Der Anteil des Ökostroms in Stadt und Landkreis Lüneburg beträgt bereits 25 Prozent. Der Ausbau der Trassen wird kritisch gesehen

Lüneburg. Dem Lüneburger Landrat Manfred Nahrstedt (SPD) ist nicht bange vor dem Ausstieg aus der Atomenergie. "Schon jetzt sind acht Meiler vom Netz genommen und nirgends sind die Lichter ausgegangen", sagt er. Ein kleiner, wenn auch bescheidener Beitrag, dass es nicht dazu gekommen ist, leisteten die grünen Energieproduzenten aus dem Landkreis Lüneburg. "Wir sind bei den regenerativen Energien sehr gut aufgestellt", sagt der Landrat. Kreissprecherin Katrin Peters untermauert seine Worte mit Zahlen. "Im Landkreis wurden 2009 mehr als 175 000 Megawattstunden Ökostrom produziert", sagt sie. Das sind 175 Gigawattstunden.

Im Vergleich zur Leistung des Kernkraftwerkes Krümmel, dessen letzte Stunde wohl geschlagen hat, ist die Strommenge aus erneuerbaren Quellen aus dem Kreis noch bescheiden. Der Siedewasserreaktor an der Elbe lieferte im gedrosselten Betrieb nach seiner Pannenserie 2009 immer noch mehr als 334 Gigawattstunden Strom. Das war fast das Doppelte von dem, was an Ökostrom aus dem Landkreis kam. Das niedersächsische Kernkraftwerk Unterweser, dessen Ende vermutlich ebenso eingeläutet ist, brachte es 2010 sogar auf 11 238 Gigawattstunden.

Doch trotz dieses massiven Ungleichgewichts zwischen regionalem Öko- und Atomstrom beeindruckt eine andere Zahl aus 2009. "Mehr als 25 Prozent des verbrauchten Stroms in Stadt und Landkreis von knapp 700 000 Megawattstunden im Jahr lieferten regenerative Energieträger aus dem Kreis", so Katrin Peters. Private Haushalte verbrauchten etwa 308 000 Megawattstunden, das Gewerbe 391 000 MWh.

Aufgeschlüsselt in die einzelnen Produktionsarten ergibt sich folgendes Bild: 92 856 MWh kamen aus Biogasanlagen, 77 878 MWh lieferten Windräder, 3641 MWh Fotovoltaikanlagen, 1090 MWh kleine Wasserwerke am Lopausee in Amelinghausen, an der Ratsmühle und an der Brausebrücke in Lüneburg, 510 MWh wurden aus Klärgas gewonnen. "Inzwischen dürfte die Menge noch größer sein, weil seit 2009 neue Anlagen gebaut und in Betrieb genommen wurden", sagt Peters.

Landrat Nahrstedt glaubt nicht, dass wegen des Atomausstiegs im Landkreis künftig neue Anlagen für die Produktion des grünen Stroms wie Pilze aus dem Boden sprießen werden, das Landschaftsbild sich nachhaltig verändern wird: "Wir werden gezielt prüfen, was uns noch fehlt." Dabei soll eine Studie der Leuphana Universität helfen, die untersucht, wie der Landkreis energieautark werden kann.

Wie berichtet, soll sich der Kreis innerhalb der kommenden 20 Jahre dahin entwickeln. In der Region soll dann für die Region Strom und Wärme aus Wind, Wasser, Sonne, Biomasse und Biogas produziert werden. "Das ist möglich. Die Region kann es schaffen. Wir reden über technisch Machbares", sagte Professor Wolfgang Ruck von der Leuphana-Fakultät Nachhaltigkeit.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor liege aber in der Einbindung der Betroffenen und Beteiligten, denen Identifikationselemente und Motivation zur aktiven Gestaltung von zukunftsweisenden Projekten vermittelt werden müssten. Nicht zuletzt werde eine erneuerbare Energieversorgung zu einem großen Teil von dezentralen Anlagen mit finanziellem Engagement vieler kleiner Unternehmen und Privatpersonen realisiert, ebenso wie Einsparmaßnahmen und Umbauten am Gebäudebestand.

Klar sei, so Nahrstedt, dass der Landkreis, der für die Bauleitplanung und Raumordnung zuständig sei, prüfen werde, wo es noch Standorte für neue Windräder gebe. "Es gibt Orte, an denen sie die Bürger nicht weiter stören", sagt er. Zudem werde der Kreis die Biogasanlagen unter die Lupe nehmen. "Dort, wo noch nicht die Abwärme genutzt wird, werden wir Hilfestellungen geben, um das zu erreichen."

Allerdings, so räumt er ein, seien auch Gesetzesänderungen nötig, um Dinge zuzulassen, die zurzeit nicht möglich sind. So müsse beim Bau von Biogasanlagen die Gemeinden mitreden dürfen, ebenso bei der Stromerzeugung in kleinen Flüssen wie etwa in der Luhe. "Beides ist nach derzeitiger Gesetzeslage nicht möglich, da muss sich was ändern", so Nahrstedt.

Überdies fordert er, dass beim notwendigen Ausbau des Stromnetzes auf neue Überlandleitungen verzichtet wird. "Sicher wird auch bei uns die eine oder andere Trasse benötigt. Darüber müssen wir mit den Bürgern sprechen und alles daran setzen, dass die Leitungen in die Erde kommen."

Dass der Landkreis einen Beitrag zum Atomausstieg durch den Ausbau der regenerativen Energieerzeugung leisten will, ist nur ein Schritt. Ein anderer ist, dass er alle eigenen und öffentlichen Gebäude ab 2012 mit Ökostrom versorgt. "Vorher geht es nicht, weil wir noch an laufende Verträge gebunden sind." Allerdings bekommen seinen Worten zufolge bereits die kreiseigenen Schulen in Bleckede und Amt Neuhaus Ökostrom geliefert. Überdies werde ständig daran gearbeitet, Energie zu sparen - etwa durch das Abschalten des Stroms in Gebäuden während der Nacht und den Einbau von Bewegungsmeldern für Lampen auf Fluren.

Nahrstedt wünscht sich den schnellen Ausstieg aus der Atomkraft: "Es wird glücken, weil ich an die deutschen Ingenieure glaube, die die Energiewende möglich machen werden." Deutschland sei ein innovatives und reiches Land. "Wenn wir es nicht schaffen, wer dann? Ich erwarte, dass wir eine Vorreiterrolle einnehmen."

Teil 2 unserer Serie beschäftigt sich morgen mit dem Thema Windkraft