Rezension von Irène Némirovskys “Die Hunde und die Wölfe“

Schon als Ada das erste Mal Harry begegnet, wird er für sie das Ziel ihrer Hoffnungen und Wünsche. Die beiden sind entfernt verwandt und tragen den selben Nachnamen, doch unterschiedlicher könnten die Welten nicht sein, denen sie entstammen. Ada ist die Tochter eines kleinen jüdischen Händlers, der sich in Kiew mehr recht als schlecht durchschlägt, vor allem, nachdem er seine verwitwete Schwägerin und deren zwei Kinder aufnimmt. Harry dagegen wächst reich und wohlbehütet auf.

Nach einem Pogrom fliehen Ada, ihrer Tante und ihren Cousins nach Paris. Dort trifft sie, inzwischen als Malerin tätig, schließlich zufällig Harry wieder, der mit einer der reichsten Pariser Bürgertöchter verheiratet ist.

Irène Némirovsky, die 1903 als Tochter eines jüdischen Bankiers in der Ukraine geboren wurde und während der Revolution in Russland mit ihrer Familie nach Paris floh, begann im Alter von 18 Jahren zu schreiben. Obwohl sie ihr Studium der Literaturwissenschaften an der Sorbonne mit Auszeichnung abschloss und mit ihren ersten Texten Aufsehen in Paris erregte, erreichte sie, trotzdem sie zum Christentum konvertierte, keine Einbürgerung. Unter dem Vichy-Regime verschärften sich die Bedingungen für die Autorin, die 1942 im Konzentrationslager Auschwitz von den Nazis ermordet wurde.

Das Manuskript zu "Die Hunde und die Wölfe", das 1940 entstand, galt nach dem Krieg als verschollen und wurde erst 60 Jahre später wiederentdeckt. Dass es gefunden und veröffentlicht wurde, ist ein Gewinn, allein der poetischen und doch klaren Sprache der Autorin wegen.

Irène Némirovsky: Die Hunde und die Wölfe, Knaus, 256 Seiten, 17,95 Euro