolitische Themen", erklärt Thomas Flocken. Mit ihrem Programm sind sie sehr erfolgreich. Inzwischen treten sie auf Bühnen und in Schulen in der gesamten Region auf und die Gruppe ist von zwei auf sieben Darsteller gewachsen. Doch das Pensum, das die beiden haben, ist hoch. "Die Bühne, das sind für uns die Bretter, die die Welt bedeuten. Aber die müssen wir uns selbst besorgen, sie transportieren und immer wieder selbst vor Ort verlegen", sagt Thomas Flocken mit Blick auf seine Situation: Eine feste Spielstätte gibt es auch für das Schauspielkollektiv weder in Lüneburg noch in der Region.

Und reich wird man als freier Darsteller auch nicht. "Ein Arbeitstag hat nicht selten zwölf Stunden. Trotzdem bleibt unter dem Strich oft nicht mehr als das Existenzminimum. Ich kenne viele in der freien Szene, die aufgeben", sagt Julia von Thoen. Zwar gibt es Fördermöglichkeiten, aber um die Töpfe scharen sich viele Bewerber. Und bei den Eintrittspreisen lässt sich nicht viel gestalten. "Wir spielen oft vor Schülern, da müssen die Eintrittspreise bezahlbar bleiben", sagen beide Darsteller.

Was ihnen helfen würde, wären Proberäume und eine feste Spielstätte. "Die brauchen wir bald, denn der Raum, den wir im Haus der Jugend genutzt haben, steht uns demnächst nicht mehr zu Verfügung", sagt Thomas Flocken. Seine Hoffnung ruht auf der Alten Bäckerei am Meisterweg, doch bis die kommt, können Jahre vergehen. "Wenn die freien Künstler der Stadt sich unter einem Dach regelmäßig treffen und miteinander arbeiten, gäbe das sicher auch positive Effekte für das Publikum", meint Flocken. Ein Proberaum jedoch brauchen beide schon früher. "Wenn jemand eine Möglichkeit für uns sieht, da wären wir wirklich dankbar."

www.theaterzurweitenwelt.de , www.schauspielkollektiv.de