Unser Dorf: Die Abendblatt-Regionalausgabe Lüneburg geht auf Sommertour. Die erste Station führt uns in eine der ältesten und schönsten Gemeinden der Region

Betzendorf. Vieles würde dafür sprechen, dass in Betzendorf der Hund begraben ist. Nicht einmal 500 Einwohner zählt der kleine idyllische Ort an der Grenze zum Naturpark Lüneburger Heide. Und von den rund 480 Betzendorfern verlassen viele morgens das Dorf und fahren zur Arbeit nach Lüneburg, Hamburg, Bremen und kehren erst abends zurück. Trotzdem wirkt der Ort tagsüber nicht wie ausgestorben. Das Dorf lebt. Fröhliches Kinderlachen ist zu hören, weil es im Gegensatz zu anderen kleinen Orten noch einen Kindergarten und eine Schule gibt, außerdem ein Kinderheim.

"Im Kindergarten werden etwa 40 Mädchen und Jungen betreut, denen die Gemeinde täglich Mittagessen anbietet. In der Grundschule werden rund 60 Schüler unterrichtet", sagt Bürgermeister Fritz Lemke. Obwohl der demografische Wandel auch in Betzendorf zunehmend zu spüren ist, hat es die kleine Gemeinde bisher geschafft, ihm erfolgreich zu trotzen.

Dass sich Überalterung und Einwohnerschwund in Grenzen halten, hängt sicher auch damit zusammen, dass im Ort vor 15 Jahren ein kleines Neubaugebiet für 20 Häuser ausgewiesen wurde. "Junge Familien sind hergezogen, aber auch Ältere, die vor dem Trubel der Stadt aufs Land geflohen sind", so Lemke.

Er und Schulleiterin Antje Hugendieck sind optimistisch, dass die Grundschule langfristig erhalten bleibt. "Die Samtgemeinde Amelinghausen als Schulträger hat in den vergangenen Jahren immerhin 360 000 Euro in die energetische Sanierung des Gebäudes und einen neuen Schulhof gesteckt", sagt die Schulleiterin.

Eine andere Entwicklung konnte sich in Betzendorf nicht aufhalten lassen, wie der 77 Jahre alte Jürgen Schmidt einräumt. "Der letzte Laden hat vor ungefähr drei Jahren geschlossen", sagt er. Zum Einkaufen geht es für die Betzendorfer nun nach Amelinghausen und Embsen: "Landwirte gibt es auch nicht mehr. Es ist uns nur der Gastwirt geblieben."

Und der heißt Jürgen Konik. Seine Familie betreibt den Landgasthof bereits in der 14. Generation. Seit 1681 ist das Gebäude eine Schänke und steht schon seit 1343 im Ortskern. Heute ist die Gastwirtschaft ein beliebtes Ausflugsziel für Radfahrer und bietet Betten für die Übernachtung an. "Wir leben in der gewachsenen Struktur eines alten niedersächsischen Dorfes", sagt Jürgen Konik.

Eigentlich muss es heißen, in einem der ältesten Dörfer. Denn das Wahrzeichen und der optische Mittelpunkt des Ortes, die Kirche St. Peter und Paul, gehört zu den sehr alten Kirchen im Landkreis Lüneburg. "Von ihrer Gründung sind keine Urkunden erhalten. Wir gehen aber davon aus, dass der Turm zwischen 1200 und 1400 wie in vielen Orten als Flucht- und Wehrturm errichtet wurde und nicht Teil einer Befestigungsanlage war", ist in der Chronik der Kirchengemeinde nachzulesen.

Konik vermutet, dass der Turm des Gotteshaus sogar mehr als 1000 Jahre alt ist. "Es gibt zwischen Turm und dem später angebauten Kirchenschiff einen Bogen im romanischen Stil, der aus Kalk vom Lüneburger Kalkberg gefertigt wurde", sagt er. Der Baustil weise auf das höhere Alter hin.

