Kammerkritiker will die Sitzungen nicht mehr besuchen. Sein Mandat behält er aber

Lüneburg. Ingobert Marx hat die Nase voll, sagt er. Nach vier Jahren Mitgliedschaft in der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg will der streitsame Uhrmachermeister aus Schneverdingen ab sofort die Sitzungen des höchsten Gremiums der öffentlichen Körperschaft boykottieren.

Am Telefon meldet sich der ältere Herr stets gut gelaunt mit "Marx, Kammerkritiker" - und das seit 51 Jahren, so lange steht er hinter der Theke seines Ladens. Vor vier Jahren hat sich der Mann, der die Pflichtmitgliedschaft der Kammern in Deutschland schon häufig mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie dem Bezahlen seiner Beiträge in Pfennigen deutlich gemacht hat, in die Vollversammlung der IHK Lüneburg-Wolfsburg wählen lassen. "Mit dem fünftbesten Ergebnis der 72 Mitglieder", wie er nicht ohne Stolz sagt.

Doch nach vier Jahren und ein Jahr vor dem Ende der Wahlperiode verkündet Marx nun, die Sitzungen des Gremiums nicht länger besuchen zu wollen. Er kritisiert fehlende demokratische Strukturen in der IHK, weist auf die Wahlbeteiligung von 12,6 Prozent bei der letzten Abstimmung zur Vollversammlung hin.

"Das Fass zum Überlaufen aber brachte der Wortbruch des IHK-Präsidenten der Kammer", sagt Marx. So habe sich Eberhard Manzke bei der Sitzung seiner Wiederwahl 2009 Marx gegenüber für die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft ausgesprochen, sagt Marx. In einem Interview mit der Lüneburger Rundschau sagte Manzke kurze Zeit später, er habe das "so nicht formuliert". Manzke: "Für die hoheitlichen Aufgaben gibt es zur Pflichtmitgliedschaft keine Alternative, der Staat müsste sonst eine Behörde schaffen."

Ingobert Marx freilich sieht das anders: "In einem wahren freien Staat müsste jeder, der wollte, freiwillig Mitglied in einer IHK oder Kammer sein, oder aber sich aussuchen dürfen, wer seine Interessen und Anliegen besser vertreten kann." Niederlegen will Marx sein Mandat aber nicht, sagt er: "Ich denke nicht daran. Denn so müssen sie mich weiterhin informieren."

Mit seiner Kritik ist Marx in Lüneburg nicht allein: Weiterer prominenter Gegner des deutschen IHK-Systems ist der Lüneburger Raumausstatter Dirk Baumeister, der mit seiner Firma weltweit Kreuzfahrtschiffe und Hotels beliefert. Baumeister hatte im vergangenen Jahr gegen zwei Gebührenbescheide der IHK à 40 Euro vor dem Verwaltungsgericht geklagt - erfolglos. Das war ihm damals bereits vorher klar gewesen, hatte er vor Gericht gesagt. Und: "Rückgrat kostet eben Geld." Mitglied der Vollversammlung ist Baumeister allerdings nicht.

Weitere Lüneburger Vertreter in dem Gremium sind Thomas Brakel (Hotel Bremer Hof), Frank Dalock (Marktplatz Lüneburger Heide), Dirk Michael Habor (Buchhandlung Perl), Hendrik Hampel (VGH-Versicherung), Matthias Hebrock (Cartoflex), Wolfgang Hiller (Hiller Spedition), Hans-Peter Subel (Werum Software und Systems) und Stefan Wabnitz (Weinfass Wabnitz).