Im Verdacht stehende Sprossen wurden auch in der Lüneburger Filiale des Großhandel verkauft

Lüneburg/Stade/Buxtehude. Im Falle der EHEC-Epidemie führt eine neue Spur direkt nach Lüneburg. Nachdem sich am Wochenende die Zeichen verdichteten, dass bestimmte Sprossen von einem Bio-Hof in Bienenbüttel im Landkreis Uelzen Auslöser der EHEC-Epidemie sein könnten, ist jetzt mehr über die Verbreitungswege bekannt. Die EHEC-verdächtigen Sprossen kamen über Großmärkte der Handelshof-Gruppe in den Umlauf, einer dieser Märkte befindet sich auch in Lüneburg.

"Wir hatten Ware aus Bienenbüttel in unserem Sortiment", bestätigte gestern Wolfgang Baer, Geschäftsführer der Handelshof-Gruppe, die deutschlandweit Restaurants, Hotels, Caterer und Geschäfte versorgt, gegenüber dem Abendblatt. Betroffen seien sechs Großmärkte in Norddeutschland, darunter der Markt in Lüneburg, sowie weitere Märkte der Kette in Hamburg-Harburg, in Stade-Ottenbeck, in Schwerin, Güstrow und in Rostock.

"Der Hof in Bienenbüttel hat uns am Montagmorgen informiert. Wir haben die betreffende Ware sofort vor Verkaufsbeginn aus allen Sortimenten entfernt", sagt Baer. Konkret habe es sich um drei oder vier Sprossen-Produkte gehandelt, die verkauft wurden. Der Handelshof bemühe sich, die Produkte nun, soweit noch möglich, aus dem Verkehr zu ziehen. "Wir informieren unsere Kunden, die die Produkte gekauft haben, soweit wir das nachvollziehen können", so Wolfgang Baer.

"Im Lüneburger Handelshof konnten keine Proben der Sprossen aus Bienenbüttel genommen werden", sagt Harald Fichtner vom Landkreis Lüneburg. Als das Veterinäramt am Sonnabend Proben nehmen wollte, seien keine Sprossen mehr dort gewesen. Ob diese gar nicht erst ausgeliefert wurden oder schon verkauft waren, sei nicht bekannt.

"Lüneburger Bürger haben uns jedoch Proben der Bienenbütteler Sprossen gebracht, die sind jetzt auf dem Weg ins Labor", sagt Fichtner. In einigen Tagen sei mit dem Ergebnis zu rechnen.

Wie Sergej Golmann, Sachgebietsleiter der Lebensmittelüberwachung beim Veterinäramt des Landkreises Stade, berichtet, wurden die Ermittler dort bereits vor rund einer Woche auf den Stader Markt aufmerksam.

Bereits am vergangenen Dienstag sei dort eine Sprossen-Probe genommen worden. "Wir hatten einen Hinweis, dass mehrere Menschen nach dem Besuch einer Gaststätte im Landkreis Rotenburg an EHEC erkrankt waren. In diesem Restaurant gab es eine Salatbar. Der Hinweis war, dass die ganze Bar vom Stader Handelshof ausgestattet wurde. Daraufhin haben wir dort Proben genommen."

Dass überhaupt Sprossen untersucht wurden, war dabei laut Sergej Golmann eher Zufall. "Seinerzeit ging es noch um spanische Gurken. Doch die gab es in dem Markt gar nicht. Weil wir auch deutsche Waren untersuchen sollten, haben wir die Sprossen als einziges Gemüse von einem deutschen Hersteller getestet."

Ein erster Schnelltest habe am Freitag ergeben, dass die Probe mit dem EHEC-Erreger belastet war. Mittlerweile habe allerdings ein ausführlicher Test ein negatives Resultat ergeben. Klarheit darüber, ob die Sprossen aus Bienenbüttel wirklich die Ursache der EHEC-Epidemie sind, könnten nur die Untersuchungen der dortigen Proben ergeben.

"Die Indizienkette ist dicht und plausibel. Sie reißt nicht ab", betont unterdessen der Sprecher des Verbraucherministeriums, Gert Hahne, in Hannover. Der inzwischen geschlossene Gärtnerbetrieb hatte meist über Zwischenhändler Sprossen an zahlreiche Restaurants, Hotels und Kantinen geliefert, deren Gäste teils dutzendfach an EHEC erkrankten. Unter anderem in einem Golfhotel im Kreis Lüneburg, wo elf Mitglieder einer schwedischen Reisegruppe erkrankten, sowie in einem Restaurant in Lübeck, wo 17 Menschen sich mit EHEC infizierten. Auch Kantinen in Frankfurt und Darmstadt, wo zahlreiche Gäste EHEC bekamen, wurden von dem Sprossenzüchter beliefert. Der Betrieb in Bienenbüttel wurde inzwischen geschlossen.

Welche Mengen der verdächtigen Sprossen-Produkte in Umlauf gekommen sind, konnte Wolfgang Baer gestern nicht sagen. Es handele sich jedoch nicht um "starke Artikel", die sich viel verkaufen würden, sagte er. Baer schätzt aber auch, dass es noch andere Verbreitungswege gibt: "Soweit ich weiß, führt jeder zweite Verbrauchermarkt im Norden diese Artikel."

Wegen der noch unsicheren Faktenlage könne das Veterinäramt derzeit keine Anordnungen aussprechen. "Solange wir keinen Erreger in Lebensmittel feststellen, können wir nur Empfehlungen aussprechen", heißt es. Die Empfehlungen für Restaurants gingen auf die Ratschläge des Robert-Koch-Instituts zurück. Sie besagen im Wesentlichen, rohe Gurken, Tomaten und Blattsalate zu meiden. Zudem sei Hygiene in der Küche besonders wichtig.

Ob EHEC-Quelle oder nicht, ob aus dem Handelshof oder nicht - Sprossen verschwinden derzeit, wie zuvor Gurken, Salat und Tomaten, so oder so von den Speiseplänen. "Wir hatten unsere Sprossen nicht im Handelshof gekauft. Trotzdem haben wir sie gestern alle vernichtet. Sicher ist sicher", sagt Marco Schumacher, Mitarbeiter des Stader Scheune-Restaurants. Im Buxtehuder Reformhaus am Rathaus wurde ähnlich reagiert: Inhaberin Alexandra Droege hat gestern Morgen sofort das Saatgut aus dem Sortiment genommen, damit es nicht von Kunden gekauft wird. Den Schritt machte sie, obwohl es sich nur um ungekeimtes Sprossen-Saatgut handelte, das auch nicht aus Bienenbüttel komme.

"Wir wurden am Sonnabend informiert und haben umgehend die Sprossen aus dem Sortiment genommen", sagt auch Harald Titz vom Stader Reformhaus von Glahn. Die Ware habe allerdings nicht vom Handelshof gestammt.

Seit dem Ausbruch der Krise sei der Verkauf von Gemüse ohnehin vollkommen zusammengebrochen, auch Sprossen seien schon länger fast nicht verkauft worden. "Die Leute kaufen das nicht mehr, die Angst ist einfach zu groß", sagt Titz. Er hofft, dass die Gesundheits- und Veterinärämter in Kürze Entwarnung geben können. "Ansonsten weiß ich nicht, wie das langfristig weitergehen soll."