Bürger wollen alte Musikschule erhalten, Arbeitskreis befürchtet, dass die Entscheidung schon gefallen ist

Lüneburg. "Empörungsfrei" wollten sie diskutieren. Ganz gelungen ist es nicht: Die Nachnutzung des Gebäudekomplexes um die Musikschule erhitzt weiterhin die Gemüter. So auch am Dienstagabend beim 6. Stadtgespräch der CDU im Brauhaus Mälzer, zu dem neben einigen Mitgliedern des Arbeitskreises Lüneburger Altstadt (ALA) auch vier Stadträte und rund ein Dutzend interessierter Bürger gekommen waren.

Ein Kulturzentrum müsse her, der Hof der Öffentlichkeit zugänglich bleiben, so die Meinung des ALA-Vorsitzenden Curt Pomp. Und vor allem: Die Gebäude müssten mit all ihren Details erhalten bleiben. "Wenn das der falsche Bauherr in die Hände bekommt, ist es hin!", wetterte er. "Das sind stadtprägende Gebäude, die nicht einfach so verscherbelt werden dürfen."

Doch das Kind ist schon in den Brunnen gefallen, zumindest nach Ansicht des ALA. Der Neubau der Musikschule zusammen mit der St. Ursula-Schule und einer Turnhalle auf dem Gelände der E.on Avacon ist beschlossene Sache, Baubeginn ist am 4. April. Kostenpunkt: 5,5 Millionen Euro. Bezahlt werden soll das Ganze - zumindest zum Teil - aus dem Erlös des Verkaufs des Gebäudekomplexes An der Münze. "Fest eingeplant ist eine Million", so Stadtsprecher Daniel Steinmeier. Sollte der Verkauf mehr einbringen, "haben wir uns dem Land gegenüber verpflichtet, dass weitere Erlöse auch einfließen." Bis Ende 2012 müsse der Verkauf abgewickelt sein, da die Musikschule zum 1. Quartal 2013 in die neuen Gebäude umziehe.

"Das ist die falsche Reihenfolge", findet Marion Bendzko, früher Stadtplanerin in Hamburg. "Jeder Privatmann muss auch erst sein altes Haus verkaufen, bevor er ein neues baut." Sie kennt die Problematik, hatte oft genug in St. Pauli und St. Georg mit ähnlichen Projekten zu tun. "Wer weiß, wie Baustellen funktionieren, weiß auch, dass es schwierig ist, jedes Detail im Blick zu behalten." Möglich sei dies allerdings, fügt sie hinzu: "Wenn die Stadt einen guten privatrechtlichen Vertrag aufsetzt, der auch Regressforderungen enthält, falls gewisse bauliche Details nicht eingehalten werden, kann da durchaus was Gutes draus werden."

Genau dies bezweifelt aber der ALA, befürchtet eine "Banalisierung" (Bauhistoriker Herrmann Kaiser) des Komplexes. "Da gibt es die vier schönsten Fenster, die ich kenne, die sind noch aus der Renaissance", schwärmt Pomp. Sein Vorschlag: Neu streichen und Innenfenster davor setzen, die Wärmedämmung sei so gegeben und die historischen Fenster samt Bleiverglasung gerettet. "Ein privater Bauherr würde die vermeintlich alten, vergammelten Teile doch einfach auf den Müll werfen", unterstellt er.

Es bräuchte Fachleute, um schützenswerte Details erkennen und bewahren zu können, so Pomp weiter, und "die Denkmalpfleger in den meisten Städten können Sie in der Pfeife rauchen, auch in Lüneburg ist es hierum nicht gerade gut bestellt!" Der oberste Denkmalpfleger der Hansestadt sei Oberbürgermeister Mägde, und das sei "eine falsche Entwicklung".

Die Erhaltung historischer Gebäudedetails ist aber nur einer der Streitpunkte. Mindestens ebenso emotional wurde die Diskussion, als es um die geplante Nachnutzung ging. Seniorenwohnungen? Gut und schön, doch die Innenstadt brauche kulturelles Leben, findet Curt Pomp. Es mangele unter anderem an Ausstellungs- und Proberäumen in der Innenstadt, und das geplante Kulturzentrum in der alten Bäckerei sei zu klein und nicht zentral genug: "Da gehe ich nicht hin!"

Es sei schön gewesen, die Kinder zur Musikschule zu bringen und das Flair des Innenhofes zu genießen, findet auch ein interessierter Bürger. Ein Neubau, auch wenn er zentrumsnah sei, sei damit überhaupt nicht zu vergleichen. Oder hätte man vielleicht das Rathaus abreißen und stattdessen in die nahe gelegenen Gebäude der Bezirksregierung ziehen sollen?

"Das Thema Musikschule ist durch", klärt André Schuler (SPD-Ratsmitglied), der genau wie seine Kollegin Marie Anne Henschke zunehmend frustriert wirkte. Eine Wirtschaftlichkeitsstudie habe gezeigt: Die Sanierung der Musikschule koste 5,1 Millionen Euro. "Und die haben wir nicht", sagt Schuler. Da die Sanierung finanziell für die Stadt nicht stemmbar sei, komme auch eine Vermietung der Gebäude nicht in Betracht. Also Kultur ade? Stadträtin Henschke zuckte die Schultern. "Es steht ja jedem frei, das Ganze zu kaufen. Auch Künstlern."