"Der Zusammenhalt im Dorf ist groß. Die Neubürger sind gut integriert", sagt der Gastwirt. Das rege Vereinsleben spricht dafür. Musikalisch glänzen der Posaunenchor und die Jagdhornbläser, die beim Bundeswettbewerb einen hervorragenden vierten Platz errangen. Viele Mitstreiter haben auch der kirchliche Jugendtreff, der Chor und die Seniorengymnastik des Roten Kreuzes. In der Findungsphase für einen neuen Aufbruch befindet sich der Schützenverein. Und die Feuerwehr rekrutiert eifrig Nachwuchs.

"Der Sportverein funktioniert in allen Sparten", sagt Konik über die 90 Jahre alte Dame TuS Hertha. Wie der Turnverein zu seinem Namen kam, darum ranken sich Gerüchte. Genaues weiß keiner. Eine Legende hält sich unterdessen hartnäckig. Demnach habe eine Kuh Pate bei der Namensgebung gestanden.

Neben Sport hat auch der Feingeist einen festen Platz in der Dorfgemeinschaft. Der Kulturverein Küsterscheune wurde vor elf Jahren gegründet. Vorsitzender Hansjörg Witte sagt, der Verein setze sich dafür ein, dass dörfliche Traditionen und das kulturelle Erbe Betzendorfs lebendig erhalten bleiben. Dazu gehören vor allem die Pflege der Gemeindechronik, Sonntagsgesprächsrunden zu verschiedenen Themen, literarische und musikalische Veranstaltungen mit Klassik, Folklore und Jazz, Kunstausstellungen und die Förderung des Kunsthandwerks.

"Der Kulturverein hat 80 Mitglieder und sehr viele Sympathisanten in Amelinghausen, Lüneburg und Hamburg", weiß Witte. Die Küsterscheune ist mehr als nur Bestandteil des Namens. Sie ist der Ausgangspunkt für die Vereinsgründung. Ende der 1990er-Jahre zerbrachen sich Bürger den Kopf darüber, wie sie die damals baufällige Scheune erhalten könnten. "Weil man alte Dinge nicht einfach abreißt", sagt Witte. Bei allen Umbauideen gab es jedoch stets ein Hindernis: "Die Finanzierung war das Problem."

Doch eines Tages schälte sich eine Lösung heraus. Die Gemeinde pachtete die Scheune für 50 Jahre von der Kirchengemeinde. Zudem beteiligte sich die Kommune mit der Samtgemeinde an den Umbaukosten, in die auch Mittel aus dem Dorferneuerungsprogramm des Landes und des Lüneburgischen Landschaftsverbandes flossen. "Mit viel Eigenleistung bauten wir schließlich die Scheune in ein Kulturzentrum um, in dem die Kinderbibliothek und die Gemeindechronik Platz finden."

Die Küsterscheune ist aber bei weitem nicht das einzige Fachwerkhaus, das Betzendorf ländlichen Glanz verleiht. Die alten Bauernhöfe und ehemaligen Landarbeiterhäuser werden unverdrossen und mit viel Liebe herausgeputzt. Fast überall ranken bunte Kletterrosen an den Mauern empor. Knorrige, jahrhundertealte Eichen runden das idyllische Bild ab, das ausgesprochen gern als Kulisse für TV-Reportagen und Spielfilme auserkoren wird.

"Schon 1960 wurde bei uns gedreht. Auch meine Hochzeit wurde gefilmt", so Jürgen Schmidt. Und abends auf dem Saal bei Konik feierten die Fernsehleute dann kräftig mit: "Wir haben versucht, sie unter den Tisch zu trinken, es ist uns aber nicht gelungen."

Trotz der Filme mit prominenter Besetzung wie Maria Furtwängler und Ann-Kathrin Kramer ist Betzendorf nicht berühmt geworden. "Weil unser Dorf in den Filmen bisher immer fiktive Namen hatte", sagt Lemke. Aber das ist dem Bürgermeister und den anderen im Ort egal. Denn dass es immer wieder Dreharbeiten gibt, beweist nur, dass in Betzendorf tatsächlich nicht der Hund begraben ist, sondern ein überaus vitales Dorfleben herrscht.