Der Trend zur Massentierhaltung in der Landwirtschaft hält auch in der Region an. Der Verbraucher bestimmt dabei maßgeblich mit.

Soderstorf. Harm Stegen hat nichts zu verbergen. Im Gegenteil. Wer Interesse an seiner Schweinezucht zeigt, dem öffnet der Landwirt die Tür zum Stall in Schwindebeck, einem Ortsteil von Soderstorf. Dahinter wühlen keine Sauen im Stroh, sondern mächtige Muttertiere liegen auf trockenen Spalten, eine Vielzahl Ferkel drängt sich an ihren Zitzen. Es ist warm in den Ställen, die Temperatur beträgt konstant 20 Grad - auch an frostigen Wintertagen.

Dennoch trägt das Geschäft einen kalten Namen: Massentierhaltung. Landwirt Stegen bekennt sich dazu. Wie fast alle Landwirte stand er vor der Entscheidung: Wachsen oder Weichen. "Es ist der Verbraucher, der die Tierhaltung über den Preis am Markt maßgeblich bestimmt. Wäre er bereit, mehr für ein Kilo Schweinefleisch zu zahlen, würde ich meine Tierhaltung sofort umstellen und den Marktbedürfnissen anpassen."

Während die Fleischpreise in den Keller fallen, steigen die Getreidepreise. Den immer höheren Kosten, begegnet die Branche mit zunehmenden Stückzahlen. Und die Deutschen essen immer mehr Schwein. 58 Millionen Schweine kamen 2010 an den Haken, ein Zuwachs von rund 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Harm Stegens Spezialgebiet ist die Schweinezucht. 1999 errichtete er abseits des Hofes einen Sauenstall mit Ferkelaufzucht, acht Jahre später kam ein Maststall dazu. "Dort können wir unsere Ferkel aufziehen." Die 210 Sauen werden in einem geschlossenen System gehalten. Sie sind aufgeteilt in sieben Gruppen à 30 Sauen. "Alle drei Wochen wiederholt sich für uns die Arbeit. Alle drei Wochen steht Abferkeln an, dann das Besamen - ein immer wieder kehrendes System."

Die Vermehrung der Danzucht -Sauen kommt derzeit auf 28,3 abgesetzte Ferkel je Sau und Jahr. Rund 6000 Schweinchen werden jährlich auf dem Hof geboren und aufgezogen. "Oberste Priorität hat die Hygiene sowie die intensive Betreuung der Ferkel und Muttersauen durch eine Tierwirtin." Ein Langzeitantibiotikum schützt die Ferkel vor Erkrankungen. Ihr Weg in dem System führt die Jungtiere weiter in den Maststall. 2000 von ihnen verkauft Züchter Stegen als Jungsauen in andere Ferkelbetriebe. Rund 3500 Tiere werden jährlich geschlachtet.

Zudem betreibt der Landwirt außerhalb der Ortschaft gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Bauernverbands Nord-Ost Niedersachsen, Jens Wischmann, eine Biogasanlage. Gefüttert wird sie mit Gülle aus dem Ställen und Mail von eigenen Äckern. Die Abwärme der "Heidekraft Biogas GbR" wird zur Beheizung der Sauenställe, des Wohnhauses und des etwa 2,5 Kilometer vom Kraftwerk entfernten Kongresszentrums Thansen genutzt. "Den Anlage spart den Verbrauch von 175 000 Liter Heizöl ein", so Stegen.

Obwohl es bundesweit Dutzende friedlichen Bürgerinitiativen gibt, die sich gegen den Bau von immer größer werdenden Schweineställen und Biogasanlagen einsetzen, nehmen die Einwohner von Soderstorf keinen Anstoß an den Harmschen Anlagen. Das liegt auch daran, dass Stall und Biogasanlage im Außenbereich wenig Beeinträchtigung für die Bürger darstellen. Entsprechende Filter und genügend Abstand zur Wohnbebauung waren zwingende Vorraussetzung für die Genehmigung.

Dennoch waren die aktuellen Diskussionen des vergangenen Jahres im Landkreis Lüneburg über Massentierhaltung und Biogasanlagen für die SPD-Kreistagsfraktion Anlass, den Hof Stegen zu besichtigen. Dabei wurde den Politikern das Spannungsfeld vor Augen geführt, in dem sich Landwirte bewegen: Tierhaltung soll wirtschaftlich sein, damit die Lebensmittel nicht zu teuer sind, Tier- und Naturschutzbelange sind zu beachten, Nachbarn dürfen nicht beeinträchtigt werden.

Obwohl sich SPD und Grüne in ihrem Gruppenvertrag gegen die Massentierhaltung ausgesprochen haben, ist sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Franz-Josef Kamp nach Besichtigung der Schwindebecker Anlage sicher: "Trotz aller Probleme wird hier versucht eine intelligente Lösung zwischen Wirtschaftlichkeit, Tier- und Naturschutz und den berechtigten Interessen der Menschen vor Ort zu finden."

Mehr noch:"Diese Anlage kann sicherlich Modellcharakter für den Landkreis haben. Eine reine industrielle Massentierhaltung, wie zum Beispiel bei der Hähnchenzucht, lehnen wir aus ethischen und ökologischen Gründen aber weiterhin ab."

Bedenken gegen die moderne Tierhaltung äußerte Fraktionskollege Hinrich Bonin, weil sie den Tieren keinen Freilauf und nicht das Wühlen in der Erde ermögliche: "Das Konsumverhalten, das den Preis vor die Qualität stellt, muss überdacht werden." Während Bonin über artgerechtete Tierhaltung nachdenkt, fordert Stegen für den Neubau der Lehr- und Versuchsanstalt für Tierhaltung in Echem im Bereich der konventionellen Schweinehaltung statt der geplanten 250 sogar 500 Sauen. "Die müssen den Auszubilden zeigen, wohin die Zukunft geht."