Häuser im Überschwemmungsgebiet wurden früher genehmigt. Höhere Deiche und Klimawandel schaffen neue Fakten

Alt Garge. Ein Notdamm und ein mobiler Deich mussten eilig errichtet werden, um den Bleckeder Ortsteil Alt Garge vor dem Hochwasser der Elbe zu schützen. Einen Deich gibt es nicht, zahlreiche Gebäude stehen im Überschwemmungsgebiet des Flusses. Sollten die provisorischen Deiche versagen, wären nach Schätzung von Alt Garges Ortsvorsteher Dieter Ossenkopp etwa 30 Häuser und deren rund 100 Bewohner akut gefährdet, würden Opfer der Fluten werden.

Hausgemacht sei das Problem nicht, dass in dem 1200 Einwohner zählenden Alt Garge so dicht an der Elbe gebaut wurde. Vielmehr schmerzten jetzt die Bausünden, die schon Generationen vorher begangen hätten. Damals wurden sie aber nicht als Fehler erkannt, die später einmal gefährlich werden sollten.

"Die Besiedlung ist historisch gewachsen", sagt Bleckedes Bürgermeister Jens Böther. Die Geschichte mancher Höfe, die dicht an der Elbe liegen, reiche bis ins 19. Jahrhundert zurück. Gleiches gilt für den Ortsteil Alt Wendischthun. Auch dort sind die Überschwemmungsflächen schon Jahrzehnte besiedelt. Inzwischen werden die Häuser jedoch von einem Deich geschützt.

Alt Garge war einst ein kleines Fischerdorf, das in den 1950er- und 1960er-Jahren einen kräftigen Zuzug an Bürgern hatte, weil das Kohlekraftwerk im Ort Arbeit bot. "Die meisten Wohnhäuser stehen jedoch schon seit den 1930er- und 1940er-Jahren und viele kleine Flachdachhäuser wurden nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut. Einige sind aber auch jünger. Sie sind durch Umbauten alter Hütten und Gebäude entstanden und werden zum Teil als Wochenendhäuser genutzt", so Ortsvorsteher Ossenkopp.

Zwar sei die Besiedlung im Überschwemmungsgebiet ein normales Baugebiet im alten Dorf, doch nicht mit den klassischen Neubaugebieten der Neuzeit zu vergleichen. "Heute würden dort garantiert keine Bauplätze mehr ausgewiesen", so Ossenkopp. Das glaubt auch der Bürgermeister. Neubauten werde es nicht mehr geben, obwohl sie grundsätzlich möglich seien, sagt Böther. Seit 2002 sind dort keine Baugenehmigungen mehr erteilt worden.

Katrin Peters, Sprecherin des Landkreises Lüneburg, sagt, in Überschwemmungsgebieten wie in Alt Garge gelte jetzt ein Bebauungsverbot. Daher sei es so gut wie unmöglich, eine Baugenehmigung für den Neubau eines Hauses oder die Erweiterung eines bestehenden Gebäudes zu erhalten. "Der Altbestand genießt aber Schutz und muss nicht abgerissen werden."

Die Flut 2002 markiert den Wendepunkt. Bis dahin spielte der Hochwasserschutz offensichtlich nur eine untergeordnete Rolle. "Bis 2002 gab es kein gravierendes Hochwasser. Die kleinen und flachen Sommerdeiche boten ausreichend Schutz. Es passierte gar nichts in den vergangenen Jahrzehnten", sagt Ossenkopp. Daher sei ein Deich für Alt Garge bis 2002 auch nie ein Thema gewesen. "Seit dem ersten Jahrhunderthochwasser im Sommer 2002 sind sich alle einig, dass wir einen Deich brauchen", so der Ortsvorsteher heute. Die folgenden schweren Hochwasser im Winter 2003, im Frühjahr 2006 und jetzt, die in schneller Abfolge kamen, bestärkten die Forderung nur.

"Dieses Kaliber an Hochwassern gab es in der Vergangenheit nie", sagt Böther. Das Wasser im Unterlauf der Elbe bis Geesthacht komme jetzt geballter an als früher. Und Böther nennt auch den Grund: "Weil weiter oberhalb höhere und stabilere Deiche gebaut wurden. Deshalb kommt unten mehr Wasser an, weil es unterwegs nirgends mehr ausweichen kann." Und Dieter Ossenkopp glaubt, dass auch Fehler in der Wasserwirtschaft schuld sind. "Kleine Flüsse und Bäche sind in der Vergangenheit oft kanalisiert worden. Die Folge ist, dass Wasser jetzt regelrecht in die großen Flüsse hineinschießt." Und nicht zuletzt sei es der Klimawandel, der zu Wetterkapriolen führe, die Ursache für schweres Hochwasser auf der Elbe sind, sagen Böther und Ossenkopp.

Obwohl zurzeit wieder eine mächtige Hochwasserwelle anrollt und Alt Garge bedrohen wird, sind Bürgermeister und Ortsvorsteher zuversichtlich, dass der Ort sicher vor der Flutwelle der Elbe ist. "Notdamm und mobiler Deich werden halten", sagen sie. Denn es scheine nach neuesten Prognosen so, dass der Wasserstand niedriger sein wird, als bislang vorhergesagt. "Der Pegelstand wird wohl genau zwischen den Höchstwerten von 2002 und 2006 liegen", so Böther.

Inzwischen schwappe das Wasser gegen den mobilen Damm, berichtet Ossenkopp. "Ein Grund für uns, dass die Deichwachen in Alt Garge aufziehen."