Dem Landkreis fehlt für Überprüfungen das Personal. Futtermittelskandal bringt auch Betriebe in Gefahr, die gar nicht betroffen sind

Soderstorf. Der Dioxin-Verdacht bei den Landwirten im Kreis Lüneburg ist ausgeräumt. Alle zehn bislang gesperrten Schweinezuchtbetriebe sind wieder freigegeben, nachdem keine erhöhten Dioxinwerte in Futtermittelproben von den Betrieben festgestellt worden sind. Doch auch viele der nicht betroffenen Bauern sehen sich als Opfer der Futtermittel-Skandals. Mancher Betrieb wünscht sich sogar regelmäßige staatliche Kontrolle. Doch die können weder das Land noch die Landkreise leisten.

Harm Stegen aus Schwindebeck bei Soderstorf ist Schweinemäster. Sein Hof ist nicht geschlossen worden, weil er kein Futtermittel aus Uetersen bezogen hat. Doch Stegen sieht durch den Futtermittelskandal die gesamte Landwirtschaft am Pranger: "Fast alle Landwirte, die Viehhaltung betreiben, beziehen Futtermittel. Auch in meinem Betrieb ist das so, obwohl wir einen Teil als Eigenschrot selbst herstellen und unter das Futter mischen. Doch letztlich müssen sich alle auf die Lieferanten und deren Angaben verlassen, denn für uns ist es unmöglich, jede Charge selbst zu untersuchen."

Landwirte wie Harm Stegen hätten nichts dagegen, regelmäßig überprüft zu werden. Schon, um gegenüber den Kunden nachweisen zu können, dass ihre Produkte einwandfrei sind. Stegens Betrieb ist bisher aber weder von einem staatlichen noch einem der vier Lebensmittelkontrolleure aus dem Landkreis Lüneburg besucht worden.

Tatsache ist, dass die Kommunen gar nicht genug Personal haben, um eine flächendeckende Kontrolle wirklich sicher zu stellen. Kreisrätin Monika Scherf: "Wahrscheinlich ist kein Landkreis deutschlandweit personell so

ausgestattet, dass er all diese Kontrollaufgaben hundertprozentig erfüllen kann. Auch der Landkreis Lüneburg ist aufgrund der schwierigen Haushaltslage und des engen Personalkostenbudgets personell nicht so ausgestattet, dass er dies vollständig leisten könnte."

Das ist auch die Erfahrung, die Stegen gemacht hat. "Nur zehn Prozent der Betriebe wurden bisher überprüft. Anscheinend erwischt es einen Betrieb nach dem Zufallsprinzip. Ein Nachbar wurde drei Jahre hintereinander kontrolliert, wir bisher noch nie", sagt der Landwirt.

Sind die Landkreise mit der Situation schon personell überfordert, gilt das erst recht für das Land Niedersachsen. Denn speziell für die Kontrolle der Futtermittel-Hersteller ist das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zuständig. Auch die Normen und Standards der Europäischen Union helfen nicht weiter. Zwar ist selbstverständlich EU-weit genau festgelegt, welche Standards Betriebe einhalten müssen, damit sie Zahlungen aus Brüssels großer Kasse erhalten.

Und wenn sie diese Standards nicht einhalten, werden die Mittel - unter anderem aus dem Topf zur Entwicklung des ländlichen Raums - gekürzt oder eingestellt. Nur überprüft wird es nicht. Zumindest Harm Stegen hat in seinem Schwindebecker Betrieb noch keine dieser "Cross Compliance" genannten Prüfungen erlebt.

Um nicht vollends in den Verdacht zu geraten, Lebensmittel ohne jede Kontrolle zu produzieren, haben sich viele Landwirte, der Handel und Teile der Lebensmittelindustrie zusammengeschlossen und ein eigenes Kontrollsystem entwickelt - das QS-Siegel. Bei den Kontrollen für diesen Standard wird zunächst einmal überprüft, ob die gesetzlichen Vorgaben von dem jeweiligen Betrieb eingehalten werden. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, doch die Vorgänge um die Futtermittelfabrik in Uetersen machen deutlich, dass es ohne Kontrolle eben nicht geht. Und die freiwilligen Kontrollen der Branche haben in diesem Fall nicht geholfen.

Harm Stegen ist vom Sinn des QS-Siegels allerdings überzeugt: "Zu vielen Dinge, die die Prüfer kontrollieren, sind wir sowieso verpflichtet", sagt er. "Die halbjährig angesetzten Prüfungen dauern einige Stunden und geben uns Landwirten, die das freiwillig machen, ein gutes Gefühl. Als Träger des QS-Siegels können wir uns mit breiter Brust hinstellen." Ihm helfe das Prüfungssystem darüber hinaus, eventuelle Verbesserungspotentiale für den Betrieb zu entdecken und gegebenenfalls Abläufe zu optimieren.

Bei der Vermarktung von Schlachtschweinen und Schlachtrindern geht mittlerweile kaum noch ein Weg an der QS-Zulassung der Erzeuger vorbei. Landwirte, die Tiere ohne QS-Status zum Schlachthof bringen, werden mit empfindlichen Preisabzügen belegt.