Ingobert Marx äußert gern Kritik, doch schriftlich erwähnt wird sie nie

Lüneburg. Wenn Ingobert Marx die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg betritt, dann mit einem Lächeln. Der ausgewiesene Kammer-Kritiker mit Humor will dem Präsidium einen seiner Ansicht nach sehr praktischen Vorschlag unterbreiten: Die Protokolle der Vollversammlungen sollten doch am besten direkt nach Vorstellung der Tagesordnung verfasst werden. Das spare Mühe und Arbeit, es werde doch ohnehin bei den Abstimmungen "nie etwas abgelehnt".

Ingobert Marx gehört zu der Handvoll IHK-Gegner in dem Gremium, das über die Geschicke der Körperschaft öffentlichen Rechts entscheidet. Seine Meinung zur Pflichtmitgliedschaft der Unternehmen in der Lobby hatte der Heidjer vor gut zehn Jahren öffentlichwirksam präsentiert: Da bezahlte er seinen IHK-Beitrag persönlich in dem prächtigen Bau Am Sande - in Pfennigen in einer Schubkarre herbeigekarrt.

Seit dreieinhalb Jahren sitzt der Uhrmachermeister aus Schneverdingen nun als Vertreter von mehr als 60 000 Firmen in der Vollversammlung, und was er dort erlebt hat, erzählt er, ließ ihn nun auf seine launige Idee kommen.

Es war die Vollversammlung am 26. November, die Ingobert Marx aufhorchen ließ - und seine Meinung über den IHK-Präsidenten Eberhard Manzke für einen kurzen Moment um vermutlich etliche Grad drehte: Denn der, sagt Marx, "sprach zu dem erstaunten Ingobert, er, der Präsident, sei für freie Mitgliedschaft, denn die Kammer macht die Hälfte der Arbeit für den Staat, die andere Hälfte für die Mitglieder. Somit müsste der Staat eine Hälfte, die dann freien Mitglieder die andere Hälfte bezahlen."

Nur zu ihm persönlich habe Manzke das gesagt, sagt Marx, später aber nicht widersprochen, als der erfreute Marx Manzkes Ausspruch der gesamten Vollversammlung vortrug. "Doch im Protokoll der Sitzung steht kein Wort von all dem."

Am 11. März trafen die Gewählten wieder zusammen, sollten die Niederschrift der vergangenen Sitzung absegnen. Marx stand auf und protestierte. Das Protokoll habe seinen Namen nicht verdient. Auf Nachfrage erfuhr er, bei der Industrie- und Handelskammer würden lediglich sogenannte Ergebnisprotokolle geschrieben. "Pfiffig" findet der gut gelaunte Kritikergeist das: "Da kann man ja schön alles weglassen, was nicht erwünscht ist."

Und das sagt die IHK auf Nachfrage der Rundschau: "Wir führen grundsätzlich keine Wortprotokolle, sondern halten die Beschlüsse der Vollversammlung und den wesentlichen Diskussionsverlauf fest." Es stehe jedem Mitglied frei, Änderungen oder Ergänzungen zu beantragen. Darüber würde dann abgestimmt. "Von diesem Recht hat Herr Marx in der März-Sitzung Gebrauch gemacht. Sein Antrag fand keine Unterstützer und wurde bei 42 anwesenden Mitgliedern und drei Enthaltungen abgelehnt."

Im Interview mit der Lüneburger Rundschau im Hamburger Abendblatt vom 19. Dezember 2009 hatte IHK-Präsident Manzke übrigens Folgendes zu der Frage gesagt, ob er sich denn bei der jüngsten Vollversammlung für die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft ausgesprochen habe: "Das habe ich so nicht formuliert."