Im Ranking des Pestel-Instituts aus Hannover liegt Lüneburg auf Rang elf von 412 getesteten Regionen bundesweit

Lüneburg. Bundesweit gehört der Landkreis Lüneburg zu den Regionen in der Republik, die besonders krisenfest sind. Diese ungewöhnliche Erkenntnis ist das Ergebnis einer erstmals durchgeführten Untersuchung des Pestel-Instituts aus Hannover. Sie zeigt den Landkreis auf Rang 11 von 412 getesteten Regionen. Das Gesamtranking zeigt eine hohe Krisenfestigkeit im Osten und Süden Deutschland.

Die Platzierung Lüneburgs überrascht ebenso wie die Indikatoren, die das Institut zur Messung der Krisenfestigkeit anlegt. Weder wirtschaftliches Wachstum noch die besonders ausgeprägte ökonomische Ausrichtung einer Region interessiert das Institut. "Wir sind der festen Überzeugung, dass gerade in Krisenzeiten anderen Bereichen eine hohe Bedeutung für die Stabilität des Gesamtwesen zukommt", sagt Institutsmitarbeiter Matthias Günther. So wurden in der Studie 18 Indikatoren aus den Bereichen Soziales, Wohnen, Verkehr, Flächennutzung, Energie und Wirtschaft einbezogen. Sie zeigen, wie gut auch im Krisenfall die Handlungsfähigkeit einer Region oder Stadt durch Flexibilität, Ressourcenausstattung und Sozialkapital erhalten bleibt.

Erstaunt zeigt sich Ökonom Günther vor allem über die guten Ergebnisse der ÖPNV-Fahrzeugkilometer je Einwohner wie auch die geringe Zahl der zugelassenen Pkw je 1000 Einwohner. Die Bürger des Landkreises legen durchschnittlich 57,2 Kilometer jährlich mit Bus und Bahn zurück; nur 497 Autos waren 2009 auf je 1000 Einwohner zugelassen. Hervorragend schließt die Region ebenfalls in den Bereichen Wanderungssaldo der Bevölkerung, Anteil des Ökolandbaus an der Landwirtschaftsfläche, Waldfläche je Einwohner, Windkraftleistung und Biogasleistung je Einwohner sowie der Industriebeschäftigtenquote ab.

Damit liegt der Landkreis bei acht Indikatoren im Spitzenbereich, achtmal wurde ein Mittelplatz eingenommen. Schwach positioniert sich Lüneburg im Sozialbereich mit einem hohen Anteil an Schulabgängern ohne Schulabschluss sowie bei der Höhe der kommunalen Schulden pro Einwohner.

Günther erläutert den Hintergrund der Studie: "Die Reduzierung aufs Ökonomische reicht heute nicht mehr aus. Regionen, die sich um Relokalisierung bemüht haben, sind krisenfester als Industriestandorte." Sie verfügen über soziale Stabilität, dezentrale Energieversorgung, ausreichend land- und forstwirtschaftliche Flächen, die dabei helfen, Krisen besser zu überstehen.

Deshalb wird im Hinblick auf die Krisenfestigkeit ein hoher Anteil an Industriebeschäftigen negativ beurteilt. Die Gründe liegen nach Ansicht des Instituts in der hohen und unmittelbaren Betroffenheit der vor allem auf den Export ausgerichteten deutschen Industrie. "Die im Aufschwung positiven Effekte kehren sich im Krisenfall um und lassen für stark industrialisierte Regionen überdurchschnittliche Einbrüche erwarten." Dies bestätige die gerade überwundene Finanzkrise.

Die Studie zeigt, dass nicht unbedingt internationale Wettbewerbsfähigkeit Sicherheit für die Zukunft garantiert. Ein umfassendes Angebot im öffentlichen Nahverkehr sichere aber die Mobilität. Ein niedriger Bestand bei den Kraftfahrzeugen steigere die Unabhängigkeit vom Erdöl sowie ein steigender Anteil an Landwirtschafsfläche die Möglichkeit der teilweisen Selbstversorgung.

Die vom Institut als überaus positiv bewertete Biogasleistung von 60 W je Einwohner im Landkreis zielt auf eine weitgehend autarke Energieversorgung hin. Ebenso sehen die Forscher den hohen Anteil an landwirtschaftlichen oder Waldflächen als Vorteil für die Region.

Der allerdings für Lüneburg nur mittelmäßig beurteilte Anteil der Beschäftigten, die am Wohnort leben und arbeiten, hängt eng mit dem Bau der Autobahn von Lüneburg nach Hamburg zusammen. "1994 wurden tägliche 12 874 so genannte Auspendler von Lüneburg in die Metropole Hamburg gezählt. Heute sind liegt die Zahl der Pendler für den einfachen Weg bei 21 486."

Natürlich zeigt auch der Landkreis Schwächen, an denen zu arbeiten ist. Dazu zählt die Höhe der kommunalen Schulden pro Einwohner wie die zu hohe Abbrecherquote bei Hauptschülern.

Doch Kreisrätin Monika Scharf freut sich trotzdem über die gute Platzierung der Region. Die Optimierung des Öffentlichen Nahverkehrs sei weiterhin Ziel der Politik und werde mit der aktuellen Fortschreibung des Regionalen Raumordnungsprogramms noch verbessert. Dort ist festgeschrieben, dass Gemeinden ihre Siedlungsentwicklung vorrangig auf die örtlichen Standorte und die Einzugsbereiche der Haltepunkte des öffentlichen Personennahverkehrs auszurichten haben.

Über manche Kriterien allerdings wundert sich die Kreisrätin. Dazu gehört die Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten aus der Region im Fall einer größeren nahrungswirtschaftlichen Krise. Dieses Szenario könne sie sich so nicht vorstellen.

Das Institut in Hannover kann sich diesesw Szenario sehr wohl vorstellen: "Der bei vielen unerschütterliche Glaube an die Technik führt in der Regel zu der Annahme, dass wir im Norden ohne Änderung unserer Lebensweisen über den technischen Fortschritt die Krise verhindern können. Man mag dies diskutieren und zu positiven Schlüssen gelangen. Wir im Pestel-Institut sagen: Wir stehen nicht vor einer großen, noch abwendbaren Krise, sondern wir befinden uns bereits mittendrin."

Sprecher Matthias Günther bestätigt, dass jeder einzelne Indikator und seine Bewertung diskussionswürdig seien. Ziel der Studie ist: "Den Kreisen und Städten kann nur empfohlen werden, sich mit möglichen Krisenszenarien wesentlich intensiver zu befassen als bisher. Starke Regionen sind wichtig für mehr Krisenfestigkeit."