Wenn Kinder gegen ihr Gewicht kämpfen, zählt nicht der schnelle Erfolg. Damit die Kilos purzeln, müssen sich vor allem die Gewohnheiten ändern

Lüneburg. Der erste Kinderkursus des Abnehmprogramms "move&eat&more" in Lüneburg ist vorbei. Acht übergewichtige Kinder und ihre Familien haben ein Jahr lang gelernt, sich richtig zu ernähren und ausreichend Sport zu treiben. "Durch die Bank haben die Kinder ihren Body-Mass-Index senken können", sagt die betreuende Ernährungsberaterin Antje Ziemann.

Auch Max Müller hat an dem Programm teilgenommen. "Ich habe mein Gewicht gehalten, bin aber gewachsen", sagt der Zehnjährige. Um das Gewicht von Kindern zu kategorisieren, wird häufig nicht der Body-Mass-Index (BMI) sondern sogenannte Perzentilen angegeben.

Die 50. Perzentile ist das Normalgewicht. Max' Gewicht lag zu Anfang auf der 99. Perzentile. Das heißt, 99 Prozent der zehnjährigen Jungen wiegen weniger als er, ein Prozent wiegt mehr. Max konnte von der 99. auf die 97. Perzentile rutschen und ist damit der Zweitbeste in seiner Gruppe.

Der beste konnte sein Gewicht um drei Perzentilen verringern. Nur Kinder mit einem Gewicht über der 97. Perzentile können bei "move&eat&more" einsteigen. In den meisten Fällen übernimmt die Krankenkasse 80 Prozent der Kosten für die adipösen Kinder.

Zwei Perzentilen, das klingt für Außenstehende nach wenig, ist aber für die übergewichtigen Kinder ein echter Erfolg. "In diesem einen Jahr wollen wir gar nicht, dass die Kinder sehr viele Kilos verlieren", sagt Ernährungsberaterin Antje Ziemann: "Wir wollen, dass richtige Ernährung und Bewegung sich in den Tagesablauf der Familien einschleichen." Das unterscheide "move&eat&more" von Diäten.

Auch Ernährungsexpertin Helga Fährentz unterstützt diese Sichtweise: "Es ist entscheidend, dass sich gute Verhaltensweisen etablieren und die Eltern den Kinder einen gesunden Lebensstil vorleben." Die 59-Jährige hat einen Ernährungsberatungsservice in Deutsch Evern. Es sei schon ein Erfolg, wenn die Kinder ihr Gewicht hielten, da sie noch wachsen. "Man darf nicht vergessen, dass Kinder noch in der Entwicklung sind und eigentlich noch Körpermasse bilden müssten", sagt sie.

Die Veränderung nicht nur beim Kind, sondern in der ganzen Familie zu bewirken ist eine zentrale Idee von "move&eat&more". Neben den wöchentlichen Treffen der Zehn- bis 13-Jährigen, gibt es auch Elterngespräche. Das Abnehmprogramm wurde 2004 gegründet. Es stützt sich auf die drei Pfeiler move, also Bewegung, eat, die richtige Ernährung und more. Letzteres umschreibt dabei die Einbeziehung der Familie, den Teamgedanken in der Gruppe und die psychologische Betreuung der Teilnehmer.

Auch für Heinz Jarmatz, Allgemeinmediziner aus Barendorf, sind gesunde Essgewohnheiten bei Kindern wichtiger als schnell viele Kilos zu verlieren. Der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes bietet auch Kuren für übergewichtige Mütter und ihre Kinder an. Wenn der Nachwuchs allerdings gar nicht abnähme, liege das meist nicht an den Eltern. "Kinder sind clever, sie verlagern ihre Quellen und besuchen dann die Oma oder Freunde um zu naschen", sagt er.

"Motivation ist bei Kindern alles", sagt Sportwissenschaftlerin Janina Thiessel. Sie hat mit den Kindern Sport gemacht, ihnen besondere Übungen gezeigt. "In diesem Alter sind die Kinder nur über den Spaßfaktor zu erreichen", sagt sie. Janina Thiessel glaubt, dass sie nur einen Anstoß geben kann.

Dass die Kinder einen Sport finden, den sie gern machen, liegt ihr am Herzen. "In den Elterngesprächen wird immer wieder diskutiert, wie mühsam es ist, seinem Kind alle paar Monate eine neue Sportausrüstung zu besorgen. Aber wenn man als Kind nicht möglichst viel ausprobiert, kann man den richtigen Sport auch nicht finden", sagt Janina Thiessel. Darum rät sie Eltern, ihre Kinder so lange Sportarten ausprobieren zu lassen, bis sie die richtige für sich gefunden haben.

Sport ist wichtig, aber die Ernährung nimmt einen noch höheren Stellenwert ein. "80 Prozent der Nahrung sollten Gemüse und Obst sein, 20 Prozent Fleisch und Fisch", sagt Gesundheitsberaterin Sandra Soppe.

Sie rät Eltern regional und saisonal zu kochen, auf gute Qualität und vollwertige Produkte zu achten. Dabei müsse man auch den Wachstumsschüben der Kinder gerecht werden. Es sei außerdem wichtig, eine erhöhte Eiweiß-Zufuhr zu gewährleisten, da sich die Kinder im Muskelaufbau befänden.

Ernährungsexpertin Antje Ziemann glaubt nicht, dass alle Familien auch nach Ende des Programms weiter mit ihren Kindern an deren Gewicht arbeiten werden. "Manche werden das erst einmal ruhen lassen und sich vielleicht später noch einmal mit dem Abnehmen beschäftigen", vermutet sie. Ob sie Recht behält, weiß sie spätestens in einem Jahr. Denn das Konzept sieht vor, nach zwölf Monaten wieder Kontakt zu den Familien aufzunehmen.

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