Warum das neue Bundesfreiwilligengesetz schon vor seiner Einführung heftig umstritten ist

Lüneburg. Bisher waren Zivildienstleistende in Altenheimen und Kliniken aktiv, leisteten den Fahrdienst für Behinderte oder fuhren Essen auf Rädern aus. Doch jetzt ist der Zivildienst abgeschafft.

An seine Stelle soll in Zukunft ein Bundesfreiwilligendienst treten. "Der neue Bundesfreiwilligendienst ist eine überzeugende und praktikable Lösung, mit dem wir die Freiwilligendienste in Deutschland stärken. Er bietet vielen Menschen, nicht nur den jungen, die Möglichkeit sich zu engagieren", sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Eckhard Pols über das neue Bundesfreiwilligengesetz, das die Situation ab dem kommenden Sommer neu regelt.

Sechs bis 24 Monate sollen dann Freiwillige ab 16 Jahren in den Bereichen Kultur, Bildung, Soziales, Sport, Integration und Umwelt ihre Arbeitsleistungen gegen eine Bezahlung von 335 Euro pro Monat zur Verfügung stellen können. Das bisher bereits existierende Freiwillige Soziale oder Ökologische Jahr (FSJ/FÖJ) in den Bereichen Soziales und Umwelt bleibt bestehen.

Kritik an der Neuregelung übt Andrea Schröder-Ehlers, Kreisvorsitzende der SPD und Landtagsabgeordnete ihrer Partei. "Der vom CDU-Bundestagsabgeordneten Eckhard Pols so hoch gelobte neue Bundesfreiwilligendienst stellt eine teure, ineffiziente und überflüssige Doppelstruktur dar, die sogar von den Fachleuten aus der Regierungskoalition kritisiert wird und die unnötige Konkurrenzsituationen mit sich bringt", sagt sie.

Zwar sollten die jungen Menschen während der Ableistung ihres Dienstes keinen Unterschied zwischen einer Stelle des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) oder des Freiwilligen Ökologischen Jahres (FÖJ) gegenüber einer Bundesfreiwilligendienststelle ausmachen können. Faktisch befänden sie sich aber in unterschiedlichen Rechtsformen mit unterschiedlichen Regelungen, wie beim Kindergeld. "Das ist wenig einleuchtend", so Schröder-Ehlers.

Eine unübersichtliche Situation, auch für die Bewerber, kritisiert ebenso der Bundesarbeitskreis Freiwilliges Soziales Jahr. Dort geht man davon aus, dass der Bund mit der Neureglung vor allem die Strukturen und Arbeitsplätze retten wolle, die im Bereich der Verwaltung des bisherigen Zivildienstes entstanden sind. "Tatsächlich entsteht jetzt unnötiger bürokratischer Aufwand, denn ganz unabhängig voneinander arbeiten unterschiedliche Einrichtungen an derselben Aufgabe. Außerdem ist Interessenten für die Freiwilligendienste die komplizierte Situation nur schwer zu vermitteln", sagt Ute Giesecke-Tapp, Referentin der evangelischen Freiwilligendienste in Hannover und Mitglied im Arbeitskreis.

Den Bestand der bisher schon im FJS und FÖJ existierenden Stellen sichern soll ein Kopplungsmodell, das mit dem zuständigen Bundesfamilienministerium vereinbart wurde: Plätze im FSJ/FÖJ sollen in gleicher Menge angeboten werden wie andere Stellen in den Freiwilligendiensten. 35 000 Plätze werden in beiden Bereichen finanziert.

Die arbeitsrechtlich unterschiedliche Behandlung der Teilnehmer aller Freiwilligendienste mit den regulär Beschäftigten stört die Gewerkschaft Verdi. Sie rügt, dass die Betroffenen in den freiwilligen Diensten normalen Arbeitnehmern nicht gleichgestellt sind: Reguläre Arbeitsplätze würden gestrichen, als Ersatz werden Freiwillige genutzt. Die freiwilligen Mitarbeiter verdienen schlechter, sind sozialversichert, haben aber keinen Arbeitsvertrag und können sich durch Betriebsräte nicht vertreten lassen.

"Wir stehen der Neuregelung sehr kritisch gegenüber. Ich frage mich, wer in der Bevölkerung an der Teilnahme an dem neuen Freiwilligendienstes Interesse haben wird. Meiner Ansicht nach kann die Neureglung die Lücke, die die Abschaffung des Zivildienstes reißt, nicht schließen", sagt Lutz Kokemüller, Gewerkschaftssekretär für die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di im Bezirk Lüneburger Heide.