Spaziergänger knipsen das Hochwasser. Doch die größte Besuchergruppe, die sich die Wassermengen ansah, war die mit dem Minister.

Hohnstorf/Alt Garge. Nieselig und trüb waren die Aussichten am Sonnabend zwar, doch in Hohnstorf trotzdem für viele interessant genug, um einen Ausflug an die Elbe zu machen. Denn so hoch wie an diesem Wochenende stand das Wasser des Flusses seit Jahren nicht mehr. Und so sicher waren die Menschen vor den Massen am Ufer noch nie.

Denn die Deiche halten und sind hoch genug, lauteten die Meldungen der vergangenen zwei Tage aus dem Landkreis Lüneburg durchweg. Zwar überstieg der Pegel am Wochenende die Werte des vergangenen Hochwassers von 2006 um sieben bis acht Zentimeter. Doch der Freibord der Deiche betrug trotzdem weiterhin mindestens 1,30 Meter, vermeldete die Kreisverwaltung als technische Einsatzleitung.

Das ganze Wochenende über hatten rund 300 Feuerwehrleute in Alt Garge die Notdeiche weiter verstärkt, im Schichtbetrieb waren alle Feuerwehren im Landkreis im Einsatz. Bis auf kleine Sickerstellen hielten die provisorischen Dämme aus 60 000 Sandsäcken, und von den Deichen meldeten die Wachen keine Schadstellen.

Am Nachmittag war noch einmal Umweltminister Heinrich Sander vor Ort, um mit Landrat Manfred Nahrstedt und Bürgermeister Jens Böther die Lage zu überblicken. Und der Trupp rund um den Landespolitiker war denn auch die größte Besuchergruppe in Alt Garge, sagte Verwaltungssprecher Michael Wieske am Nachmittag der Rundschau: Die Elbegucker seien zum größten Teil nach Hohnstorf gefahren und dort über das frei gegebene Deichstück spaziert. Im gefährdeten Alt Garge hätten sich die Besucher in Grenzen gehalten. Wieske: "Dort waren wir der größte Tross mit dem Minister."

Die Polizei hat die wichtigen Straßen frei gehalten, einige Autos abgeschleppt. Doch insgesamt sei der Fluttourismus "erträglich" gewesen, sagte Wieske.

Umknicksicher, schlammfrei und trockenen Fußes konnten die Ausflügler das Hochwasser von dem asphaltierten Deich in Hohnstorf aus begucken. Lange nicht so entspannt wie für die Spaziergänger war die Lage für die Bewohner der Häuser im Deichvorland: Am Elbdeich 28 hat die Feuerwehr am Sonnabend ein allein stehendes Haus mit 900 Sandsäcken gesichert. Die Häuser am Fischerzug, ebenfalls zwischen Deich und Fluss gelegen, waren nur noch per Boot zu erreichen. Zeitungen und Post werden dieser Tage in Plastikkisten oder Metallfässer gesteckt, die auf der trockenen, hohen Seite stehen. Die eigentlichen Briefkästen stehen im Wasser.

Hochwasser an der Elbe hat Brigitta Racker an diesem Wochenende zum ersten Mal in ihrem Leben gesehen. Die Seniorin ist erst vor vier Jahren mit ihrem Mann von Stuttgart in den Norden gezogen, weil ihr Sohn hier lebt. Die beiden sind am Sonnabend von Büchen nach Hohnstorf gefahren, um auf den Fluss zu schauen. "Wie hoch das ist", sagte die Rentnerin ungläubig, "das ist schon gewaltig."

Ob die Schiffe noch unter die Brücke passen, beobachtete Jacqueline (13) aus Escheburg gespannt, während sie sich vor dem Hohnstorfer Fährhaus an die Mauer lehnt. "Der misst den Pegelstand der Elbe", erklärte Vater Ronald ihr. Mit der ganzen Familie inklusive Großmutter Heike sind die Eltern von Escheburg nach Hohnstorf gefahren, um das Wasser zu sehen. 2002 hat der Feuerwehrmann selbst Sandsäcke geschleppt, in diesem Jahr noch nicht. Sohn Marvin (10), ebenfalls bei der Feuerwehr aktiv, würde aber gerne helfen. Ein Abenteuer wäre das.

Realität waren Sandsäcke vor neun Jahren auch für Svenja Bonertz aus Lauenburg. Die junge Mutter hat auf dem Rückweg von Lüneburg am zur Hälfte überfluteten Parkplatz an der Bundesstraße gehalten, um mit Söhnchen Maximilian über den Deich zu gucken. "Gemeinsam mit der Bundeswehr haben wir von der Schule aus damals Sandsäcke befüllt", erinnert sie sich. Sie empfindet die Wassermassen als "unheimlich". Aber: "Wer freiwillig in die Unterstadt zieht, muss damit rechnen, dass die Keller überfluten."